Kristallwachstum in metallischem Glas
Röntgenlichtquelle PETRA-III zeigt bereits kleinste Nanostrukturen.
Mit der Forschungslichtquelle PETRA-III am DESY haben Wissenschaftler Nanokristalle in einem metallischen Glas live zugeschaut. Die Methode erlaubt, das Wachstum der Kristalle ab einer Größe von etwa zwei Nanometern in Echtzeit zu verfolgen und könnte zu einer Optimierung der Eigenschaften von metallischem Glas und anderen Hightech-Materialien führen. „Die Technik lässt sich nicht nur auf andere Materialien anwenden, sondern damit ließen sich auch Kristallisationsprozesse in chemischen Reaktionen in Echtzeit beobachten“, betont DESY-Forscher Jozef Bednarcik.
Abb.: Röntgenstreubild einer Probe aus metallischem Glas, aufgenommen an der PETRA-III-Messstation P07. Die hellen Ringe korrespondieren mit den Bragg-Reflexen der Fe3Si-Nanokristalle, während die breiteren und weniger hellen Ringe im Zentrum des Streubilds von der amorphen Matrix stammen, in die die Nanokristalle eingebettet sind. (Bild: J. Bednarcik et al., DESY)
Metallische Gläser sind neuartige Materialien, die bereits breite Anwendung in Sensoren, Transformatoren und anderen elektronischen und elektrischen Geräten finden. Anders als der Name vermuten lässt, sind metallische Gläser nicht durchsichtig. Die Bezeichnung als Glas bezieht sich auf die innere Struktur, die ebenso ungeordnet ist wie bei Fensterglas. Normalerweise besitzen Metalle dagegen eine hochgeordnete innere Struktur.
Zur Herstellung metallischer Gläser wird eine geschmolzene Legierung durch eine Düse auf einen schnell rotierenden Kupferzylinder gespritzt. Wegen der guten Wärmeleitung des Kupfers kühlt das Material so schnell ab, dass ihm keine Zeit bleibt, eine innere Ordnung auszubilden – es bleibt amorph. In einem zweiten Schritt wird dieses amorphe Vorläufermaterial bis knapp unter seinen Kristallisationspunkt erhitzt. Die Hitze lässt magnetische Nanokristalle in dem Glas wachsen.
Unter den richtigen Bedingungen wachsen diese Nanokristalle alle zu ungefähr derselben Größe von zehn bis zwanzig Nanometern Durchmesser heran und sind gleichmäßig im verteilt. Die Nanokristalle interagieren magnetisch miteinander über Entfernungen, die deutlich größer sind als ihr eigener Durchmesser. Sie bestimmen maßgeblich die magnetischen Eigenschaften des Materials und machen es sehr leicht magnetisierbar. In Abhängigkeit von der Größe und der Zahl der Kristalle lassen sich die magnetischen Eigenschaften des Materials sehr fein abstimmen.
Das Team um Bednarcik untersuchte eine Legierung aus Eisen, Kupfer, Niob, Molybdän, Silizium und Bor (Fe72.5Cu1Nb2Mo2Si15.5B7), die bereits kommerziell erhältlich ist. Die Forscher erhitzten Streifen des amorphen Vorläufermaterials auf 500 und 520 Grad Celsius für mindestens hundert Minuten. Alle zwölf Sekunden schossen sie dabei mit dem hellen Röntgenstrahl von PETRA eine Aufnahme der inneren Struktur. „Wir konnten bereits zwei bis drei Nanometer kleine Kristalle live beim Wachsen beobachten“, berichtet Bednarcik.
Mit dieser Art der Untersuchung lässt sich das interne Kristallwachstum in Echtzeit an Ort und Stelle während der Heizphase beobachten. Das Wissen aus solchen Messungen verbessert nicht nur das Verständnis des Wachstumsprozesses, sondern kann Herstellern verschiedener nanokristalliner Substanzen auch zur Optimierung ihrer Produktionsprozesse dienen.
Abgesehen vom Kristallwachstum konnte die Röntgenuntersuchung dabei auch eine Veränderung der magnetischen Eigenschaften in der untersuchten Probe während der Aufheizphase anzeigen. Es war bereits bekannt, dass das untersuchte Material beim Aufheizen irgendwann vom ferromagnetischen in den paramagnetischen Zustand übergeht, bevor es durch die wachsenden Eisen-Silizium-Nanokristalle (Fe3Si) schließlich wieder ferromagnetisch wird.
Der Röntgenblick von PETRA zeigte diesen Übergang in Form einer beschleunigten thermischen Ausdehnung des amorphen Materials. Im ferromagnetischen Zustand wirkt die magnetische Kraft zwischen den Eisenatomen der Ausdehnung entgegen. An der Curie-Temperatur gewinnt dann die thermische Energie die Oberhand. Das Material wird paramagnetisch, und die magnetischen Wechselwirkungen können die Zunahme der Atomabstände in dem Material nicht länger bremsen. Ab diesem Punkt dehnt sich die Probe schneller aus, was sich im Röntgenbeugungsbild beobachten lässt. „Auf diese Weise lässt sich mit einer nichtmagnetischen Methode ein magnetischer Übergang in Echtzeit nachweisen“, erläutert Bednarcik.
DESY / AH