03.02.2022

Kühlung aus der Distanz

Zwei Quantensysteme regeln ihre Temperatur über kohärente Rückkopplung.

Forschende der Universität Basel können zwei Quanten­systeme über eine Distanz von einem Meter zu einem Regelkreis verbinden. In diesem Regelkreis wird das eine Quantensystem – eine vibrierende Membran – durch das andere Quantensystem – eine Wolke von Atomen – gekühlt. Die beiden Systeme sind über Laserlicht miteinander gekoppelt. Derartige Schnitt­stellen, an denen Quanten­systeme unter­schiedlicher Natur auch über vergleichs­weise große Distanzen interagieren, sind für zukünftige Quanten­technologien von großer Bedeutung.

Abb.: Über Licht wird eine vibrierende Membran mit einer Wolke aus Atomen zu...
Abb.: Über Licht wird eine vibrierende Membran mit einer Wolke aus Atomen zu einem Regel­kreis gekoppelt. Die Tem­peratur der beiden Quanten­systeme bestehend aus der Membran und den Spins der Elektronen reguliert sich so gegenseitig. (Bild: Dept. Physik, U. Basel)

Grundlage ist das Prinzip der Rückkopplung: Mithilfe eines Thermo­staten an der Heizung regeln wir die Raumtemperatur. Der Thermostat misst die aktuelle Temperatur, gleicht diese mit einem Sollwert ab und regelt je nach Messwert den Durchfluss der Heizung. Solche Regel­kreise begegnen uns in zahlreichen Bereichen des Alltags und der Technik. Auch in der Quantenwelt sind Regel­kreise nützlich, um ein System in einen gewünschten Zustand zu bringen. Oft ist es beispielsweise erfor­derlich bei sehr tiefen Tempera­turen nahe des absoluten Nullpunkts zu arbeiten, um die sensiblen Effekte der Quantenwelt beobachten und für neue techno­logische Anwendungen nutzen zu können. In der Welt der Quanten funktioniert die klassische Rückkopplung, bei der eine Messung innerhalb eines Regel­kreises notwendig ist, jedoch nur eingeschränkt. 

In Quanten­systemen führt nämlich allein schon die Messung zu einer Veränderung des Systems und somit zu einer unkontrol­lierten Rückwirkung. Um ein Quantensystem zu kühlen, nutzen Forschende um Philipp Treutlein von der Universität Basel daher erstmals das Prinzip der kohärenten Rückkopplung. Dabei interagieren zwei Quanten­systeme miteinander. Da eines der Systeme als Kontrolleinheit des anderen Systems fungiert, ist keine Messung erfor­derlich. Stattdessen wird das Kontrollsystem so eingestellt, dass es das Zielsystem durch quanten­mechanisch kohärente Wechselwirkung in einen gewünschten Zustand bringt.

Ganz konkret haben die Forschenden mit Atomen als quanten­mechanisches Kontroll­system die Temperatur einer makroskopischen, aber sehr dünnen vibrierenden Membran gesteuert. Dazu wird zunächst der Eigen­drehimpuls der Atome in einer wohl­definierten Richtung ausgerichtet, was einem sehr kalten Zustand nahe des absoluten Nullpunkts entspricht. Die Membran hingegen vibriert aufgrund ihrer hohen Temperatur stark. Durch quanten­mechanische Wechselwirkung tauschen Atome und Membran ihre Zustände– die Membran wird kalt, ihre Energie wurde an die Atome übertragen. Diese können mit Laserlicht aber sehr schnell wieder in den Ausgangs­zustand zurückversetzt und für eine erneute Energie­übertragung von der Membran vorbereitet werden.

Mithilfe dieser kohärenten Rück­kopplung ist es gelungen, innerhalb eines Bruchteils einer Millisekunde die Temperatur der oszil­lierenden Membran von Raum­temperatur auf 200 Millikelvin zu kühlen. „Aufgrund der Interaktion der beiden Systeme schieben wir die Membran in den kalten Zustand“, erklärt Doktorand Gian-Luca Schmid. „Faszinierend bei den Unter­suchungen ist, dass wir ein makro­skopisches mit einem atomaren Quanten­system über eine recht große Distanz koppeln und steuern können“, ergänzt Treutlein.

Die vergleichs­weise große Distanz zwischen den beiden Quanten­systemen ist eine wichtige Voraussetzung für mögliche Anwendungen in der Quanten­technologie. Sie führt aber auch dazu, dass es zu winzigen Verzögerungen kommt. Obwohl sich Licht mit Licht­geschwindigkeit bewegt, macht sich die Verzögerung bei der Rückkopplung bemerkbar und das System wird instabiler. Als Folge wird die oszil­lierende Membran etwas weniger gekühlt als dies ohne Verzögerung theoretisch möglich wäre.

Die Forschenden untersuchen Phänomene wie diese an Quanten­schnittstellen zwischen Atomen und Festkörper­systemen, da derartige Hybrid­systeme in der zukünftigen Quanten­technologie eine wichtige Rolle spielen werden. Neuartige Sensoren und Quanten­netzwerke sind mögliche Anwendungen. „Wir sind sicher, dass unsere Studie weitere praktische Unter­suchungen zur kohärenten Rückkopplung von Quanten­systemen auslösen wird“, so Treutlein.

U. Basel / JOL

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