01.10.2013

Künstliche Gravitationslinse als Lichtfalle

Mikrostrukturierte Lichtwellenleiter ahmen die gekrümmte Raumzeit in der Nähe eines Neutronensterns nach.

Massereiche astrophysikalische Objekte wie Galaxienhaufen oder Schwarze Löcher krümmen die sie umgebende Raumzeit so stark, dass sie als Gravitationslinsen wirken und Lichtstrahlen merklich ablenken. Künstliche Gravitationslinsen hat jetzt ein US-chinesisches Forscherteam aus Lichtwellenleitern hergestellt, deren Brechungsindex eine starke Ortsabhängigkeit aufwies. Mit ihnen lassen sich Lichtstrahlen sogar einfangen und auf Kreisbahnen zwingen.

Abb.: Eine echte (a) und eine künstliche (b) Gravitationslinse, die beide das Licht in charakteristischer Weise ablenken. (Bild: C. Sheng et al. / NPG)

Die Forscher um Hui Liu von der Nanjing University haben zusammen mit Dentcho Genov von der Louisiana Tech ein überraschend einfaches Verfahren entwickelt, mit dem man künstliche Gravitationslinsen herstellen kann. Diese Gravitationslinsen im Labormaßstab lenkten das Licht ab und bündelten es in ähnlicher Weise wie ein gravitierendes astrophysikalisches Objekt, das radialsymmetrisch ist und sich im hydrostatischen Gleichgewicht befindet.

Sie stellten die Gravitationslinsen her, indem sie auf eine Siliziumoxidunterlage eine dünne Silberschicht aufdampften, in die sie mit Ionenstrahlen eine regelmäßige Anordnung von Löchern bohrten. Danach wurde auf die Silberschicht eine Schicht aus Polymethylmethacrylat (PMMA) flüssig aufgetragen, die 32 µm große Mikrokugeln sowie Quantenpunkte aus Kadmiumselenid und Zinksulfid enthielt. Schließlich wurde die PMMA-Schicht in einem Ofen getrocknet.

Mit einem blauen Laser von 405 nm Wellenlänge bestrahlten die Forscher den Schichtstapel, woraufhin das Licht durch die Löcher in der Silberschicht in diesen zweidimensionalen optischen Wellenleiter eingekoppelt wurde und sich als Strahl ausbreitete. Die von dem etwa 3 µm breiter Lichtstrahl angeregten Quantenpunkte gaben rotes Fluoreszenzlicht von 605 nm Wellenlänge ab, anhand dessen man die Ausbreitung des blauen Lichts im Wellenleiter verfolgen konnte.

Aufgrund ihrer Oberflächenspannung war die zunächst flüssige PMMA-Schicht in der Nähe der Mikrokugeln dicker als in größerer Entfernung von ihnen. Diese Unterschiede in der Schichtdicke blieben auch nach dem Trocknen erhalten: Weit entfernt von den Kugeln betrug die Schichtdicke etwa 1 µm und nahm stetig zu, je näher man einer Mikrokugel kam. Dies wirkte sich auf den lokalen Brechungsindex des Wellenleiters aus, der mit der Schichtdicke zunahm. Wie die Messungen zeigten, folgte der Brechungsindex mit dem Abstand r von der Kugel einem Potenzgesetz: n(r)2 = n02 ( 1 + ( a / r )4 ) mit a = 28,5 µm und n0 = 1,05.

Die Ortabhängigkeit des Brechungsindex in der Nähe einer Mikrokugel führte dazu, dass der blaue Lichtstrahl abgelenkt wurde, wie man am roten Fluoreszenzlicht sehen konnte. Dabei fiel die Ablenkung umso stärker aus, je näher der Lichtstrahl der Kugel kam. In einer kritischen Entfernung von etwa 39 µm wurde der Lichtstrahl auf eine Kreisbahn gezwungen, die allerdings instabil war, sodass ein Teil des Lichtes nach außen entwiche. Bei einem ultrakompakten Neutronenstern oder einem Schwarzen entspräche dies der Photonensphäre, auf der die Photonen das Objekt unter der Wirkung der Schwerkraft umkreisen.

Abb.: Je näher der Lichtstrahl der künstlichen Gravitationslinse kommt, desto stärker wird er abgelenkt. Schließlich wird er sogar auf eine Kreisbahn gezwungen. (Quelle: C. Sheng et al. / NPG)

Die Übereinstimmung zwischen den künstlichen und den echten Gravitationslinsen war indes nicht nur qualitativer Natur, wie die Berechnungen der Forscher zeigten. Zu einem optischen Brechungsindex n(r) ließ sich eine Metrik ds2 als exakte Lösung der Einsteinschen Feldgleichungen finden, sodass ihr effektiver Brechungsindex mit n(r) übereinstimmte. Das hypothetische Objekt, das das entsprechende Gravitationsfeld hervorrief, erfüllte eine Zustandsgleichung, wie sie auch von einem Neutronenstern, einem Roten Riesen oder einem Weißen Zwergen erfüllt wird. Auch der experimentell gemessene Winkel, um den ein Lichtstrahl von der künstlichen Gravitationslinse abgelenkt wurde, hing vom „Stoßparameter“ (also dem kleinsten Abstand des Strahls vom Kraftzentrum) in derselben Weise ab, wie es die relativistischen Berechnungen ergaben.

Mit Hilfe der künstlichen Gravitationslinse lässt sich die Lichtablenkung sowohl im Fernfeld als auch nahe der Photonensphäre experimentell studieren. Möglicherweise kann man auf diese Weise auch die Shapiro- oder Zeitverzögerung im Gravitationsfeld untersuchen. Ob sich auch die Hawking-Strahlung, wie sei am Ereignishorizont eines Schwarzen Loches auftritt, mit solchen künstlichen Gravitationslinsen erforschen lässt, ist jedoch unklar. Andererseits könnte man die mikrostrukturierten Wellenleiter in integrierten optoelektronischen Elementen, Strahlteilern, Absorbern oder Bauelementen für das Energy Harvesting nutzen.

Rainer Scharf

OD

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