Künstliche Intelligenz erkennt Quantenphasen-Übergänge
Neuronales Netzwerk ordnet experimentelle Bilder möglichen Quantenphasen zu.
Die Einsatzgebiete von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen reichen vom autonomen Fahren über vollständig automatisierte Industrieprozesse bis zum Haushalt. Aber auch in der Wissenschaft werden diese Methoden intensiv eingesetzt und erforscht, etwa in der Teilchenphysik, wo zum Beispiel KI-Netzwerke aus Milliarden von Datensätzen die relevanten Informationen vorsortieren. Jetzt ist es Forschern an der Uni Hamburg erstmals gelungen, KI in der Quantenphysik einzusetzen, um aus experimentellen Daten Quantenphasenübergänge zu erkennen, also die Punkte, an denen sich Eigenschaften von Stoffen verändern. Das ist besonders interessant, da die Vermessung mit gewöhnlichen Auswertungsmethoden weitaus langwieriger ist. Die Forscher betonen daher, dass dieses Ergebnis weitreichende Konsequenzen für den Forschungsalltag haben kann. Künstliche Intelligenz könne im Labor in Echtzeit ganz neue Effekte der Quantenphysik analysieren, die sonst nicht zugänglich sind.
Das Team um Klaus Sengstock und Christof Weitenberg trainierte die KI anhand von Experimenten mit ultrakalten Quantengasen, die nahe an den absoluten Temperaturnullpunkt heruntergekühlt waren. Bei ihren Experimenten fangen die Forscher ultrakalte Atome in einem Gitter aus Laserlicht und simulieren damit die Physik der Elektronen in einem Festkörper.
Wenn man die Parameter der Gitter ändert, ordnen sich die Atome unterschiedlich an und die Gase bekommen verschiedene Eigenschaften. Während ein Gas in einer Phase zum Beispiel Teilchen ohne Reibung leitet, isoliert es in einer anderen Phase. Die Forscher interessieren sich für die Übergänge zwischen diesen Phasen, die sich jeweils durch die gemessene Impulsverteilung unterscheiden. Das Team trainierte das neuronale Netzwerk darauf, im Experiment gewonnene Bilder dieser Impulsverteilung der jeweils richtigen Phase zuzuordnen und damit die Phasenübergänge zu lokalisieren.
„Zuvor hatten andere Wissenschaftler diesen Ansatz für numerisch generierte Bilder demonstriert“, erläutert Weitenberg. „Dass er auch mit experimentellen Daten funktioniert, ist ein vielversprechendes Ergebnis.“ Sein Mitarbeiter Niklas Käming ergänzt: „Die Anwendung von Maschine-Learning-Techniken auf Quantengas-Experimente eröffnet viele spannende Möglichkeiten. Als nächstes wollen wir die Methode auf unüberwachtes maschinelles Lernen erweitern, bei dem die Bilder für das Training des Netzwerks keine vorab festgelegte Zuordnung zu einer der Quantenphasen haben müssen.“
UHH / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
B. S. Rem et al.: Identifying Quantum Phase Transitions using Artificial Neural Networks on Experimental Data, Nat. Physics, online 1. Juli 2019; DOI: 10.1038/s41567-019-0554-0 - Quantum Gases Group (K. Sengstock), Institut für Laserphysik, FB Physik, Universität Hamburg