18.05.2006

Kugellager aus Buckybällen?

Deutliche Unterschiede zwischen Nano- und Makrowelt gibt es auch bei Kugellagern.


Kugellager aus Buckybällen?

Deutliche Unterschiede zwischen Nano- und Makrowelt gibt es auch bei Kugellagern.

Im Bereich der Atome und Moleküle ist so manches anders als in unserer makroskopischen Alltagswelt. Atome altern nicht und sie sind trotz ihrer Kugelgestalt auch keine Billardbälle. Die Gesetze der Quantenmechanik geben ihnen Eigenschaften, die oftmals keine Entsprechung in der klassischen Physik haben. Und doch trägt es nicht unerheblich zur Faszination der Nanotechnologie bei, dass man sich bei der Entwicklung von Nanomaschinen an makroskopischen Vorbildern und ihrer Funktionsweise orientiert. Ein prominentes Beispiel für dieses „Nanomapping“ ist die Überlegung, C 60-Moleküle oder Buckybälle für Nanokugellager zu nutzen. Forscherinnen der North Carolina State University haben dazu jetzt Experimente durchgeführt.

Schon vor drei Jahren hatten japanische Forscher mit ihrer Beobachtung für Aufsehen gesorgt, dass man die Reibungskräfte zwischen Graphitschichten erheblich verringern kann, wenn man Monolagen von C 60-Molekülen zwischen die Schichten bringt. Für die geringe Reibung machten die Forscher ein Ruckgleiten der Schichten verantwortlich, dem ruckweise Drehungen der Buckybälle zugrunde liegen sollten. Doch molekulardynamische Simulationen konnten keine klaren Hinweise darauf finden, dass sich die Buckybälle zwischen den Graphitschichten tatsächlich drehen. Tonya Coffey und Jacquelin Krim haben nun untersucht, wie gut sich ein oder zwei Monolagen aus Buckybällen als Schmiermittel eignen und welche Rolle die Drehungen der Moleküle dabei spielen.

Für ihre Untersuchungen haben die Forscherinnen einen Quarzresonator benutzt, eine so genannte Quartz Crystal Microbalance. Dieses Gerät besteht aus einem Quarz-Einkristall, an dem Elektroden befestigt sind. Durch elektrische Wechselfelder wird der Kristall zu Schwingungen angeregt, wobei die Resonanzfrequenz im Bereich von 5 bis 10 MHz liegt. Auch wenn nur einzelne Atom- oder Moleküllagen auf den Elektroden absorbiert werden, verstimmt sich die Resonanzfrequenz und die Resonanz verbreitert sich. Daraus lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie gut die absorbierten Schichten den Schwingungen des Substrats folgen können. Auf diese Weise konnte die schmierende Wirkung von Zwischenlagen aus Buckybällen direkt gemessen werden.

Die Forscherinnen haben Silber- und Kupferelektroden benutzt, die mit ein- oder zweilagigen Schichten aus Buckybällen überzogen wurden. Darauf wurden dann Schichten aus Krypton oder Methanol aufgetragen. Bei Zimmertemperatur bilden C 60-Moleküle ein kubisch-flächenzentriertes Kristallgitter, in dem sie sich mit einer Frequenz von 1 bis 10 GHz frei in alle Richtungen drehen können. Sind die Buckybälle jedoch auf Silber absorbiert, so sind ihre Drehbewegungen stark eingeschränkt und sie können sich nur im ruckweise von einer bevorzugten Orientierung zur anderen drehen. Auf Kupfer absorbierte C 60-Moleküle drehen sich bei Zimmertemperatur überhaupt nicht. Buckybälle in einer darüber liegenden zweiten Lage können sich hingegen wieder frei bewegen, wie im Kristallgitter.

Zunächst untersuchten die beiden Wissenschaftlerinnen, wie gut Monolagen von Ethanol auf ein oder zwei Monolagen aus Buckybällen gleiten konnten. Sie bestimmten die charakteristische Zeit, in der die Ethanolmoleküle, von der schwingenden Elektrode periodisch beschleunigt, durch Reibungskräfte wieder abgebremst wurden. Das Ergebnis war verblüffend: Auf der Doppellage von Buckybällen, in der die oben liegenden Moleküle frei drehbar waren, wurden die Ethanolmoleküle mehr als doppelt so schnell abgebremst als auf der Monolage, deren Moleküle sich kaum oder gar nicht drehen konnten. Für Kupfer- und Silberelektroden ergaben sich ähnliche Ergebnisse.

Dann wiederholten die Forscherinnen ihre Experimente mit Krypton statt mit Ethanol, wobei sie die Temperatur auf 77,5 K reduzierten. Bei Temperaturen unterhalb von 260 K ändern die C 60-Kristalle ihre Struktur, sodass die Rotation der Moleküle stark behindert ist. Deshalb waren auch bei den Kryptonexperimenten die Buckybälle – sowohl in den Mono- als auch in den Doppellagen – nicht frei drehbar. Und tatsächlich waren die charakteristischen Abbremszeiten für Mono- und Doppellagen nahezu gleich. Ein Vergleich mit dem Ethanolexperiment zeigte, dass auch hier eine Schicht aus nicht frei drehbaren Buckybällen besser schmierte als eine Schicht aus frei drehbaren Molekülen.

Um diese Resultate erklären zu können, muss man das Geschehen auf atomarer Ebene berücksichtigen. Wenn Ethanolmoleküle über frei drehbare Buckybälle gleiten, kommen sie mit etwa zehnmal mehr Kohlenstoffatomen in den C 60-Molekülen in Kontakt, als wenn sie über festgeklemmte Buckybälle rutschen. Die Forscherinnen vermuten, dass bei diesem Kontakt mit den Kohlenstoffatomen Phononen angeregt werden, die den Ethanolmolekülen Bewegungsenergie entziehen. Die Reibung wäre deshalb umso größer, je leichter sich die Buckybälle drehen können. Molekulardynamische Simulationen sollen hier Klarheit schaffen. Ein Nanokugellager funktioniert also doch ein wenig anders als man gedacht hatte.

Rainer Scharf

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