Kunstdiamanten für Quantenspeicher
Quantenzustände aus Stickstoffatomen und Mikrowellen zeigen lange Lebensdauer.
Die Speicher, die wir heute für unsere Computer verwenden, unterscheiden nur zwischen 0 und 1. Die Quantenphysik erlaubt aber auch beliebige Überlagerungen von Zuständen. Auf diesem Superpositionsprinzip beruhen Ideen für neue Quanten-Technologien. Ein zentrales Problem daran ist allerdings, dass solche quantenphysikalischen Überlagerungen sehr kurzlebig sind. Nur für eine winzige Zeitspanne kann man die Information aus einem Quantenspeicher zuverlässig auslesen, danach ist sie unwiederbringlich verloren.
Abb.: Ein künstlicher Diamant unter dem optischen Mikroskop. Da der Diamant viele Stickstoff-Fehlstellen enthält, fluoresziert er in roter Farbe. (Bild: TU Wien)
An der TU Wien ist nun in der Entwicklung neuer Quantenspeicher-Konzepte ein wichtiger Schritt nach vorne gelungen. In Zusammenarbeit mit dem japanischen Telekommunikationskonzern NTT arbeiten die Wiener Forscher unter der Leitung von Johannes Majer an Quantenspeichern aus Stickstoffatomen und Mikrowellen. Durch ihre unterschiedliche Umgebung weisen die Stickstoffatome alle leicht unterschiedliche Eigenschaften auf, wodurch der Quantenzustand relativ schnell zerläuft. Durch gezielte Manipulation eines kleinen Teils der Atome kann man diese jedoch in einen neuen Quantenzustand bringen, der eine mehr als zehnfache Lebensdauer hat.
„Wir verwenden synthetische Diamanten, in denen einzelne Stickstoffatome eingebaut sind“, erklärt Projektleiter Johannes Majer vom Atominstitut der TU Wien. „Den Quantenzustand dieser Stickstoffatome koppeln wir mit Mikrowellen, das ergibt ein Quantensystem, in dem wir Information speichern und später wieder auslesen können.“ Die Speicherdauer in diesen Systemen ist allerdings durch die inhomogene Verbreiterung der Mikrowellenübergänge in den Stickstoffatomen im Diamantkristall beschränkt. Nach etwa einer halben Mikrosekunde kann der Quantenzustand nicht mehr zuverlässig ausgelesen werden, das eigentliche Signal geht verloren. Das Team um Johannes Majer hatte nun die Idee des spektralen Lochbrennens. Dieser Ansatz ermöglicht im optischen Bereich, Daten in inhomogen verbreiterten Medien zu speichern, für supraleitende Quantenschaltkreise und Spin-Quantenspeicher zu adaptieren.
Dmitry Krimer, Benedikt Hartl und Stefan Rotter konnten in einer Theoriearbeit zeigen, dass solche Zustände, die vom störenden Rauschen weitgehend entkoppelt sind auch für diese Systeme existieren. „Der Trick ist das Quantensystem durch gezielte Manipulation in diese langlebigen Zustände zu bringen, damit die Information auch dort abgespeichert werden kann“, erklärt Dmitry Krimer. „Durch die lokalen Eigenschaften des nicht ganz perfekten Diamantkristalls haben die Übergänge in den Stickstoffatomen leicht unterschiedliche Energien“, sagt Stefan Putz, der mittlerweile von der TU Wien an die Princeton University gewechselt ist.
Wenn man mit Hilfe von Mikrowellen gezielt Stickstoffatome bei einer bestimmten Energien ausbleicht entsteht ein „Spektrales Loch“. Die übrigen Stickstoffatome können dann in einen neuen Quantenzustand, einen Dunkelzustand, im Zentrum dieses „Spektralen Lochs“ gebracht werden. Dieser ist viel stabiler und eröffnet völlig neue Möglichkeiten. „Unsere Arbeit ist ein Machbarkeitsbeweis für ein neues Konzept mit dem wir das Fundament für die weitere Erkundung innovativer Operationsprotokolle von Quantenspeichern legen wollen“, sagt Stefan Putz.
Mit der neuen Methode konnte die Lebensdauer von Quantenzuständen des gekoppelten Systems aus Mikrowellen und Stickstoffatomen um mehr als das zehnfache auf etwa fünf Mikrosekunden gesteigert werden. Das ist in den Zeitmaßstäben unseres Alltags noch immer nicht viel, reicht allerdings für wichtige quantentechnologische Anwendungen bereits aus. „Der Vorteil unseres Systems ist, dass man Quanteninformation innerhalb von Nanosekunden einschreiben und auslesen kann“, sagt Johannes Majer. „In den Mikrosekunden, die es stabil gehalten werden kann, ist daher eine große Zahl von Arbeitsschritten möglich.“
TU Wien / JOL