23.11.2016

Kunstdiamanten für Quantenspeicher

Quantenzustände aus Stickstoffatomen und Mikrowellen zeigen lange Lebensdauer.

Die Speicher, die wir heute für unsere Computer verwenden, unterscheiden nur zwischen 0 und 1. Die Quanten­physik erlaubt aber auch beliebige Über­lagerungen von Zuständen. Auf diesem Super­positions­prinzip beruhen Ideen für neue Quanten-Techno­logien. Ein zentrales Problem daran ist allerdings, dass solche quanten­physikalischen Überlagerungen sehr kurzlebig sind. Nur für eine winzige Zeitspanne kann man die Information aus einem Quanten­speicher zuverlässig auslesen, danach ist sie unwieder­bringlich verloren.

Abb.: Ein künstlicher Diamant unter dem optischen Mikroskop. Da der Diamant viele Stickstoff-Fehlstellen enthält, fluoresziert er in roter Farbe. (Bild: TU Wien)

An der TU Wien ist nun in der Entwicklung neuer Quanten­speicher-Konzepte ein wichtiger Schritt nach vorne gelungen. In Zusammen­arbeit mit dem japanischen Tele­kommunikations­konzern NTT arbeiten die Wiener Forscher unter der Leitung von Johannes Majer an Quanten­speichern aus Stickstoff­atomen und Mikrowellen. Durch ihre unter­schiedliche Umgebung weisen die Stickstoff­atome alle leicht unter­schiedliche Eigen­schaften auf, wodurch der Quanten­zustand relativ schnell zerläuft. Durch gezielte Mani­pulation eines kleinen Teils der Atome kann man diese jedoch in einen neuen Quanten­zustand bringen, der eine mehr als zehnfache Lebens­dauer hat.

„Wir verwenden syn­thetische Diamanten, in denen einzelne Stickstoff­atome eingebaut sind“, erklärt Projektleiter Johannes Majer vom Atom­institut der TU Wien. „Den Quanten­zustand dieser Stickstoff­atome koppeln wir mit Mikro­wellen, das ergibt ein Quanten­system, in dem wir Information speichern und später wieder auslesen können.“ Die Speicherdauer in diesen Systemen ist allerdings durch die inhomogene Verbreiterung der Mikrowellen­übergänge in den Stickstoff­atomen im Diamant­kristall beschränkt. Nach etwa einer halben Mikro­sekunde kann der Quanten­zustand nicht mehr zuver­lässig ausge­lesen werden, das eigentliche Signal geht verloren. Das Team um Johannes Majer hatte nun die Idee des spektralen Loch­brennens. Dieser Ansatz ermöglicht im optischen Bereich, Daten in inhomogen verbreiterten Medien zu speichern, für supraleitende Quanten­schaltkreise und Spin-Quantenspeicher zu adaptieren.

Dmitry Krimer, Benedikt Hartl und Stefan Rotter konnten in einer Theorie­arbeit zeigen, dass solche Zustände, die vom störenden Rauschen weitgehend entkoppelt sind auch für diese Systeme existieren. „Der Trick ist das Quanten­system durch gezielte Manipulation in diese langlebigen Zustände zu bringen, damit die Infor­mation auch dort abge­speichert werden kann“, erklärt Dmitry Krimer. „Durch die lokalen Eigenschaften des nicht ganz perfekten Diamant­kristalls haben die Übergänge in den Stickstoff­atomen leicht unter­schiedliche Energien“, sagt Stefan Putz, der mittler­weile von der TU Wien an die Princeton University gewechselt ist.

Wenn man mit Hilfe von Mikro­wellen gezielt Stickstoff­atome bei einer bestimmten Energien ausbleicht entsteht ein „Spektrales Loch“. Die übrigen Stickstoff­atome können dann in einen neuen Quanten­zustand, einen Dunkel­zustand, im Zentrum dieses „Spektralen Lochs“ gebracht werden. Dieser ist viel stabiler und eröffnet völlig neue Möglich­keiten. „Unsere Arbeit ist ein Mach­barkeits­­beweis für ein neues Konzept mit dem wir das Fundament für die weitere Erkundung inno­vativer Operations­protokolle von Quanten­speichern legen wollen“, sagt Stefan Putz.

Mit der neuen Methode konnte die Lebens­dauer von Quanten­zuständen des gekoppelten Systems aus Mikro­wellen und Stickstoff­atomen um mehr als das zehnfache auf etwa fünf Mikro­sekunden gesteigert werden. Das ist in den Zeit­maßstäben unseres Alltags noch immer nicht viel, reicht allerdings für wichtige quanten­technologische Anwen­dungen bereits aus. „Der Vorteil unseres Systems ist, dass man Quanten­information innerhalb von Nano­sekunden einschreiben und auslesen kann“, sagt Johannes Majer. „In den Mikro­sekunden, die es stabil gehalten werden kann, ist daher eine große Zahl von Arbeits­schritten möglich.“

TU Wien / JOL

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