24.11.2005

Kurzer Blick in den Quantenpunkt

Mithilfe von Elektronenpulsen lassen sich Ladungsbewegungen in Nanostrukturen sichtbar machen.




Mithilfe von Elektronenpulsen lassen sich Ladungsbewegungen in Nanostrukturen sichtbar machen.

Ob als ultimativer Datenspeicher, als neuartige Lichtquelle oder als Quantenprozessor – die nanometergroßen Halbleiterstrukturen, die man inzwischen in vielen Forschungslabors herstellt, könnten eine Revolution in der Elektronik und der Optoelektronik einleiten. Doch bis zum konkurrenzfähigen nichtflüchtigen Quantenpunktspeicher, bis zur Einzelphotonenquelle oder gar bis zum Quantencomputer ist es noch ein weiter Weg. Nachdem man inzwischen Nanostrukturen präzise und in großer Zahl herstellen und mit atemberaubender Genauigkeit abbilden kann, versucht man jetzt, die elektronischen Vorgänge in ihrem Innern besser zu verstehen. Dabei ist Michele Merano und seinen Kollegen von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne ein wichtiger Fortschritt gelungen.

Die Schweizer Physiker haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sie die Bewegungen der Ladungsträger in winzigen pyramidenförmigen Halbleiterheterostrukturen mit einer räumlichen Auflösung von 50 nm bei einer zeitlichen Auflösung von 10 ps (!) verfolgen können. Die so genannte Picosekunden-Kathodolumineszenz verbindet die Vorteile der Ultrakurzzeit-Spektroskopie und denen eines Elektronenmikroskops. Dazu hat Michele Merano im Rahmen seiner Doktorarbeit ein Elektronenmikroskop so modifiziert, dass es mit Elektronenpulsen von 10 ps Länge eine mikrometergroße Halbleiterpyramide zur Lumineszenz anregen konnte. Das Lumineszenzlicht und die gleichzeitig entstehenden Sekundärelektronen wurden anschließend aufgefangen und ausgewertet.

In der Elektronenkanone des modifizierten Elektronenmikroskops wurde die Wolframkathode durch eine Photokathode aus Gold ersetzt. Die kurzen Elektronenpulse entstanden dadurch, dass die Goldkathode mit Laserpulsen von 100 fs Dauer und einer Wellenlänge von 266 nm beschossen wurde. Obwohl die Elektronenpulse jeweils weniger als zehn Elektronen enthielten, reichte dies für die anschließende Untersuchung aus. Dazu wurden die Elektronenpulse mithilfe der Optik des Elektronenmikroskops auf das Untersuchungsobjekt fokussiert. Dort schlugen sie einerseits Sekundärelektronen heraus, die aufgefangen und zu einem elektronenmikroskopischen Bild ausgewertet wurden. Doch außerdem erzeugte jedes auftreffende Primärelektron etwa tausend Elektron-Loch-Paare, die nach einigen hundert Picosekunden rekombinierten. Das dabei entstehende Lumineszenzlicht wurde ebenfalls aufgefangen und ausgewertet.

Zunächst testeten die Forscher ihr Verfahren, indem sie die Elektronenpulse auf etwa 50 nm große Goldpartikel richteten. Es zeigte sich, dass man auf dem Sekundärelektronenbild die einzelnen Goldteilchen sehr gut erkennen konnte. Die Auflösung des modifizierten Elektronenmikroskops war somit besser als 50 nm. Anhand der Kathodolumineszenz einer Galliumnitridprobe erwies es sich, dass die Elektronenpulse tatsächlich Vorgänge von etwa 10 ps Dauer sichtbar machen konnten. Dann begann das eigentliche Experiment: In den Strahlengang des Mikroskops wurde ein strukturiertes GaAs-Substrat gebracht, auf dem man durch chemische Gasphasenabscheidung eine große Zahl von Halbleitertetraedern aus InGaAs/AlGaAs hat wachsen lassen. Diese Probe wurde auf 90 K gekühlt.

Jeder Tetraeder enthielt unterschiedliche Halbleiterheterostrukturen: An seiner Spitze saß ein 30 nm großer InGaAs-Quantenpunkt; seine drei sichtbaren Kanten und die senkrechte Achse in seinem Innern waren InGaAs-Quantendrähte; die drei sichtbaren Flächen des Tetraeders sowie drei senkrechte Innenflächen waren InGaAs-Quantengräben. Der Rest des Tetraeders bestand aus AlGaAs, das für die Ladungsträger eine Barriere bildete. Die Forscher konnten nun die Elektronenpulse gezielt auf jeweils eine dieser Heterostrukturen in einem Halbleitertetraeder richten und das dabei entstehende Lumineszenzlicht des Tetraeders zeitaufgelöst auffangen. Dabei zeigte es sich, dass die Lumineszenz nicht auf die bestrahlte Heterostruktur beschränkt war. Die Elektronen-Loch-Paare waren von ihrem Entstehungsort weg diffundiert, bevor sie wieder rekombinierten und Licht abstrahlten. Je nachdem, über welche Heterostruktur die Rekombination zustande kam, hatte das Lumineszenzlicht unterschiedliche Energie. Da am Quantenpunkt die Elektronen-Loch-Paare die niedrigste Energie hatten, war hier auch die Energie der Lumineszenzstrahlung am geringsten. Es folgten, mit zunehmender Energie die Quantendrähte und Quantengräben.

Die Analyse des zeitlichen Verlaufs der Lumineszenzsignale ergab detaillierte Informationen über die Dynamik der Ladungsträger in den Halbleitertetraedern. Es zeigte sich, dass die Elektronen und Löcher von ihrem Entstehungsort zur jeweils nächstgelegenen Quantenstruktur – Quantengraben, -draht oder -punkt – wanderten, wobei die Diffusionskonstante etwa 10 cm 2/s betrug. Ladungsträger, die in einen Quantengraben gefallen waren, diffundierten in ihm zur nächsten, energetisch günstigeren Quantenstruktur, also zu einem Quantendraht oder zum Quantenpunkt. Wegen der hohen Beweglichkeit der Ladungsträger kam es im Quantenpunkt und in dem senkrecht stehenden Quantendraht schnell zur Sättigung. Diese Quantenstrukturen konnten nur zwei bzw. zehn Elektron-Loch-Paare aufnehmen. Sobald dort ein Elektron-Loch-Paar rekombiniert hatte, konnte ein weiteres Paar auf den Quantenpunkt oder -draht gelangen. Das hatte zur Folge, dass die von dort ausgehende Lumineszenz nach kurzem Anstieg innerhalb von 300 ps eine über mehrere Nanosekunden konstante Intensität aufwies.

Die Experimente von Michele Merano und seinen Kollegen demonstrieren eindrucksvoll, dass die Picosekunden-Kathodolumineszenz ungeahnte Einblicke in das Innere von Nanostrukturen eröffnet. Sie könnte sich zu einem Standardverfahren entwickeln, mit dessen Hilfe man die Dynamik der elektronischen Eigenschaften von Halbleiterheterostrukturen noch effektiver untersuchen und optimieren kann.

Rainer Scharf

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