10.11.2005

Kurzzeitwarnung für Erdbeben

Amerikanische Wissenschaftler schlagen eine Kurzzeitwarnung über die Stärke eines bereits begonnenen Bebens vor.


Kurzzeitwarnung für Erdbeben

Amerikanische Wissenschaftler schlagen eine Kurzzeitwarnung über die Stärke eines bereits begonnenen Bebens vor.

Berkeley (USA) - Geophysiker greifen nach jedem Strohhalm. Denn jede Idee für eine verlässliche Erdbeben-Vorhersage ist bisher im Sande verlaufen. Nun schlagen amerikanische Wissenschaftler zumindest eine Kurzzeitwarnung über die Stärke eines bereits begonnenen Bebens vor. Besonders starke Beben mit Magnituden über fünf dauern mehrere Sekunden. Werde eine solche gefährliche Erschütterung bereits in der ersten Sekunde erkannt, blieben wenigsten einige Sekunden Vorwarnzeit. Das ist wenig, aber dennoch genug, um Gasleitungen zu sperren oder fahrende Züge abzubremsen. Ihren Ansatz veröffentlichen sie im Fachblatt "Nature".

"Wir glauben, dass die Magnitude eines Erdbebens abgeschätzt werden kann bevor das Beben komplett beendet ist", schreiben Erik L. Olson von der University of Wisconsin Madison und seine Kollege Richard M. Allen von der University of California in Berkeley. Für diese Unterscheidung von harmlosen Erschütterung und desaströsen Starkbeben analysierten sie die schnellen P-Wellen, die sich als erste vom 10 bis 50 Kilometer tiefen Bebenherd ausbreiten. Erst danach folgen die S-Wellen, die entlang der Erdoberfläche verlaufen und die Zerstörungen verursachen. Olson und Allen betrachteten nun die Frequenzstruktur dieser ersten Bebenanzeichen bei ausgewählten 71 Beben, die im pazifischen Raum in Japan, Taiwan, Kalifornien und Alaska registriert wurden. 24 Beben allein hätten eine Magnitude von mehr als sechs gehabt. Die Daten stammen von Geophonen, die sich in einem Abstand von maximal 100 Kilometern vom jeweiligen Epizentrum befanden.

Erdbeben gibt es häufiger als man denkt: Diese Weltkarte zeigt "nur" die gemessenen Erdbeben der letzten 8 bis 30 Tage. (Quelle: USGS)

"Grundsätzlich zeigt ein hochfrequentes Quietschen ein kleines Beben an", so Allen. "Ein tiefes Grummeln dagegen deute auf etwas Größeres hin." So sollen die Frequenzen und die Wellenform der P-Wellen im so genannten Seismogramm für eine Vorhersage rasch analysiert und als Grundlage für eine Vorwarnung wenige Sekunden vor dem gesamten Hauptbeben liefern. Doch diese Idee steht im krassen Widerspruch zu der verbreiteten Überzeugung, dass die Stärke eines Bebens erst ganz am Ende der Erschütterung bestimmt werden könne. Die lokal vorherrschenden, geologischen Strukturen als auch die Mechanismen der einzelnen Beben seien schlicht zu unterschiedlich und komplex.

Auch Olson und Allen müssen einräumen, dass ihre Analyse nicht in allen Fällen zu der tatsächlichen Magnitude führte. Die Auswertung der P-Wellen-Seismogramme von mehreren Messstationen müssten dazu weiter verfeinert werden. Nach Aussage von Rachel Abercrombie von der Boston University seien insgesamt diese Anfangszeichen eines Bebens empirisch noch nicht ausreichend untersucht. "Doch diese Studie vertieft dieses Verständnis und damit die Möglichkeit, die Bebenstärke zu bestimmen bevor es beendet ist", sagt die Geophysikerin. So sei durchaus zu überlegen, ob weitere Anstrengungen in diese Richtung für eine Kurzzeit-Vorhersage zu unternehmen seien.

Schon heute werden in Japan, Taiwan oder Kalifornien die schnellen P-Wellen für eine Erdbebenwarnung von wenigen Sekunden genutzt. Doch da harmlosen Beben von Starkbeben bisher nicht zu unterscheiden sind, kommt es auch zu überflüssigen Fehlalarmen. Genau diese Schwäche wollen Olson und Allen mit ihrem Ansatz ausbügeln.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • Brune, J. N. Implications of earthquake triggering and rupture propagation for earthquake prediction based on premonitory phenomena. J. Geophys. Res. 84, 2195 (1979). 
  • Fukao, Y. & Furumoto, M. Hierarchy in earthquake size distribution. Phys. Earth Planet. Inter. 37, 149 (1985). 
  • Beroza, G. C. & Ellsworth, W. L. Properties of the seismic nucleation phase. Tectonophysics 261, 209 (1996). 
  • Dodge, D. A., Beroza, G. C. & Ellsworth, W. L. Detailed observations of California foreshock sequences: Implications for the earthquake initiation process. J. Geophys. Res. 101, 22371 (1996). 
  • Lockman, A. & Allen, R. M. Single station earthquake characterization for early warning. Bull. Seismol. Soc. Am. (im Druck).

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