05.06.2009

Lévy-Flug der Photonen

In heißen atomaren Gasen kann sich Licht superdiffusiv ausbreiten

Lévy-Flug der Photonen

In heißen atomaren Gasen kann sich Licht superdiffusiv ausbreiten

Trifft ein Lichtstrahl auf ein trübes lichtdurchlässiges Material wie Milchglas, so wird er vielfach gestreut. Die Photonen werden von den Inhomogenitäten im Material abgelenkt und durchlaufen einen komplizierten und zufälligen Weg. Dabei kommen sie normalerweise nur diffusiv voran: Das gemittelte Quadrat der Entfernung vom Startpunkt nimmt linear mit der Zahl N der erlittenen Kollisionen zu: = D N. Im vergangenen Jahr hatten Forscher in Florenz eine jedoch Suspension hergestellt, in der das Licht schneller als diffusiv vorankam und einen sogenannten Lévy-Flug absolvierte. Jetzt konnten französische Wissenschaftler zeigen, dass sich Licht auch in heißen atomaren Gasen superdiffusiv ausbreiten kann.



Abb.: Fluoreszenzleuchten, das vom Laserstrahl (a) bzw. vom dopplerverbreiterten Lichtstrahl (b) angeregt wurde. (Bild: Robin Kaiser, Université de Nice)


Ob die Photonen diffusiv oder superdiffusiv vorankommen, hängt davon ab, wie ihre freie Weglänge L zwischen zwei Streuprozessen um den Mittelwert schwankt. Hat die Schwankung eine endliche Varianz, so beobachtet man Diffusion. Ist die Varianz hingegen unendlich, so kommt es zu einem Lévy-Flug mit superdiffusivem Verhalten. In diesem Fall legen die Photonen bisweilen sehr große Strecken ungehindert zurück. Die Forscher in Florenz hatten das dadurch erreicht, dass die Streuzentren in der Suspension sehr ungleich verteilt waren. Neben „Ballungszonen“ mit diffusiver Lichtausbreitung gab es auch große Lücken, die die Photonen geradlinig durchqueren konnten, wodurch sie besser vorankamen als bei reiner Diffusion. Doch es gibt noch einen völlig anderen Mechanismus, der zu superdiffusiver Lichtausbreitung führen kann, wie Robin Kaiser von der Universität Nizza und seine Kollegen jetzt gezeigt haben.

Die französischen Forscher haben untersucht, wie ein monochromatischer Laserstrahl und ein inkohärenter Lichtstrahl mit gaußscher Frequenzverteilung sich in heißem Dampf aus Rubidiumatomen ausbreiten. Dazu haben sie experimentell für jeden der beiden Lichtstrahlen die Wahrscheinlichkeitsverteilung P(L) der freien Weglänge L bestimmt. Den Laserstrahl ließen sie direkt in einen durchsichtigen, mit Rubidiumdampf gefüllten Zylinder laufen, wo er die Rubidiumatome zur Fluoreszenz anregte. Eine CCD-Kamera nahm die räumliche Intensitätsverteilung des seitlich aus dem Zylinder tretenden Fluoreszenzleuchtens auf. Daraus ergab sich, nach Berücksichtigung der Mehrfachstreuung des Laserlichtes, für P(L) ein exponentieller Abfall, wie man ihn nach dem Lambert-Beer-Gesetz auch erwartet. Da P(L) eine endliche Varianz hatte, breiteten sich die Laserphotonen diffusiv im Rubidiumdampf aus.

Im zweiten Teil des Experiments wurde mit dem Laserstrahl heißer Rubidiumdampf in einem Hohlraum zum Leuchten gebracht. Aus diesem Fluoreszenzlicht blendeten die Forscher einen Strahl aus, den sie wiederum in den dampfgefüllten Zylinder laufen ließen. Die Wärmebewegung der Rubidiumatome im Hohlraum hatte die scharfe Laserfrequenz dopplerverbreitert und dem ausgeblendeten Strahl eine gaußsche Frequenzverteilung gegeben. Es traten somit Photonen unterschiedlicher Frequenzen in den Zylinder ein, die auch unterschiedlich stark an den Rubidiumatomen gestreut wurden (indem sie absorbiert wurden und die Atome zum Leuchten anregten).

Die erwartete Verteilung P(L) ergab sich nach Mittelung über die verschiedenen Photonenfrequenzen. Nahm man an, dass auch das Absorptionsspektrum des Rubidiumdampfs eine gaußsche Verteilung hatte, so fiel P(L) nicht mehr exponentiell mit L ab sondern nur wie 1/La mit dem Exponenten a=2. Dies wurde durch die Messung des Streulichts mit der CCD-Kamera bestätigt, wobei sich a = 2,41±0,12 ergab. Der Exponent erwies sich als unabhängig von der Atomdichte im Zylinder, die die Forscher zwischen 9×1015 m-3 und 2×1017 m-3 variierten, wobei die mittlere freie Weglänge von 50 mm auf 5 mm abnahm. Da für den dopplerverbreiterten Lichtstrahl der Exponent a kleiner als 3 war, hatte die Weglängenverteilung P(L) keine endliche Varianz mehr. Somit breiteten sich die Photonen des Lichtstrahls in ihrer Gesamtheit superdiffusiv (und zwar wie = D N1,6) aus.

RAINER SCHARF


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