Labor der Extreme
Grünes Licht für „Helmholtz International Beamline for Extreme Fields“ am European XFEL.
Der Senat der Helmholtz-Gemeinschaft gibt grünes Licht für die Beteiligung an einer neuartigen Experimentierstation am Röntgenlaser European XFEL in Hamburg: die „Helmholtz International Beamline“ wird mit knapp dreißig Millionen Euro gefördert. Der größte Anteil fließt in das Extremlabor HIBEF – „Helmholtz International Beamline for Extreme Fields“. Dieses stattet die Station für Experimente bei hohen Energiedichten („High-Energy Density Science Instrument“, HED) mit wesentlicher Instrumentierung aus. Antragsteller für das internationale HIB-Nutzerkonsortium sind das Helmholtz-Zentrum-Dresden-Rossendorf und das Forschungszentrum DESY in Hamburg.
Ab 2018 sollen mit HIBEF Untersuchungen unter extremen Bedingungen wie hohen Drücken, Temperaturen oder elektromagnetischen Feldern möglich sein. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich beispielsweise zur Verbesserung von Modellen der Planetenentstehung nutzen und bieten eine Grundlage für Innovationen in der Material- und Beschleunigerforschung. „Das internationale Interesse an dem gemeinsamen Extremlabor ist riesig“, freut sich Prof. Roland Sauerbrey, Wissenschaftlicher Vorstand des HZDR. „Rund hundert Einrichtungen haben bereits Interesse bekundet.“ Das HZDR trägt eine Anlage zur Untersuchung von Materialien in höchsten Magnetfeldern und einen Hochleistungslaser für ultrakurze Lichtpulse bei, der Elektronen an der Oberfläche eines Materials auf einige Milliarden Grad erhitzen kann. So ein Plasma aus Elektronen und Ionen.
Abb.: Beschleuniger-Module des Röntgenlasers European XFEL (Bild: DESY)
Der Hochleistungslaser DiPOLE, den die britische Oxford University und die britische Wissenschaftsorganisation STFC beisteuern, kann Materie in einen Zustand extremen Drucks und einer Temperatur von einigen 10.000 Grad Celsius versetzen. Die Zustände, die dabei in der Probe entstehen, sind vergleichbar mit denen im Inneren von Planeten. Außerdem sollen spezielle, von DESY stammende Diamant-Stempelzellen extrem hohe Drücke von bis zu zehn Millionen Bar und Temperaturen von mehr als 1.500 bis fast 10.000 Grad erzeugen. „Hier betreten wir wissenschaftliches Neuland, denn wir machen Experimente möglich, die bisher nicht realisierbar waren“, betont Prof. Helmut Dosch vom DESY, dem Konsortiumspartner und Hauptgesellschafter des European XFEL.
Extreme Bedingungen lassen sich allerdings immer nur für winzige Sekundenbruchteile erzeugen. Deswegen sind die äußerst kurzen und hochintensiven Röntgenlaserblitze des European XFEL bestens zu ihrer Analyse geeignet. „Die neue Station wird es uns ermöglichen, extreme Bedingungen aus dem All auf die Erde zu holen, um sie mit der Röntgenlaserstrahlung untersuchen zu können“, so Prof. Massimo Altarelli, Vorsitzender der Geschäftsführung von European XFEL. „Wir freuen uns sehr, dass die künftigen Nutzer so engagiert zur Entstehung einer führenden europäischen Forschungseinrichtung beitragen.“
Neuartige Experimente zum Magnetismus sind mit gepulsten Magnetfeldern von 60 Tesla möglich – zwanzigmal mehr als in einem Magnetresonanz-Tomographen in der Medizin. Die Röntgenlaserblitze des European XFEL sollen während des Magnetpulses die elektronische Struktur der Probenmaterialien atomgenau und in Abhängigkeit von der Stärke des Magnetfelds untersuchen. Das daraus resultierende Grundlagenverständnis ermöglicht innovative Anwendungen, etwa in der Elektronik. Ein weiterer Schwerpunkt der Experimente liegt auf der Plasmaphysik. Plasmen sind besondere Zustände der Natur, die in Sternen ebenso vorkommen wie bei der Beschleunigung von Teilchen mithilfe intensiver Laserstrahlung. Zum Zusammenspiel von Licht und Materie, das auf Plasmaprozessen beruht, existieren noch viele offene Fragen.
Die Untersuchung von Materie unter extremen Bedingungen betrifft beispielsweise aber auch Studien zum Vakuum. Ein Vakuum ist nicht einfach nur leer, vielmehr entstehen dort Teilchen und Antiteilchen. Deshalb kann ein Vakuum in Wechselwirkung mit sehr starken elektromagnetischen Feldern treten. Die Forscher wollen den optischen Laser aus dem HZDR auf den Röntgenstrahl des European XFEL richten, um mehr über die optischen Eigenschaften des Vakuums zu erfahren. Der vom HZDR zur Verfügung gestellte Hochleistungslaser produziert pro Sekunde zehn ultrakurze Pulse mit einer Leistung von 100 Terawatt.
Der DiPOLE-Laser im Wert von knapp elf Millionen Euro wird an der „Central Laser Facility“ des STFC gebaut. Er liefert eine Frequenz von zehn Pulsen pro Sekunde und eine Leistung von zehn Gigawatt. Mit ihm sollen die Eigenschaften von Materie bei Bedingungen untersucht werden, die denen im Inneren von Planeten innerhalb und außerhalb unseres Sonnensystems entsprechen. Kennt man diese Eigenschaften, lassen sich deutlich präzisere Modelle für die Planetenentstehung und Planetenevolution erstellen.
„Die Experimente werden sehr begehrt sein – bei Material- und Geoforschern ebenso wie bei Astro- und Plasmaphysikern, aber auch bei Biologen und Chemikern“, ist Prof. Thomas Cowan, Leiter des internationalen Nutzerkonsortiums und Institutsdirektor am HZDR, sicher. Die Kombination des European XFEL als Analysewerkzeug mit höchsten Magnetfeldern oder den Experimentiermöglichkeiten mit verschiedenen optischen Lasersystemen verfolgt das Ziel, neue Erkenntnisse zu bisher verborgenen Vorgängen in Materie und Materialien zu gewinnen.
Die „Helmholtz International Beamline“ teilt sich auf in drei Instrumentierungs-Projekte der Helmholtz-Gemeinschaft am European XFEL, die nun mit insgesamt 29,8 Millionen Euro gefördert werden sollen: HIBEF, „Serial Femtosecond X-Ray Crystallography“ (SFX) und „Heisenberg Resonant Inelastic X-Ray Scattering“ (hRIXS). Die Entscheidung des Helmholtz-Senats vom 24. Juni 2015 hat den Weg dafür bereitet, die endgültige Freigabe der Finanzierung liegt nun bei den Zuwendungsgebern des Bundes und der Länder.
HZDR / OD