Laissez-faire der Materialforschung soll optische Systeme voranbringen
Selbstanordnende Blockcopolymere erzeugen ungewöhnliche Quasikristallsymmetrien.
Die gezielte Nanostrukturierung von Oberflächen zur Schaffung neuer Materialeigenschaften ist ein seit langem etabliertes erfolgreiches Verfahren. Was passiert, wenn man den Molekülen zumindest teilweise ihre eigene Anordnung selbst überlässt, ist Forschungsgegenstand der immer mehr an Bedeutung gewinnenden Untersuchungen an „Self-assembling Materials“. Zu dieser Materialklasse gehören auch die sogenannten Blockcopolymere. Diese Polymere setzen sich aus verschiedenen Monomeren zusammen und sind in der Lage, eine Vielzahl vorhersehbarer, regelmäßiger Muster zu bilden. Einer Forschergruppe des Massachusetts Institute of Technology (MIT) um den Postdoc Yi Ding sowie die Professoren für Materialwissenschaft und Ingenieurwesen Alfredo Alexander-Katz und Caroline Ross gelang es nun erstmals, dieses Material zu viel komplexeren Mustern zu verarbeiten und damit neue Bereiche der Materialentwicklung zu erschließen.
„In gewisser Weise verdanken wir diese Entdeckung einem glücklichen Zufall“, freut sich Alexander-Katz. „Alle dachten, dies sei nicht möglich", sagt er und beschreibt die Entdeckung eines Phänomens, das es den Polymeren ermöglicht, sich selbst in Mustern zusammenzusetzen, die von herkömmlichen symmetrischen Arrays abweichen.
Selbstanordnende Blockcopolymere sind Materialien, deren zunächst ungeordnete kettenartige Moleküle sich spontan zu periodischen Strukturen anordnen. Auf einem Substrat mit sich wiederholendem Linien- oder Säulenmuster dupliziert ein dünner Film des Blockcopolymers bei der Selbstanordnung die Muster des Substrats. Aber diese Methode konnte nur einfache Muster wie Punktraster oder Linien erzeugen.
In dem neuen Verfahren werden zwei verschiedene, nicht aufeinander abgestimmte Muster zusammengeführt. Das eine stammt aus einem Satz von auf ein Substratmaterial geätzten Säulen oder Linien, das andere ist ein eigenständiges Muster, das durch ein selbst zusammengefügtes Copolymer erzeugt wird. So kann beispielsweise ein rechteckiges Muster auf dem Substrat mit einer hexagonalen Struktur des Copolymers selbst kombiniert werden. Man könnte erwarten, dass die resultierende Blockcopolymeranordnung schlecht ist, stattdessen „bildete sich etwas, das viel unerwarteter und komplizierter war", so Ross.
Es stellte sich heraus, dass eine subtile, komplexe Art von Ordnung entstand – ineinander greifende Bereiche, die leicht unterschiedliche, aber regelmäßige Muster bildeten, ähnlich den Quasikristallen, in denen sich die Muster nicht ganz so regelmäßig wiederholen wie in normalen Kristallen. „Im Fall des Blockcopolymermaterials werden molekulare Prozesse genutzt, um diese, sich über weitere Entfernungen wiederholende Muster auf der Oberfläche zu erzeugen“, erklärt Ross.
Dies eröffnet neue Möglichkeiten, Geräte mit maßgeschneiderten Eigenschaften für optische Systeme oder für „plasmonische Geräte“ herzustellen, bei denen elektromagnetische Strahlung mit den Elektronen des Materials präzise abgestimmt in Resonanz tritt. Solche Vorrichtungen erfordern eine sehr genaue Positionierung und Symmetrie von Mustern mit nanoskaligen Abmessungen – eine der Stärken des neuen Verfahrens.
Die mit diesem Verfahren erzeugten Muster sind „ein Ergebnis der Frustration zwischen dem Muster, das das Polymer bilden möchte, und der Vorlage“, erklärt Alexander-Katz. Diese Frustration führe zu einem Bruch der ursprünglichen Symmetrien und der Schaffung neuer Subregionen mit verschiedenen Arten von Symmetrien. „Das ist die Lösung, die die Natur gefunden hat: Beim Versuch, sich in die Beziehung zwischen diesen beiden Mustern einzufügen, kommt es zu einer dritten Anordnung, die die Muster von beiden bricht – einem Übergitter.“
Nach der Entwicklung dieser neuartigen Strukturen erarbeitete das Team Modelle zur Erklärung des Prozesses. Co-Autor Dr. Karim Gadelrab sagt: „Die Modellierungsarbeiten haben gezeigt, dass die auftauchenden Muster tatsächlich thermodynamisch stabil sind, und haben die Bedingungen aufgezeigt, unter denen sich die neuen Muster bilden würden.“
Erstautor Ding freut sich darüber, dass das neue System in Bezug auf die Thermodynamik voll verstanden ist und die Erzeugung feiner Muster und neuer Symmetrien gestattet, die sonst schwer herzustellen wären. Damit fielen bisherige Einschränkungen bei der Gestaltung optischer und plasmonischer Materialien weg, und einen neuen Weg für die Materialgestaltung wäre geschaffen.
Bisher war die Arbeit des Teams auf zweidimensionale Oberflächen beschränkt, aber in der laufenden Arbeit hoffen die Wissenschaftler, den Prozess in die dritte Dimension auszudehnen. Die dreidimensionale Fertigung wäre ein Wendepunkt, urteilt Ross. Fertigungen für Mikrogeräte erfolgten derzeit schichtweise, aber wenn man ganze Objekte in 3-D auf einmal aufbauen könnte, würde das den Prozess viel effizienter machen.
MIT / LK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
Y. Ding et al.: Emergent symmetries in block copolymer epitaxy, Nature Communications 10, Article number: 2974 (2019); DOI:10.1038/s41467-019-10896-5 - Massachusetts Institute of Technology , Department of Materials Science and Engineering, Laboratory for Theoretical Soft Materials