Lasergitter simulieren elektronische Eigenschaften von Graphen
Wabenstruktur aus Licht und eingefangenen Kalium-Atomen soll Verhalten neuer Werkstoffe vorhersagen helfen.
Auf dem Weg zu neuen Materialien helfen bisher Computersimulationen, um die wahrscheinlichen Eigenschaften vorherzusagen. Doch auch mit einer geschickten Überlagerung von Laserstrahlen lassen sich Werkstoffe eindrucksvoll simulieren. Dieses Ziel erreichten nun Physiker von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETHZ). Mit Lichtgittern konnten sie das elektronische Verhalten des Kohlenstoffmaterials Graphen nachstellen. Parallel dazu gelang es Forschern von der Stanford University, durch die geschickte Anordnung von Kohlenmonoxid-Molekülen ebenfalls die hauchdünnen Graphen-Schichten zu simulieren.
Abb.: Mit einem Lichtgitter und Kaliumatomen konnte das elektronische Verhalten von Graphen, in dem sich an den Dirac-Punkten Leitungs- und Valenzband kreuzen, simuliert werden. (Bild: T. Esslinger, ETHZ)
Die extrem gute Strom- und Wärmeleitfähigkeit von Graphen machen dieses erst 2004 entdeckte zweidimensionale Material sehr interessant – beispielsweise für neue Chipstrukturen. Verantwortlich dafür ist nicht nur die streng symmetrischen Anordnung der Kohlenstoffatome in einem Wabengitter, sondern auch die Berührung von Valenz- und Leitungsband von Graphen. An diesen Dirac-Punkten genannten Stellen im Banddiagramm verhalten sich Elektronen wie masselose Teilchen und legen damit die Grundlage für die überragenden Strom- und Wärmeleitung.
Wabenstruktur und Dirac-Punkte konnten nun Tilman Esslinger und seine Kollegen vom ETHZ-Institut für Quantenelektronik erfolgreich simulieren. Dazu kühlten und bremsten sie einige hunderttausend Kaliumatome bis nahe an dem absoluten Nullpunkt bei minus 273 Grad ab. Über diese Atomwolke legten sie ein optisches Gitter, dass aus sich kreuzenden Laserstrahlen bestand. Durch eine komplexe Abstimmung aller Laser gelang ihnen der Nachbau einer wabenförmigen Gitterstruktur wie im Graphen. Dabei verhielten sich die Kaliumatome im Prinzip wie die Elektronen in den dünnen Kohlenstoffschichten. „Solche Strukturen mit Laserlicht zu erschaffen, gleicht in etwa der Herausforderung, ein schönes gleichförmiges Muster in einem See zu erzeugen, indem man mehrere Kieselsteine gleichzeitig an die richtige Stelle ins Wasser wirft“, sagt Esslinger.
Beschleunigten sie nun die Kalium-Atome in einem magnetischen Feld, ließ deren Verhalten auf die – hier simulierten – Dirac-Punkte im Lichtkristall zurückschließen. Über kleine Variationen der Laser konnten sie die Wabenstruktur gezielt verändern und so auch die Dirac-Punkte bis zu ihrem völligen Verschwinden verschieben. Aus diesem Experiment lässt sich schließen, wie selbst geringe – bisher nur theoretisch vorstellbare – Veränderungen in der Graphenstruktur die elektronischen Eigenschaften beeinflussen könnten.
Das Team um Kenjiro K. Gomes von der Stanford University ging einen anderen Weg, um Änderungen in der Graphenstruktur zu simulieren. Die Forscher deponierten tiefgekühlte Kohlenmonoxid-Moleküle (CO) in einer Ebene auf einer Kupferoberfläche und erhielten ebenfalls eine Graphenartige Wabenstruktur. Im Unterschied zu den fest gebundenen Kohlenstoffatomen im Graphen konnten sie die CO-Moleküle verschieben und so Strukturänderungen mit ihren Auswirkungen auf die elektronischen Eigenschaften simulieren.
Orientieren sich beide Methoden im Moment noch an Vorhersagen für leicht varriierte Graphen-Schichten, kann sich Esslinger auch vorstellen, mit seinen Lichtkristallen andere Materialien zu simulieren bevor diese überhaupt produziert wurden. „Auch dreidimensionale Lichtgitter sind gut vorstellbar“, sagt der Forscher. Und für einfache kubische Gitter habe das auch schon funktioniert. Gelingt der Schritt zu komplexeren Simulationen, ließen sich auch die Eigenschaften anderer Werkstoffe, beispielsweise Photonischer Kristalle, vor ihrer aufwendigen Herstellung vorhersagen.
Jan Oliver Löfken
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