Leckstrahlung von Starlink-Satelliten nachgewiesen
LOFAR-Teleskop erfasst erstmalig niederfrequente Radiowellen von Satelliten einer großen Konstellation.
Wissenschaftler des MPI für Radioastronomie in Bonn und anderer führender Forschungsinstitute haben mit dem Radioteleskop LOFAR 68 Satelliten der Starlink-Konstellation von SpaceX beobachtet. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass sie elektromagnetische Leckstrahlung entdeckt haben, die von der Bordelektronik erzeugt wird. Sie könnte astronomische Forschung behindern und unterscheidet sich von den normalen Kommunikationssignalen, die bisher im Fokus der Radioastronomen lagen. Die Wissenschaftler fordern daher Satellitenbetreiber und Regulierungsbehörden dazu auf, die Auswirkungen auf die Radioastronomie sowohl bei der Entwicklung von Raumfahrzeugen als auch bei Regulierungsverfahren zu berücksichtigen.
Astronomen müssen für ihre Arbeit sehr schwache Signale aus dem All empfangen können. Von Menschen verursachte Radiosignale können astrophysikalische Quellen um ein Vielfaches überstrahlen. Daher werden die meisten Radioteleskope an Standorten gebaut, die besonders vor terrestrischen Störungen geschützt sind. Einige befinden sich sogar in radioruhigen Zonen, die von einigen Staaten eingerichtet wurden.
Der technologische Fortschritt ermöglichte in den letzten Jahren erstmalig, riesige Satellitenkonstellationen ins All zu befördern, die für den Breitband-Internetzugang oder die Erdbeobachtung genutzt werden. Sie stellen eine völlig neue Herausforderung für die Astronomie dar. Da sich nun Tausende von Satelliten auf niedrigen Erdumlaufbahnen befinden, hat jedes Radioteleskop zu jeder Zeit viele Satelliten im Blick, die Signale ausstrahlen. Bisher ging man davon aus, dass es hauptsächlich die Kommunikationssignale der Satelliten wären, die radioastronomische Beobachtungen behindern können. Die jetzt erstmalig beobachtete Leckstrahlung, wahrscheinlich verursacht vom elektronischen Equipment der Satelliten, hatte man bisher nicht auf dem Schirm und weitere Untersuchungen dazu sind vonnöten.
„Die Studie ist der jüngste Versuch, die Auswirkungen von Satellitenkonstellationen auf die Radioastronomie besser zu verstehen“, sagte Federico Di Vruno vom Square Kilometre Array Observatory in Großbritannien. „In früheren Workshops zum Schutz des Nachthimmels und der Astronomie vor Auswirkungen von Satelliten wurden Theorien über diese Strahlung aufgestellt. Unsere Beobachtungen bestätigen, dass sie messbar ist.“ Di Vruno ist Co-Direktor des Centre for the Protection of the Dark and Quiet Sky from Satellite Constellation Interference der Internationalen Astronomischen Union.
Das Team um Di Vruno konzentrierte sich zunächst auf die Starlink-Satelliten, da SpaceX zum Zeitpunkt der Beobachtungen die größte Anzahl von Satelliten – über 2000 – im Orbit hatte. Die Forscher stellen jedoch klar, dass SpaceX nicht der einzige Betreiber von großen Satellitenkonstellationen ist. Sie gehen davon aus, dass andere Satelliten ähnliche unbeabsichtigte Emissionen ausstrahlen. Es sind bereits weitere Messungen geplant, die sich auf andere Satellitenkonstellationen konzentrieren werden.
„Mit LOFAR konnten wir von 47 der 68 beobachteten Satelliten Strahlung zwischen 110 und 188 Megahertz nachweisen. Dieser Frequenzbereich umfasst ein geschütztes Band zwischen 150,05 und 153 Megahertz, das von der Internationalen Fernmeldeunion speziell für die Radioastronomie zugewiesen wurde“, sagt Cees Bassa von ASTRON, dem niederländischen Institut für Radioastronomie. SpaceX verstößt jedoch nicht gegen Vorschriften oder Regulierungen, da diese Art von Strahlung für Satelliten nicht durch internationale Regelungen abgedeckt ist. Im Gegensatz dazu gelten für terrestrische Geräte Vorschriften, um sicherzustellen, dass ein Gerät nicht ein anderes in der Nähe stört.
Die Wissenschaftler führten auch umfangreiche Simulationen dieses Effekts für verschiedene Satellitenkonstellationen durch. „Unsere Simulationen zeigen unter anderem, dass dieser Effekt umso wichtiger wird, je größer die Konstellation ist, da sich die Strahlung aller Satelliten summiert“, sagt Benjamin Winkel vom MPI für Radioastronomie. „Das bereitet uns natürlich Sorgen, insbesondere wenn man an die Vielzahl von geplanten Satelliten denkt. Und es fehlt an spezifischen Regeln, die die Radioastronomie vor unbeabsichtigter Strahlung der Satelliten schützen.“
Die Forscher stehen in engem Kontakt mit SpaceX. Das Unternehmen möchte mögliche negative Auswirkungen auf die Astronomie auf jeden Fall verhindern. SpaceX hat bereits Änderungen an der kommenden Satellitengeneration vorgenommen und hofft, dass damit eine Verbesserung der Situation erzielt wird.
„Wir glauben, dass das rechtzeitige Erkennen dieser Situation den Astronomen und den Betreibern großer Satellitenkonstellationen die Chance gibt, gemeinsam an technischen Maßnahmen zu arbeiten“, betont Gyula Józsa vom MPI für Radioastronomie. „Parallel dazu sind aber dringend Gespräche mit Regulierungsbehörden zu führen, um geeignete Regulierungen zu schaffen.“
„Die vorliegende Studie zeigt, dass neue technologische Entwicklungen unvorhergesehene Nebenwirkungen auf die Astronomie haben können“, schließt Michael Kramer, Direktor am MPI für Radioastronomie und Präsident der Astronomischen Gesellschaft in Deutschland. Er begrüßt ausdrücklich den kooperativen Ansatz von SpaceX. „SpaceX geht mit gutem Beispiel voran. Nun hoffen wir auf eine breite Unterstützung durch die gesamte Satellitenindustrie und die Regulierungsbehörden.“
MPIfR / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. Di Vruno et al.: Unintended electromagnetic radiation from Starlink satellites detected with LOFAR between 110 and 188 MHz, Astron. Astroph., online 5. Juli 2023; DOI: 10.1051/0004-6361/202346374 - Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn
- Centre for the Protection of the Dark and Quiet Sky from Satellite Constellation Interference, International Astronomical Union, Paris, Frankreich
- Starlink, SpaceX, Hawthorne, USA