17.07.2020

Leise Landung

Assistenzsystem für leise und treibstoffsparende Landeanflüge erfolgreich getestet.

Der Anflug auf einen Flughafen ist in der Regel die arbeits­intensivste Phase eines Fluges. Die Piloten müssen Geschwin­digkeit, Höhe, Trieb­werks­schub, Lande- und Brems­klappen kontrol­lieren und gleich­zeitig auf wechselnde Winde, den Verkehr und die Anweisungen der Flug­lotsen reagieren. Dabei gilt ein ähnliches Prinzip wie für Autofahrer am Boden: Voraus­schauendes Fahren erlaubt es, Treibstoff zu sparen. Voraus­schauendes Fliegen senkt zusätzlich noch die Lärm­emission. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat ein Assistenz­system für den kontinuier­lichen Sinkflug entwickelt, das den Piloten via Display im Cockpit empfiehlt, was für einen umwelt­freundlichen Lande­anflug zu tun ist. Das „Low Noise Augmen­tation System“ LNAS berechnet die optimale Höhe, Sinkrate, die ideale Geschwin­digkeit und Konfigu­ration des Flugzeugs und korrigiert die Empfehlungen dynamisch während des Anflugs.

Abb.: Der Airbus A320-ATRA am Boden. (Bild: DLR; CC-BY 3.0)
Abb.: Der Airbus A320-ATRA am Boden. (Bild: DLR; CC-BY 3.0)

Im September 2019 erfolgten mehr als neunzig Test-Anflüge auf Piste 14 des Flughafens Zürich mit dem Assistenz­system LNAS an Bord des DLR-Forschungs­flugzeugs A320 ATRA. Siebzig unter­einander vergleich­bare Anflüge flossen in die Auswertung ein. Die Eidgenös­sische Material­prüfungs- und Forschungs­anstalt Empa über­prüfte die Wirksam­keit mit einer Reihe von Lärm­messungen entlang der Anflug­route. Jetzt liegen die Ergebnisse vor und wurden an das Schweizer Bundesamt für Zivil­luft­fahrt über­mittelt.

Für die Flugversuche wurden 23 Piloten in zwei Gruppen aufgeteilt. Vierzehn nutzten das Assistenz­systems LNAS und bekamen damit den optimalen Zeitpunkt für das Ausfahren von Klappen und Fahrwerk angezeigt. Sie nutzten diese Infor­ma­tionen für eine lärm- und verbrauchs­optimierte Brems­phase während des Anflugs. Die anderen neun versuchten ohne LNAS-Computer­unter­stützung, so geräuscharm und treib­stoff­sparend wie möglich zu fliegen. Das Flugzeug steuerte jeweils einer der teil­nehmenden Linien­piloten, als Copilot fungierte ein Testpilot des DLR. Jeder der siebzig berück­sich­tigten Anflüge begann jeweils in 2100 Metern über dem Meeres­spiegel mit etwa 400 km/h. Es wurden 43 Anflüge mit LNAS geflogen und 27 ohne.

In den vom DLR-Institut für Flugsystem­technik ausge­werteten Flugdaten zeigte sich, dass die Piloten mit LNAS die Sinkflüge viel einheit­licher und exakter flogen als jene, die ohne Assistenz­system unter­wegs waren. Auch der Verlauf der Fluggeschwin­digkeit war mit LNAS deutlich gleich­mäßiger. Auf den Einsatz von geräusch­intensiven Brems­klappen konnte bei den Anflügen mit LNAS voll­ständig verzichtet werden.

Der zentrale Fokus des LNAS-Assistenz­systems liegt in der Reduktion der akustischen Ausreißer, welche über­proport­ional zur Lärm­belastung beitragen. Denn einzelne besonders laute Anflüge sind für Anwohner besonders störend. Mit Hilfe von LNAS gelang es, diese Ausreißer zu vermeiden und damit auch die lautesten Anflüge um bis zu drei Dezibel leiser zu machen, was einer wahr­nehm­baren Verringerung der Lautstärke um etwa ein Drittel entspricht.

Über den Vergleich der Anflüge der beiden Piloten­gruppen ermittelten die Forscher auch die mittlere Treib­stoff­einsparung, die sich durch LNAS erzielen lässt. Auf den letzten knapp fünfzig Kilometern vor der Landebahn brauchten die Piloten mit LNAS im Mittel 8,9 Kilogramm weniger Kerosin als ohne LNAS. Hoch­ge­rechnet auf alle A320-Flüge der Swiss (Flug­bewegungen 2017) könnte LNAS also rund fünfhundert Tonnen Kerosin pro Jahr einsparen. Da das Assistenzsystem bereits ab der Reise­flughöhe, also ab etwa zweihundert Kilometern vor der Piste ein­gesetzt werden kann, ist das Sparpotential noch deutlich größer. Konservativ gerechnet ergibt sich eine jährliche Einsparung von 3000 Tonnen Kerosin, was rund 9000 Tonnen CO2 entspricht, wenn lediglich die A320-Flotte der Swiss mit LNAS ausgerüstet werden würde.

Mit dem Abschlussbericht zu Händen des Schweizer Bundesamts für Zivil­luftfahrt findet ein drei­jähriges Forschungs­projekt seinen Abschluss. Ab Juli 2020 startet koordiniert vom DLR das weiter­führende Forschungs­projekt „Dynamic Configuration Adjustment in the TMA“. Dessen ist es, zukünftig die Fähig­keiten des LNAS-Assistenz­systems in die zentralen Navigations­rechner von Verkehrs­flug­zeugen zu integrieren. So könnten lärm- und verbrauchs­optimierte Lande­anflüge an Bord vieler schon existie­render Airliner Einzug halten.

DLR / RK

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