30.06.2016

Leises Lüftchen

Geschickte Einzelblattsteuerung reduziert Vibrationen und Rotorlärm von Hubschraubern.

Rotoren verleihen Hubschraubern ihre einzigartigen Flug­eigenschaften, sind aber auch Hauptquelle für ihren Lärm. Forscher des DLR Braunschweig haben eine neuartige Methode getestet, die Hubschrauber leiser, energie­sparender und vibrations­ärmer macht. 30 bis 40 Prozent Lärm­verringerung sind in bestimmten Flug­zuständen wie dem Lande­anflug möglich. Die Aero­dynamik von Rotoren ist unter bestimmten Betriebs­bedingungen die Hauptquelle des Lärms, den Hubschrauber erzeugen. Ein großer Teil davon entsteht durch die Wechsel­wirkung der Rotor­blätter mit sogenannten Blatt­spitzen­wirbeln. Diese entstehen durch die Umströmung der Blattspitze infolge eines Druck­unterschiedes zwischen Blattunter- (Überdruck) und -oberseite (Unterdruck).

Abb.: Versuchsaufbau mit Modellrotor (Bild: DLR)

Durch den Druckausgleich an der Rotorblattspitze wird die Luft in Rotation versetzt, und hinter der Blattspitze bildet sich ein kleiner, konzentrierter Wirbel. Der Lärm entsteht dadurch, dass der Wirbel eines Rotor­blattes mit dem nach­folgenden Rotorblatt kollidiert. Die dabei auftretenden Wechsel­drücke am Rotorblatt verursachen nicht nur das typische „Teppich­klopfer-Geräusch", sondern führen auch zu Vibrationen im Hubschrauber und verringern den Komfort der Passagiere.

Durch geschicktes Verstellen jedes einzelnen Rotor­blattes kann die Wirbelstärke deutlich verringert werden – dafür ist eine hoch­genaue Änderung des Anstell­winkels des Blattes mehrfach pro Umdrehung notwendig. Versuche, eine solche Einzelblatt­steuerung durch den Einbau aktiver Steuerungs­elemente in die drehenden Rotoren zu realisieren, sind bislang am zu großen technischen Aufwand gescheitert: Öl- oder Strom­leitungen im Rotor zur Versorgung der Steuerungselemente sind zu komplex.

Die Braunschweiger Forscher haben im Windkanal­versuch eine neue Möglichkeit erprobt, mit der eine solche Einzelblatt­steuerung ohne diese aufwändigen Steuer­elemente im drehenden Rotor möglich ist. Dafür haben sie ein Kernelement des Hubschrauber­rotors verändert: die sogenannte Taumel­scheibe, die sich unterhalb des drehenden Rotors befindet. Durch Verschieben und Kippen setzt sie die Steuer­befehle des Piloten um und verändert über sogenannte Steuer­stangen den Anstell­winkel der Rotorblätter. Bislang haben Hubschrauber lediglich eine Taumelscheibe, die an Rotoren mit mehr als drei Rotorblättern keine Einzel­blatt­steuerung ermöglicht.

Die DLR-Forscher haben nun erstmals zwei Taumel­scheiben kombiniert und umeinander angeordnet. Damit lassen sich die Rotorblätter so ansteuern, dass die Stärke der Wirbel geringer oder ihr Abstand zu den vorbeifliegenden Rotor­blättern kleiner wird. Komplizierte Veränderungen im drehenden Teil des Rotors oberhalb der Taumelscheibe sind nicht notwendig. Entwickelt und patentiert haben dieses Mehrfach-Taumel­scheiben-System (Multiple Swashplate System META) der Projektleiter Rainer Bartels und Berend van der Wall vom DLR-Institut für Flugsystem­technik.

Die Versuche fanden im Nieder­geschwindigkeits­windkanal LLF der Deutsch-Niederländischen Windkanäle (DNW) im niederländischen Emmeloord statt. Dabei wurden an einem Hubschrauber­modell zwei verschiedene Modell-Rotoren mit dem neuen Taumelscheiben-System getestet: ein älterer nach dem Vorbild einer Bo105 und ein moderner einer H145. Mit dem Hubschrauber­modell wurden bei laufendem Rotor verschiedene Flug­zustände wie Schnellflug und Landeanflug simuliert. Mikrofone erfassten den Lärm. Eine Vielzahl an Sensoren sowie Hoch­geschwindigkeits­kameras dokumentierten die elastischen Verformungen der Rotor­blätter, um so Rückschlüsse auf die Blattbelastungen zu ermöglichen.

Sowohl bei der älteren wie bei der neueren Rotorkonfiguration stellten die Forscher eine deutliche Verringerung von Lärm, Energie­verbrauch und Vibrationen fest. Beispiels­weise verringerte sich der Geräuschpegel bei der Bo105-Konfigurartion im simulierten Lande­anflug um bis zu 4,5 Dezibel, was einer Verringerung von etwa 40 Prozent entspricht. Für den moderneren und darum bereits leiseren H145-Modellrotor stellten die Forscher eine Verringerung um 3,9 Dezibel fest, was etwa 37 Prozent weniger Lärm entspricht.

Die Vibrationen ließen sich mit der Mehrfach-Taumelscheibe um bis zu 75 Prozent beim Bo105-Rotor und bis zu 52 Prozent beim H145-Rotor reduzieren – ein großer Gewinn für den Komfort von Passagieren. Darüber hinaus wurden im schnellen Vorwärtsflug Leistungs­einsparungen von bis zu vier Prozent (Bo105-Rotor) beziehungsweise drei Prozent (H145) gemessen.

DLR / DE

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