Licht drehen mit Nanoschichten
Effizientes Produktionsverfahren für optisch aktive nanostrukturierte Schichten.
In einem neu veröffentlichten Artikel beschreiben Forscher um Andreas Fery und Tobias König vom Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden eine neue Designstrategie zur Herstellung dünner, nanostrukturierter Schichten für die aktive Kontrolle zirkular polarisierten Lichts. Sie basiert auf einer chiralen Nanoanordnung durch Stapeln zweier Substrate mit Nanopartikelketten. Das kostengünstige kolloidale Verfahren ermöglicht ausgeprägte, reversibel variierbare optische Effekte sowie ultrasensitive Detektion chiraler Moleküle. Damit kann es unter anderem die Entwicklung tragbarer Spektrometer und von „Lab-on-a-chip“-Plattformen vorantreiben.
Die Reifebestimmung und Qualitätskontrolle vieler landwirtschaftlicher Produkte wie etwa Wein oder Honig erfolgt über optische Analysemethoden. Eine Methode zur Bestimmung des Oechslegrades von Wein, also des Gehalts an Zucker, beruht darauf, dass Zuckermoleküle linear polarisiertes Licht konzentrationsabhängig drehen (optische Rotation). Die Art des Zuckers bestimmt den Drehsinn. Diesen Effekt zeigen alle chiralen Moleküle, zu denen auch Aminosäuren und Vitamine gehören. Chirale Moleküle sind Spiegelbilder zueinander und können durch Rotation und Verschiebung nicht ineinander überführt werden. Zusätzlich zur optischen Rotation absorbieren chirale Moleküle links- und rechtszirkular polarisiertes Licht unterschiedlich (Zirkulardichroismus, CD), was insbesondere bei der CD-Spektroskopie zur Bestimmung der Proteinfaltung eingesetzt wird.
In Forschung und Industrie verwendete Spektrometer sind aufgrund der zahlreichen rotierbaren Bauteile meist sehr sperrig. Metaoberflächen, die durch kontrollierte Anordnung von Metallnanostrukturen beliebige Manipulation der Intensität, Phase und Polarisation von Licht erlauben, können einen wichtigen Beitrag zur Miniaturisierung von Geräten leisten. Insbesondere aktiv durchstimmbare, optische Effekte regen weltweit intensive Forschung in der Nanotechnologie an, da sie in Zukunft zur Kodierung von Informationen und in Nanolasern genutzt werden können. Darüber hinaus erschließen sie neuartige Anwendungen für komplex strukturiertes Licht und für optische Computer.
Die Forscher aus dem IPF haben eine neue Designstrategie zur Herstellung funktionaler 3D-Anordnungen auf der Nanoebene entwickelt, die im Vergleich zu chiralen Molekülen milliardenfach stärkere optische Effekte liefern, ohne auf aufwändige und kostenintensive elektronenlithographische Methoden angewiesen zu sein. Sie basiert auf Nanokanälen, die großflächig hergestellt und abgeformt werden können, um kolloidale Goldnanopartikel in parallelen Doppellinien anzuordnen.
Durch Stapeln zweier solcher quadratzentimetergroßen Substrate entsteht eine chirale Nanoanordnung gekreuzter Ketten mit links- oder rechtshändigem Drehsinn, die selektiv mit zirkular polarisiertem Licht wechselwirken. Metallnanostrukturen sind für ihre starke Wechselwirkung mit Licht bekannt, die zu starken, selektiven Absorptionseffekten führt und starke optische Felder unterhalb des Beugungslimits konzentriert. Dies geschieht durch lichtinduzierte Anregung von Elektronenschwingungen, also lokalisierter Oberflächenplasmonenresonanzen.
Im Falle chiraler plasmonischer Strukturen resultiert eine bevorzugte Absorption und Streuung links- oder rechts-zirkular polarisierten Lichts. Das vorgestellte System kann wiederholt unter verschiedenen Winkeln gekreuzt und mechanisch komprimiert werden, um alle Einzelheiten des Zirkulardichroismus aktiv zu steuern (Stärke, Vorzeichen und spektrale Position). Dies ermöglicht eine Anwendung als durchstimmbarer Zirkularpolarisator, dessen aktive Schicht nur wenige hundert Nanometer dick ist. Über lokale mechanische Modulation eröffnen sich interessante Möglichkeiten zur Erzeugung komplexer spektraler Gradienten, um sie als Filterarray für Chip-basierte Spektrometer zu verwenden. Durch die dichte Anordnung der chiralen Elemente und deren starke plasmonische Kopplung wurde ein Zirkulardichroismus von elf Grad erreicht, der den anderer kolloidaler Systeme um zwei Größenordnungen übertrifft.
Im Gegensatz zu lithographisch erzeugten Metaoberflächen erlaubt das stapelbare Design die Nutzung der besonders in der Zwischenschicht verstärkten superchiralen Felder zur ultrasensitiven Detektion chiraler Moleküle. So konnte in einem Proof-of-concept-Experiment eine zehnfach verstärkte Empfindlichkeit beim Nachweis eines Modellproteins gezeigt werden. Das Forscherteam weist einen neuen Weg zur Erzeugung mechanisch schaltbarer 3D-Nanoanordnungen. Das erworbene mechanistische Verständnis kann auf andere Systeme ausgeweitet werden und ist der Grundstein für weitere, spannende Neuentwicklungen, die sich nicht auf photonische Anwendungen wie Polarisationselemente oder Sensoren beschränken.
Leibniz-IPF / DE