14.10.2016

Licht heilt Polymere

Azobenzol-Kunststoffe lassen sich bei Raumtemperatur reversibel verarbeiten.

Robuste Kunststoff­oberflächen, bei Möbel­stücken oder Produktions­maschinen, sind heute nicht mehr wegzudenken. Die aus langen Molekül­ketten bestehenden Polymere sind als Feststoff allerdings schwer zu verarbeiten. Nur im zäh­flüssigen Aggregat­zustand oder als Lösung lassen sie sich beispiels­weise als Beschichtungs­material gut auftragen. Dafür werden bislang noch umständliche und vor allem umwelt­schädliche Verfahren eingesetzt.

Abb.: Ultraviolettstrahlung trifft auf ein trans Azobenzol-Polymer und verflüssigt es dadurch zur cis-Konfiguration. Licht kann somit den Aggregatszustand von Azo-Polymeren reversibel verändern. (Bild: Z. Xue)

Das Team von Si Wu, Projekt­leiter am Max-Planck-Institut für Polymer­forschung in Mainz, hat einen schonenderen und rever­siblen Weg am Beispiel von Azo­benzol-Polymeren entdeckt. In der stabilen trans-Isomerie – gekenn­zeichnet durch eine planare, also ebene und parallel geordnete Struktur mit einer maximalen Überlappung der Moleküle – liegt die Glasübergangs­temperatur von Azobenzol-Polymeren bei etwa 50 Grad Celsius. Die instabilere, räumlich gewinkelte cis-Konfiguration besitzt dagegen eine Erweichungs­temperatur von circa -10 Grad Celsius. Dank dieser niedrigen Glasübergangs­temperatur ist das letztere Isomer bei Raum­temperatur beweglich beziehungs­weise zähflüssig genug, um sich verarbeiten zu lassen.

Indem die Forscher die Lichtschal­tbarkeit von Azobenzol nutzen, können sie die Polymere von einer Konfi­guration in die andere überführen. Deshalb bestrahlen sie die Polymere mit verschie­denen Wellen­längen: In der trans-Isomerie absorbiert Azobenzol Ultraviolett­strahlung mit 365 Nanometern Wellenlänge. Dies führt dazu, dass das Polymer in die cis-Konfi­guration wechselt. In der indus­triellen Produktions­kette kann der Kunststoff nun für den jeweiligen Verwendungs­zweck geformt werden. Um die räumliche Anordnung anschließend wieder in ein trans-Isomer umzuwandeln, wird das Polymer mit grünem Licht (530 Nanometer Wellen­länge) bestrahlt und erhärtet. Alternativ lässt sich auch durch Wärme der thermo­dynamisch stabilere trans-Zustand erreichen.

Um die abweichenden Glasübergangs­temperatur der beiden Konfi­gurationen zu ermitteln, haben die Wissen­schaftler verschiedene Untersuchungs­methoden eingesetzt. Vor und nach dem Bestrahlen der Stereo­isomere haben sie jeweils deren Eigen­schaften gemessen, unter anderem mit der Dynamisch-mecha­nischen Analyse sowie mit der Dyna­mischen Differenz­kalorimetrie. Diese Methoden erfassen die ther­mischen Eigen­schaften von Kunststoffen und zeigen an, ob ein Polymer sich wie ein Feststoff oder eine Flüssig­keit verhält. Zudem lassen sich so die Phasen­übergänge, also der Schmelz- und der Siedepunkt, bestimmen.

Umwelt und Unter­nehmen profi­tieren gleicher­maßen von diesen Erkennt­nissen. „Die steigenden Mengen an Plastikmüll sind ein welt­weites Problem“, so der Polymer­chemiker Wu. „Unsere Ergebnisse tragen dazu bei, die Lebens­spanne von Kunst­stoffen zu verlängern, indem sie bei Beschä­digungen einfach verflüssigt, repariert und wieder gehärtet werden können. Die Polymere der Zukunft durc­hbrechen also den vor­schnellen Wegwerf-Kreislauf, weil sie reversibel bearbeitbar sind.“

MPIP / JOL

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