29.03.2016

Lichtschalter durchleuchtet

Dynamische Prozesse in lichtsensitiven Schalter-Proteinen mit Hilfe von Neutronenstreuung aufgedeckt.

Die inneren Bewegungen von Proteinen können für ihre Funktions­fähigkeit bedeutend sein. Dafür finden Forscher immer mehr Beispiele. Auch bei den in der Natur weit verbreiteten und zudem bio­technologisch bedeutsamen „LOV-Photo­rezeptoren“ haben Wissenschaftler aus Jülich, Aachen, Düsseldorf und Garching bei München nun mit Hilfe von Neutronen­spektroskopie dynamische Prozesse nachgewiesen. Die Ergebnisse zeigen das große Potential von Neutronen­streu­untersuchungen für die Unter­suchung zellulärer Prozesse.

Abb.: Überlagerte Bewegungsstadien eines LOV-Proteins (im Vordergrund), erstellt mit Molekulardynamiksimulation (Bild: FZJ / M. Bocola, RWTH Aachen)

Molekularbiologen lieben LOV-Proteine, denn mit ihrer Hilfe lassen sich biologische Vorgänge fast wie mit einem Schalter an- und aus­knipsen. Wenn man sie mit anderen Proteinen koppelt, lassen sich diese mit Licht steuern und Stoff­wechsel­prozesse in den modifizierten Zellen untersuchen. Der Name der biologischen Schalter hat einen nüchternen Ursprung: Es handelt sich um ein Akronym der englischen Begriffe für Licht, Sauerstoff und Spannung: Flavin-binding light, oxygen, voltage photoreceptor.

In der Natur stimulieren solche lichtsensitiven Eiweiß­moleküle zum Beispiel das Wachstum von Pflanzen zum Licht und in Bakterien die Bildung von Photo­synthese­pigmenten, wenn Licht auf sie fällt. Ihre große Verbreitung und ihr technologischer Nutzen rühren unter anderem daher, dass sie modular funktionieren: Die Schalt­funktion lässt sich mit verschiedenen Prozessen kombinieren.

Die ersten Untersuchungen von LOV-Proteinen mit Hilfe von Neutronen­streuung am Heinz-Maier-Leibnitz Zentrum in Garching zeigten nun die Bedeutung der Bewegungen im Inneren der Bio­moleküle für ihre Funktions­fähigkeit. Die Forscher analysierten dazu Rezeptoren aus dem Bode­nbakterium Pseudo­monas putida mit einer zeitlichen Auflösung im Nano- und Piko­sekunden­bereich. „Im unbelichteten Protein fanden wir stärkere Bewegungen als im belichteten“, erläutert Andreas Stadler vom Institute of Complex Systems und Jülich Centre for Neutron Science am Forschungs­zentrum Jülich. „Die belichtete Version ist steifer, vor allem in bestimmten Bereichen.“

Um herauszufinden, welche Bereiche des Proteins sich bewegen, verglichen die Forscher ihre Neutronen­analysen mit bereits aus Röntgen­untersuchungen bekannten Struktur­informationen von kristallisierten LOV-Proteinen und simulierten zudem potentielle Bewegungen am Computer. Denn Neutronen können nicht direkt die Bewegungen eines einzelnen Protein­moleküls erfassen, sondern nur die gemittelten Bewegungen aller Proteine in der Probe. Deshalb sind stets weitere Untersuchungen nötig, um die Ergebnisse richtig interpretieren zu können. „Dann spielen die Neutronen ihre Fähigkeiten wie in diesem Fall optimal aus und können einzig­artige Einblicke in die Funktion von biologischen Prozessen liefern“, freut sich Stadler.

Bekannt war bereits, dass im Fall des untersuchten LOV-Proteins jeweils zwei Protein­moleküle zusammen eine Funktions­einheit bilden. Deren Form erinnert in ihrer aktiven, belichteten Form an einen Hasenkopf mit spitz aufgestellten Ohren. In der nichtaktiven, unbelichteten Form hängen die „Ohren“. Die Bewegungen, die die Forscher nun bei den unbelichteten Proteinen gefunden haben, passen genau zu der Vorstellung, dass dieser Zustand flexibler und beweglicher ist, wohingegen die stehenden „Ohren“ unbeweglicher, steifer sind.

Aus früheren Untersuchungen war ebenfalls bekannt, dass das lichtaktive Zentrum sich jeweils im „Backen­bereich“ der Hasen­kopf­form des Proteins befindet. Bei Belichtung entsteht eine chemische Bindung zwischen dem licht­aktiven Zentrum und einer bestimmten Stelle des Protein­rückrats. Die Forscher gehen nun davon aus, dass die Bildung dieser Bindung zu strukturellen Änderungen führt, die sich durch das Protein bis zu den „Ohren“ fort­pflanzen und deren Versteifung und gleich­zeitige Verdrehung auslöst. Die „Ohren“ stellen vermutlich den eigentlichen Schalter dar, der daran gekoppelte Proteine aktivieren und deaktivieren kann.

Für die Untersuchung von Proteinen bieten Neutronen viele Vorteile gegenüber anderen Methoden und können komplementäre Informationen liefern. So müssen die Proteine weder gefärbt noch kristallisiert noch anderweitig verändert werden, um sie zu untersuchen. Auch ist das Verfahren sehr sanft zu den Proben, die dadurch länger beobachtet werden können. Und es kann leichte Atome in den Molekülen, unter anderem Wasser­stoff, besser detektieren, auch in der natürlichen Umgebung von Proteinen – wässrigen Lösungen.

FZJ / DE

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