08.01.2020 • OptikQuantenoptik / PhotonikPhotonik

Lichtwirbel, Anti-Laser und leuchtende Moleküle

Jahresrückblick Optik & Photonik 2019

Breit gestreut zeigten sich im vergangenen Jahr die Fortschritte auf dem Feld der optischen Techno­logien und der Photonik. Klassische Felder wie bild­gebende Verfahren, die Mikroskopie und optische Daten­ver­arbeitung boten dabei ebenso heraus­ragende Ergebnisse wie die Gebiete der Quanten­photonik oder der Leucht­mittel. Dass Licht zunehmend auch als viel­seitiges Werkzeug taugt, belegten ausge­klügelte Laser­schweiß­verfahren oder neue Ansätze für Photonik-Chips. Nicht zuletzt glänzte auch die photonische Grundlagen­forschung, die nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch viel­ver­sprechende Ansätze für neuartige Anwendungen lieferte.

Am MPI für Biochemie entstand eine Variante der Fluoreszenz­­mikroskopie, mit der sich verblüffend schnell Aufnahmen von Zellen mit sehr hohe Orts­auf­lösungen von besser als zehn Nanometern gewinnen lassen. Diese Methode – DNA-PAINT genannt – könnte für Hoch­durch­­satz­studien mit biologischer und bio­medi­­zi­nischer Relevanz etwa in der Diagnostik ein­ge­setzt werden. Schnellig­keit spielte auch bei der Aufnahme von 3D-Bildern von Nano­strukturen eine große Rolle. Unter Beteiligung von Forschern der Uni Hannover entstand ein Verfahren, bei dem von einem Objekt mit einem einzelnen Laser­impuls zwei Aufnahmen aus zwei unter­schied­lichen Blick­rich­tungen auf­ge­nommen werden können, welche dann zu einem räum­lichen Bild zusammen­gesetzt werden können.  An der Uni Oldenburg wurde ein neuartiges optisches Mikroskop mit extrem hoher Auflösung entwickelt. Statt einer Linse aus Glas nutzten die Forscher einen kleinen Kegel aus Gold mit einer winzigen ein­gravierten Gitter­struktur, um das Licht zu fokus­sieren. Dabei wird die Licht­welle in eine Plasmon­welle umge­wandelt, die an der Ober­fläche des Goldes zur Spitze des Kegels entlang­läuft.

Virtuelle Röntgenlinsen

Mit einer virtuellen Linse für die Röntgen­mikro­skopie gelag es Forschern am Paul-Scherrer-Institut, die Fourier-Ptychografie für Röntgen­strahlung zu realisieren. Bei dieser zuvor im sichtbaren Spektral­bereich genutzten Methode wird eine Linse während einer Aufnahme verschoben, um viele nah bei­ein­ander liegende Punkte zu beleuchten. Da die Verschiebung bekannt ist, lassen sich die einzelnen Bild­kompo­nenten im Rechner rekon­struieren und mit­ein­ander kombinieren. Diese Methode nutzten auch Wissen­schaftler in Berlin mit einem hoch­auf­lösendes Röntgen­mikroskop am Bessy II. Damit gelang es ihnen, Skyrmionen – drei­dimen­sionale Strukturen in magnetischen Materialien – sichtbar zu machen.

Einen Turbo für die bildgebende Terahertz-Spektro­skopie konzipierten Wissen­schaftler von der TU Kaisers­lautern. Mit einem Mikro­spiegel-Modulator konnten sie Terahertz-Strahlung räumlich gezielt verändern. Durch dieses aufgeprägte Muster wurde ein Teil der Strahlung absorbiert, ein Teil wanderte weiter und wurde auf einen Detektor fokussiert. Durch mehrere Durchläufe und verschiedene geschaltete Muster konnte schnell ein Bild berechnet werden. Für spektro­skopische Unter­suchungen neuartiger Quanten­­materialien entstand am DESY in Hamburg eine neue Methode der polari­sa­tions­auf­ge­lösten hohe-Harmonische-Spektro­skopie von Festkörpern. Mit einer gezielten Kontrolle von Wirbeln aus polari­siertem Licht zeigten die Forscher, wie man aus den Polari­sa­tions­­zuständen und Helizitäten der Harmonischen wertvolle Informa­tionen über die Kristall­­struktur und die ultra­­schnelle Stark­feld­­dynamik gewinnen konnte.

Rasante bildgebende Verfahren

Auf der Basis der Raman-Spektroskopie schufen Forschen am Leibniz-IPHT in Jena ein neues optisches Verfahren, das alters­bedingte Augen­erkrankungen frühzeitig sichtbar macht. Ergänzt um die optische Kohärenz­­tomo­graphie ließ sich quasi ein moleku­larer Finger­­abdruck der Netzhaut gewinnen. Ebenfalls für die medizinische Diagnostik taugt die Optimierung opto­akustischer Bilder von Blut­gefäßen mit Methoden der künst­lichen Intelligenz. Dadurch werden weniger Sensoren für die opto­akustische Bildgebung genutzt, bei der Laserpulse ins Gewebe geschickt, dort absorbiert und in Ultra­schall­­wellen umge­wandelt werden. Die extrem schnelle Aufzeichnung von Tomographie-Aufnahmen gelang Forschern vom Helmholtz-Zentrum Berlin und vom Paul-Scherrer-Institut mit einem rasant rotierenden Messtisch. Mit dieser Tomoskopie getauften bild­gebenden Methode waren mehr als zweihundert Tomo­graphien pro Sekunde über Messzeiten von mehreren Minuten möglich.

Neue Laser und ihr Nutzen

Für die Analyse ultra­schneller physika­­lischer Prozesse gingen am Forschungs­­zentrum Jülich zwei Höchst­leistungslaser in Betrieb, deren ultra­kurze Laser­pulse eine Leistung von bis zu 1,4 Terawatt erreichen. Die Laser­pulse lassen sich dazu auf bis zu dreißig Femto­sekunden komprimieren. Ultra­starke Laserpulse im Terahertz-Bereich erzeugt dagegen eine Laser am DESY in Hamburg. Die energie­reichen Blitze besitzen eine scharf definierte Wellen­länge und sollen eine neue Generation von Teilchen­­beschleunigern ermöglichen, die auf einen Labort­isch passen. Für eine einfachere Erzeugung von Terahertz-Wellen fanden Forscher am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf ein Material für einen Landau-Niveau-Laser. Damit lassen sich die Energie­niveaus der Elektronen mithilfe eines Magnet­feldes flexibel einstellen, um die Wellen­längen des emittierten Lichts zu steuern. Einen Anti-Laser, der Licht einer ganz bestimmten Farbe perfekt verschluckt und die Energie vollständig absorbiert, entwickelten Physiker an der TU Wien. Anwendungen erwarten die Forscher für extrem komplizierte Systeme, in denen Lichtwellen unregel­mäßig und zufällig in alle Richtungen gestreut werden.

Auch neue Laser-Anwendungen eröffneten sich im vergangenen Jahr. So zeigten Forscher am Fraun­hofer-Institut für Produktions­­technologie IPT in Aachen im Forschungs­­projekt LaserJet­Drilling, dass Hoch­leistungs­laser hartes Gestein in Geothermie-Bohrungen bröckeln lassen können. Sandstein, Granit und Quarzit mit einer Festig­keit von mehr als 150 Megapascal wurden bis zu achtzig Prozent durch den Laser geschwächt. Diese Methode könnten die Kosten für noch sehr teure Geothermie-Bohrungen senken. Winzige 3D-Strukturen aus Metall ließen sich mittels Laser­­direkt­­schreiben unter Ausnutzung der Zwei-Photonen-Absorption fertigen. Das Fraunhofer-Institut für Mikro­technik und Mikro­systeme in Mainz plant damit, aufwändige, mehr­stufige Litho­graphie­­verfahren in Kombination mit anschließender Metalli­sierung zu ersetzen. Laser zur Bearbeitung von Keramiken hatten 2019 Forscher von der University of California in San Diego im Blick. Mit ihrer neuen Laserschweiß­technik ließen sich Keramiken schnell und sicher miteinander verbinden. Die Methode beruht auf schnell getakteten, kurzen Laser­pulsen und passend dazu gewählten keramischen Werk­stoffen.

Schneller Rechnen mit Licht

Auch die Quantenphotonik und die Entwicklung von photonischen Schalt­kreisen machte 2019 einige Fort­schritte. So gelang es an der Uni Olden­burg, Schlüssel­bau­steine der Quanten­photonik auf einen ein­zelnen Chip zu inte­grieren und damit die Bünde­lung zweier ein­zelner Photonen zu demon­strieren. Den ersten kaskadier­baren, voll­optischen Transistor für den Betrieb bei Zimmer­temperatur realisierte ein Team des IBM Research Lab in Zürich gemeinsam mit internationalen Partnern. Mit einem organischen halb­leitenden Polymer wurde eine Mikro­resonator entwickelt, in dem ein Laser­strahl ein- und aus­ge­schaltet oder durch einen anderen Laser­strahl verstärkt werden konnte. Eine neuartige Schnitt­stelle aus photonischen Kristallen entwickelten Forscher der Uni Münster, um Licht­quellen für einzelne Photonen mit nano­­photonischen Netz­werken zu verbinden. Der Ansatz soll in naher Zukunft integrierte quanten­­optische Schalt­kreise, gebündelt auf einzelnen Chips, ermöglichen.

Leuchtende Moleküle

Leuchtdioden, die ein angenehmes warm­weißes Licht aussenden, könnten durch neue Substanzen effizienter werden. Im Rahmen des EU-Projekts EuroLED wurde ein rot emittie­render nano­skaliger Leucht­stoff aus Europium entdeckt, der ein sehr enges Emissions­band aufweist. Dieses Licht ist für das mensch­liche Auge bis zu dreimal stärker sichtbar ist als das Licht der bisher genutzten roten Leucht­stoffe. Auch Flächen­leuchten aus organischen Leucht­dioden wurden im vergangenen Jahr optimiert, beispiels­weise am MPI für Polymer­­forschung in Mainz. Der OLED-Prototyp besteht nur aus einer einzigen Schicht, die über zwei Elektroden mit Strom versorgt wird. Das vereinfacht die Herstellung von OLEDs und ebnet den Weg für druckbare Displays. Intensiveres Weißlicht aus OLEDs ermöglichten Forscher der TU Dresden. Mit symmetrisch aufge­bauten Nano­strukturen verbesserten sie die Effizienz und die winkel­­abhängige Abstrahl­­charakte­ristik von weißen OLEDs deutlich und steigerten die externe Quanten­­effizienz auf bis zu 76,3 Prozent. Keine Licht­quelle, sondern verblüffende Farbeffekte erzielten Forscher der Pennsylvania State University mit farblosen Tropfen. Mit einer bisher unbekannten Variante von Inter­ferenz­farben erzeugten farblose Tropfen auf einer Oberfläche je nach Form und Einfalls­winkel des Lichts kräftige Farb­ein­drücke von blau über grün bis gelb und rot. Mögliche Anwendungen sehen die Wissen­schaftler in Sensoren oder Farbdisplays.

Im Bereich der photonischen Grundlagen­forschung fällt ein verblüffendes Experiment von Physikern in Rostock. Sie konstruierten spezielle Wellen­leiter, in denen Licht­teilchen ein Verhalten wie W- oder Z-Bosonen zeigten. Die Wechsel­wirkung von Licht­teilchen könnte – ganz ohne Teilchen­beschleuniger – für Analysen von Elementar­teilchen genutzt werden. Auch völlig neue Schalt­­elemente für einen Quanten­­computer halten die Forscher für vorstellbar. An der ETH Zürich zeigten Kurzzeit-Analysen zeit­ab­hängige Aspekte des Impuls-​Transfers während der Photo­ioni­sation. Die Forscher unter­suchten den Fall hoher Laser­­intensitäten, bei denen mehrere Photonen am Ionisations­­prozess beteiligt sind, und bestimmten, wie viel Impuls in Richtung der Laser­­aus­breitung über­tragen wurde. Und schließlich erzeugte ein Forscherteam am National Institute of Standards and Technology in Boulder die allerersten Licht­pulse mit einem „inneren Drehmoment“. Dieses auf Berechnungen von Physikern der Uni Salamanca in Spanien beruhende Grundlagen-Experiment mit Drehimpuls tragenden OAM-Moden – orbital angular momentum – könnte zu Anwendungen in so unter­­schied­lichen Gebieten wie Licht­pinzetten, quanten­­optischer Verschränkung oder Tele­­kommunikation führen.

Jan Oliver Löfken

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