Lichtwirbel, Anti-Laser und leuchtende Moleküle
Jahresrückblick Optik & Photonik 2019
Breit gestreut zeigten sich im vergangenen Jahr die Fortschritte auf dem Feld der optischen Technologien und der Photonik. Klassische Felder wie bildgebende Verfahren, die Mikroskopie und optische Datenverarbeitung boten dabei ebenso herausragende Ergebnisse wie die Gebiete der Quantenphotonik oder der Leuchtmittel. Dass Licht zunehmend auch als vielseitiges Werkzeug taugt, belegten ausgeklügelte Laserschweißverfahren oder neue Ansätze für Photonik-Chips. Nicht zuletzt glänzte auch die photonische Grundlagenforschung, die nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch vielversprechende Ansätze für neuartige Anwendungen lieferte.
Am MPI für Biochemie entstand eine Variante der Fluoreszenzmikroskopie, mit der sich verblüffend schnell Aufnahmen von Zellen mit sehr hohe Ortsauflösungen von besser als zehn Nanometern gewinnen lassen. Diese Methode – DNA-PAINT genannt – könnte für Hochdurchsatzstudien mit biologischer und biomedizinischer Relevanz etwa in der Diagnostik eingesetzt werden. Schnelligkeit spielte auch bei der Aufnahme von 3D-Bildern von Nanostrukturen eine große Rolle. Unter Beteiligung von Forschern der Uni Hannover entstand ein Verfahren, bei dem von einem Objekt mit einem einzelnen Laserimpuls zwei Aufnahmen aus zwei unterschiedlichen Blickrichtungen aufgenommen werden können, welche dann zu einem räumlichen Bild zusammengesetzt werden können. An der Uni Oldenburg wurde ein neuartiges optisches Mikroskop mit extrem hoher Auflösung entwickelt. Statt einer Linse aus Glas nutzten die Forscher einen kleinen Kegel aus Gold mit einer winzigen eingravierten Gitterstruktur, um das Licht zu fokussieren. Dabei wird die Lichtwelle in eine Plasmonwelle umgewandelt, die an der Oberfläche des Goldes zur Spitze des Kegels entlangläuft.
Virtuelle Röntgenlinsen
Mit einer virtuellen Linse für die Röntgenmikroskopie gelag es Forschern am Paul-Scherrer-Institut, die Fourier-Ptychografie für Röntgenstrahlung zu realisieren. Bei dieser zuvor im sichtbaren Spektralbereich genutzten Methode wird eine Linse während einer Aufnahme verschoben, um viele nah beieinander liegende Punkte zu beleuchten. Da die Verschiebung bekannt ist, lassen sich die einzelnen Bildkomponenten im Rechner rekonstruieren und miteinander kombinieren. Diese Methode nutzten auch Wissenschaftler in Berlin mit einem hochauflösendes Röntgenmikroskop am Bessy II. Damit gelang es ihnen, Skyrmionen – dreidimensionale Strukturen in magnetischen Materialien – sichtbar zu machen.
Einen Turbo für die bildgebende Terahertz-Spektroskopie konzipierten Wissenschaftler von der TU Kaiserslautern. Mit einem Mikrospiegel-Modulator konnten sie Terahertz-Strahlung räumlich gezielt verändern. Durch dieses aufgeprägte Muster wurde ein Teil der Strahlung absorbiert, ein Teil wanderte weiter und wurde auf einen Detektor fokussiert. Durch mehrere Durchläufe und verschiedene geschaltete Muster konnte schnell ein Bild berechnet werden. Für spektroskopische Untersuchungen neuartiger Quantenmaterialien entstand am DESY in Hamburg eine neue Methode der polarisationsaufgelösten hohe-Harmonische-Spektroskopie von Festkörpern. Mit einer gezielten Kontrolle von Wirbeln aus polarisiertem Licht zeigten die Forscher, wie man aus den Polarisationszuständen und Helizitäten der Harmonischen wertvolle Informationen über die Kristallstruktur und die ultraschnelle Starkfelddynamik gewinnen konnte.
Rasante bildgebende Verfahren
Auf der Basis der Raman-Spektroskopie schufen Forschen am Leibniz-IPHT in Jena ein neues optisches Verfahren, das altersbedingte Augenerkrankungen frühzeitig sichtbar macht. Ergänzt um die optische Kohärenztomographie ließ sich quasi ein molekularer Fingerabdruck der Netzhaut gewinnen. Ebenfalls für die medizinische Diagnostik taugt die Optimierung optoakustischer Bilder von Blutgefäßen mit Methoden der künstlichen Intelligenz. Dadurch werden weniger Sensoren für die optoakustische Bildgebung genutzt, bei der Laserpulse ins Gewebe geschickt, dort absorbiert und in Ultraschallwellen umgewandelt werden. Die extrem schnelle Aufzeichnung von Tomographie-Aufnahmen gelang Forschern vom Helmholtz-Zentrum Berlin und vom Paul-Scherrer-Institut mit einem rasant rotierenden Messtisch. Mit dieser Tomoskopie getauften bildgebenden Methode waren mehr als zweihundert Tomographien pro Sekunde über Messzeiten von mehreren Minuten möglich.
Neue Laser und ihr Nutzen
Für die Analyse ultraschneller physikalischer Prozesse gingen am Forschungszentrum Jülich zwei Höchstleistungslaser in Betrieb, deren ultrakurze Laserpulse eine Leistung von bis zu 1,4 Terawatt erreichen. Die Laserpulse lassen sich dazu auf bis zu dreißig Femtosekunden komprimieren. Ultrastarke Laserpulse im Terahertz-Bereich erzeugt dagegen eine Laser am DESY in Hamburg. Die energiereichen Blitze besitzen eine scharf definierte Wellenlänge und sollen eine neue Generation von Teilchenbeschleunigern ermöglichen, die auf einen Labortisch passen. Für eine einfachere Erzeugung von Terahertz-Wellen fanden Forscher am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf ein Material für einen Landau-Niveau-Laser. Damit lassen sich die Energieniveaus der Elektronen mithilfe eines Magnetfeldes flexibel einstellen, um die Wellenlängen des emittierten Lichts zu steuern. Einen Anti-Laser, der Licht einer ganz bestimmten Farbe perfekt verschluckt und die Energie vollständig absorbiert, entwickelten Physiker an der TU Wien. Anwendungen erwarten die Forscher für extrem komplizierte Systeme, in denen Lichtwellen unregelmäßig und zufällig in alle Richtungen gestreut werden.
Auch neue Laser-Anwendungen eröffneten sich im vergangenen Jahr. So zeigten Forscher am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen im Forschungsprojekt LaserJetDrilling, dass Hochleistungslaser hartes Gestein in Geothermie-Bohrungen bröckeln lassen können. Sandstein, Granit und Quarzit mit einer Festigkeit von mehr als 150 Megapascal wurden bis zu achtzig Prozent durch den Laser geschwächt. Diese Methode könnten die Kosten für noch sehr teure Geothermie-Bohrungen senken. Winzige 3D-Strukturen aus Metall ließen sich mittels Laserdirektschreiben unter Ausnutzung der Zwei-Photonen-Absorption fertigen. Das Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme in Mainz plant damit, aufwändige, mehrstufige Lithographieverfahren in Kombination mit anschließender Metallisierung zu ersetzen. Laser zur Bearbeitung von Keramiken hatten 2019 Forscher von der University of California in San Diego im Blick. Mit ihrer neuen Laserschweißtechnik ließen sich Keramiken schnell und sicher miteinander verbinden. Die Methode beruht auf schnell getakteten, kurzen Laserpulsen und passend dazu gewählten keramischen Werkstoffen.
Schneller Rechnen mit Licht
Auch die Quantenphotonik und die Entwicklung von photonischen Schaltkreisen machte 2019 einige Fortschritte. So gelang es an der Uni Oldenburg, Schlüsselbausteine der Quantenphotonik auf einen einzelnen Chip zu integrieren und damit die Bündelung zweier einzelner Photonen zu demonstrieren. Den ersten kaskadierbaren, volloptischen Transistor für den Betrieb bei Zimmertemperatur realisierte ein Team des IBM Research Lab in Zürich gemeinsam mit internationalen Partnern. Mit einem organischen halbleitenden Polymer wurde eine Mikroresonator entwickelt, in dem ein Laserstrahl ein- und ausgeschaltet oder durch einen anderen Laserstrahl verstärkt werden konnte. Eine neuartige Schnittstelle aus photonischen Kristallen entwickelten Forscher der Uni Münster, um Lichtquellen für einzelne Photonen mit nanophotonischen Netzwerken zu verbinden. Der Ansatz soll in naher Zukunft integrierte quantenoptische Schaltkreise, gebündelt auf einzelnen Chips, ermöglichen.
Leuchtende Moleküle
Leuchtdioden, die ein angenehmes warmweißes Licht aussenden, könnten durch neue Substanzen effizienter werden. Im Rahmen des EU-Projekts EuroLED wurde ein rot emittierender nanoskaliger Leuchtstoff aus Europium entdeckt, der ein sehr enges Emissionsband aufweist. Dieses Licht ist für das menschliche Auge bis zu dreimal stärker sichtbar ist als das Licht der bisher genutzten roten Leuchtstoffe. Auch Flächenleuchten aus organischen Leuchtdioden wurden im vergangenen Jahr optimiert, beispielsweise am MPI für Polymerforschung in Mainz. Der OLED-Prototyp besteht nur aus einer einzigen Schicht, die über zwei Elektroden mit Strom versorgt wird. Das vereinfacht die Herstellung von OLEDs und ebnet den Weg für druckbare Displays. Intensiveres Weißlicht aus OLEDs ermöglichten Forscher der TU Dresden. Mit symmetrisch aufgebauten Nanostrukturen verbesserten sie die Effizienz und die winkelabhängige Abstrahlcharakteristik von weißen OLEDs deutlich und steigerten die externe Quanteneffizienz auf bis zu 76,3 Prozent. Keine Lichtquelle, sondern verblüffende Farbeffekte erzielten Forscher der Pennsylvania State University mit farblosen Tropfen. Mit einer bisher unbekannten Variante von Interferenzfarben erzeugten farblose Tropfen auf einer Oberfläche je nach Form und Einfallswinkel des Lichts kräftige Farbeindrücke von blau über grün bis gelb und rot. Mögliche Anwendungen sehen die Wissenschaftler in Sensoren oder Farbdisplays.
Im Bereich der photonischen Grundlagenforschung fällt ein verblüffendes Experiment von Physikern in Rostock. Sie konstruierten spezielle Wellenleiter, in denen Lichtteilchen ein Verhalten wie W- oder Z-Bosonen zeigten. Die Wechselwirkung von Lichtteilchen könnte – ganz ohne Teilchenbeschleuniger – für Analysen von Elementarteilchen genutzt werden. Auch völlig neue Schaltelemente für einen Quantencomputer halten die Forscher für vorstellbar. An der ETH Zürich zeigten Kurzzeit-Analysen zeitabhängige Aspekte des Impuls-Transfers während der Photoionisation. Die Forscher untersuchten den Fall hoher Laserintensitäten, bei denen mehrere Photonen am Ionisationsprozess beteiligt sind, und bestimmten, wie viel Impuls in Richtung der Laserausbreitung übertragen wurde. Und schließlich erzeugte ein Forscherteam am National Institute of Standards and Technology in Boulder die allerersten Lichtpulse mit einem „inneren Drehmoment“. Dieses auf Berechnungen von Physikern der Uni Salamanca in Spanien beruhende Grundlagen-Experiment mit Drehimpuls tragenden OAM-Moden – orbital angular momentum – könnte zu Anwendungen in so unterschiedlichen Gebieten wie Lichtpinzetten, quantenoptischer Verschränkung oder Telekommunikation führen.
Jan Oliver Löfken
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