Linksherum oder rechtsherum?
Modifizierte Feynman-Diagramme zur Beschreibung von Molekülen in Flüssigkeiten.
Feynman-Diagramme sind ein leistungsstarkes Werkzeug in der Physik der kondensierten Materie. Die Methode, die hochkomplexe Gleichungen in einfache Diagramme umwandelt, hat sich als eines der wirkungsvollsten Werkzeuge in der theoretischen Physik etabliert. Giacomo Bighin, ein Postdoc in der Forschungsgruppe von Mikhail Lemeshko am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), hat die Technik nun erweitert: War sie ursprünglich für subatomare Teilchen, also sehr einfache Teilchen, konzipiert, so kann sie nun auch auf weitaus komplexere Objekte, nämlich Moleküle, angewendet werden.
Die neue Arbeit soll die Beschreibung von Molekülrotationen in Lösungen drastisch vereinfachen. Dies bringt die Wissenschaftler ihrem langfristigen Ziel, chemische Reaktionen in Lösungsmitteln auf mikroskopischer Ebene zu verstehen und möglicherweise zu steuern, einen Schritt näher. „Moleküle sind ständig in Drehung, und wie sie miteinander wechselwirken, hängt von ihrer relativen Orientierung ab. Treffen sie ein anderes Molekül mit dem einem Ende, so hat das einen anderen Effekt, als wenn sie es mit dem anderen Ende treffen“, erklärt Mikhail Lemeshko.
In Experimenten mit molekularen Gasen ist es bereits gelungen, die Orientierung von Molekülen und damit ihre chemischen Reaktionen zu kontrollieren, dasselbe auch in Lösungsmitteln zu tun, ist aber schwierig. Dies ist das langfristige Ziel, auf das Mikhail Lemeshko und seine Gruppe Schritt für Schritt hinarbeiten. Der Schritt, den sie gerade erfolgreich getan haben, besteht darin, die Rotation eines Moleküls in einer Lösung besser beschreiben zu können. Dies stellt eine Voraussetzung für die Kontrolle der Reaktionen in dieser Umgebung dar.
Die Übertragung der Methode war alles andere als einfach. „Feynman-Diagramme funktionieren für strukturlose Teilchen wie zum Beispiel Elektronen. Strukturlos bedeutet, dass sie von Rotationen nicht verändert werden: Dreht man ein Elektron, sieht es genauso aus wie zuvor. Moleküle dagegen sind komplexer und können sich drehen und ihre Orientierung im Raum verändern“, erklärt Giacomo Bighin. Um die Methode von Elektronen auf Moleküle zu übertragen, musste er einen neuen Formalismus entwickeln.
Zuvor war nicht bekannt, ob die Methode für Moleküle überhaupt funktionieren würde, und ihre Anpassung dauerte mehr als ein Jahr. Nun ist der Formalismus für den Einsatz in chemischen Problemen bereit. „Wir erwarten, dass Leute mit einem molekularen Hintergrund sehen werden, dass es jetzt möglich geworden ist, Moleküle auf diese Weise zu untersuchen. Die Methode liefert extrem präzise Ergebnisse in der Physik der kondensierten Materie und hat das Potential, die gleiche Genauigkeit auch in molekularen Simulationen zu erreichen “, fügt Lemeshko hinzu.
IST Austria / DE
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
G. Bighin et al.: Diagrammatic Monte Carlo Approach to Angular Momentum in Quantum Many-Particle Systems, Phys. Rev. Lett. 121, 165301 (2018); DOI: 10.1103/PhysRevLett.121.165301 - Theoretische atomare, molekulare und optische Physik (M. Lemeshko), Institute of Science and Technology Austria, Klosterneuburg