Lithium aus dem Erdwärmekraftwerk
Neues Verfahren kann Lithium aus den Tiefengewässern des Oberrheingrabens gewinnen.
Ob Netzspeicher, Elektromobilität oder tragbare Elektronik – Lithiumionen-Akkus sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Für die Produktion werden jedes Jahr Millionen Tonnen Lithium gefördert – bislang allerdings fernab von Deutschland. Eine Erfindung aus dem Karlsruher Institut für Technologie KIT könnte nun aber auch hierzulande einen wirtschaftlichen Abbau ermöglichen. Lithium soll dabei minimalinvasiv in Geothermieanlagen aus den Tiefengewässern des Oberrheingrabens gefördert werden.
Gelöst in salzigen Thermalwasserreservoiren des Oberrheingrabens befinden sich beträchtliche Mengen des Elements Lithium. „Nach unseren Kenntnissen können es bis zu 200 Milligramm pro Liter sein“, sagt Geowissenschaftler Jens Grimmer vom KIT-Institut für Angewandte Geowissenschaften: „Wenn wir dieses Potenzial konsequent nutzen, dann könnten wir in Deutschland einen erheblichen Teil unseres Bedarfs decken.“ Aktuell ist Deutschland ein Nettoimporteur des begehrten Rohstoffs, der vor allem für die Produktion von Batteriezellen für Elektrofahrzeuge benötigt wird und somit für das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung von großer Bedeutung ist. Importiert wird aus den typischen Förderländern Chile, Argentinien und Australien, die mehr als achtzig Prozent der weltweiten Produktion auf sich vereinen.
Was eine Nutzung der heimischen Reserven bislang verhinderte, war das Fehlen eines geeigneten Verfahrens, um diese Ressource kostengünstig, umweltschonend und nachhaltig zu erschließen. Gemeinsam mit seiner Kollegin Florencia Saravia von der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) am Engler-Bunte-Institut (EBI) hat Grimmer ein solches Verfahren entwickelt und dieses wurde nun zum Patent angemeldet. „Dabei werden in einem ersten Schritt die Lithiumionen aus dem Thermalwasser herausgefiltert und in einem zweiten Schritt weiter konzentriert, bis Lithium als Salz ausgefällt werden kann“, so Grimmer.
Gegenüber den traditionellen Methoden der Lithiumproduktion aus den südamerikanischen Salzseen und den australischen Festgesteinen bietet das Grimmer-Saravia-Verfahren einige entscheidende Vorteile: Genutzt wird die bestehende Infrastruktur von Geothermie-Anlagen, durch die pro Jahr bis zu zwei Milliarden Liter Thermalwasser strömen. Im Gegensatz zum klassischen Bergbau fällt deshalb kaum Abraum an und der Flächenverbrauch ist minimal. Weil das Thermalwasser nach Gebrauch wieder in den Untergrund zurückgeleitet wird, werden keine schädlichen Stoffe freigesetzt und auch die geothermische Strom- und Wärmeproduktion wird nicht gestört. Lithium kann im Thermalwasserzyklus der Geothermieanlage kontinuierlich innerhalb von Stunden extrahiert werden, wohingegen die Anreicherung in den südamerikanischen Salzseen mehrere Monate dauert und stark wetterabhängig ist. Ein stärkerer Regen kann die dortige Produktion um Wochen oder gar Monate zurückwerfen. Darüber hinaus bietet das Verfahren die Möglichkeit, weitere seltene und werthaltige Elemente wie Rubidium oder Cäsium aus dem Thermalwasser zu extrahieren, die beispielsweise in der Laser- und Vakuumtechnologie benötigt werden.
Da die technisch-energetischen Möglichkeiten einer Geothermie-Anlage genutzt werden, hebt sich dieses Verfahren auch in der CO2-Bilanz sehr positiv von den tradierten Verfahren ab. „Wir exportieren viele Umweltprobleme in Drittländer, um unseren Lebensstandard aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Mit diesem Verfahren können wir unserer Verantwortung gerecht werden und wichtige Rohstoffe für moderne Technologien umweltverträglich vor der eigenen Haustür gewinnen“, sagt Saravia. „Darüber hinaus können wir regionale Wertschöpfungsketten aufbauen, Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig geopolitische Abhängigkeiten reduzieren.“
Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie sind die beiden Wissenschaftler nun dabei eine Testanlage zur Lithium-Gewinnung zu entwickeln. In diesem ersten Prototypen, der in einer Geothermieanlage im Oberrheingraben aufgebaut werden soll, werden zunächst einige Kilogramm Lithiumkarbonat bzw. Lithiumhydroxid gewonnen. Wenn die Versuche erfolgreich sind, ist der Bau einer Großanlage geplant. Möglich wäre dann eine Produktion von mehreren hundert Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr pro Geothermie-Anlage. Nach aktueller Datenlage belaufen sich die Potenziale im Oberrheingraben auf deutscher und französischer Seite auf mehrere tausend Tonnen an förderbarem Lithium pro Jahr.
KIT / JOL