24.01.2008

Lorentz-Invarianz mit kosmischer Strahlung getestet

Messungen am Pierre Auger Observatorium geben Aufschluss über Photoneneigenschaften auf der Planck-Skala.



Messungen am Pierre Auger Observatorium geben Aufschluss über Photoneneigenschaften auf der Planck-Skala.

Der Ursprung der kosmischen Strahlung ist eines der großen, noch ungelösten Rätsel der Astrophysik. Die auf die Erde prasselnden Teilchen – meist Protonen und Atomkerne, aber auch Photonen – haben ungeheuer hohe Energien. So hatte man in den 1990er Jahren mit Detektoren in den USA und Japan Teilchenenergien von 10 20 eV gemessen. Das entspricht der kinetischen Energie eines 10 g schweren Hagelkorns, das mit 100 km/h herabfällt. Diese Teilchenenergien, die millionenfach größer sind als die mit Teilchenbeschleunigern erreichbaren Energien, sind noch weit von der Planck-Energie (10 19 GeV) entfernt. Da die kosmische Strahlung aber viele Millionen Lichtjahre zu uns unterwegs ist, könnte sich an ihr der Einfluss der Quantengravitation bemerkbar machen, z. B. dadurch dass die Lorentz-Invarianz gebrochen ist. Das haben zwei Physiker aus Italien und Deutschland anhand der Daten des Pierre Auger Observatoriums überprüft.

Das Pierre Auger Cosmic Ray Observatory liegt in der Argentinischen Pampa Amarilla und erstreckt sich über eine Fläche von 3000 km 2. Die Einschläge der kosmischen Teilchen werden von 1600 Detektoren und 24 Teleskopen registriert. Wenn ein Teilchen mit hoher Energie in die Erdatmosphäre eintritt, löst es eine Lawine von Sekundärteilchen und Photonen aus, die mehrere Dutzend Kilometer lang ist und sich durch ein schwaches Leuchten verrät. Beim Einschlag der Sekundärteilchen in die Detektoren am Boden, werden ihre Energien und Ankunftszeiten gemessen. Daraus lässt sich der Teilchenschauer und schließlich auch die Energie und Flugrichtung des kosmischen Teilchens rekonstruieren. Auf diese Weise hat die Auger-Kollaboration kürzlich herausgefunden, dass die kosmischen Teilchen meist von aktiven Galaxien kommen, die bis zu 250 Mio. Lichtjahre entfernt sein können. In den Zentren dieser Galaxien befinden sich supermassive Schwarze Löcher, die die Teilchen auf hohe Energie bringen.

Die höchsten Energien, die man bisher für Photonen in der kosmischen Strahlung beobachtet hat, liegen bei nur 10 14 eV. Dank der hohen Empfindlichkeit des Auger Observatoriums kann man bei höheren Energien relativ enge Obergrenzen für den Photonengehalt der kosmischen Strahlung angeben. So sollte sie bei 10 19 eV höchstens 2 % Photonen enthalten, bei 10 20 eV höchsten 40 %. (Die mit der Energie zunehmende Unsicherheit liegt daran, dass entsprechende „Ereignisse“ äußerst selten sind.) Aus diesen Obergrenzen ziehen Matteo Galaverni von der Universität Ferrara und Günter Sigl von der Universität Hamburg weitreichende Schlüsse. Dass nicht mehr hochenergetische Photonen in der kosmischen Strahlung enthalten sind, liegt daran, dass sie auf ihrem Weg durchs Weltall durch Paarerzeugungsprozesse verloren gehen. Wenn ein Photon mit über 10 15 eV auf ein Photon der kosmischen Hintergrundstrahlung trifft, reicht ihre Gesamtenergie aus, um ein Elektron-Positron-Paar zu erzeugen. Photonen mit Energien von mehr als 10 19 eV gehen durch Paarerzeugung schon nach wenigen Millionen Lichtjahren verloren. Die Vorhersagen der Theorie für den Photonengehalt der kosmischen Strahlung stimmen gut mit den Auger-Beobachtungen überein.

Wenn aber die Eigenschaften hochenergetischer Photonen aufgrund der Quantengravitation auf der Planck-Skala modifiziert sind, dann könnte das Auswirkungen auf die Paarerzeugung haben und dadurch den erwarteten Photonengehalt der kosmischen Strahlung messbar verändern. Matteo Galaverni und Günter Sigl haben nun angenommen, dass die übliche Energie-Impuls-Beziehung für Photonen E = cp (oder in der Schreibweise der Teilchenphysiker: ω = k), Korrekturen auf der Planck-Skala aufweist: ω 2 = k 2 + a n k 2 (k/M pl) n. Dabei kann n die Werte 1 oder 2 annehmen. In beiden Fällen haben die Photonen eine energieabhängige Geschwindigkeit, und die Lorentz-Invarianz ist verletzt. Wie die Berechnungen der beiden Physiker zeigen, kann die modifizierte „Dispersionsrelation“ der hochenergetischen Photonen dazu führen, dass bei Kollision mit den Hintergrundphotonen keine Paarerzeugung mehr stattfindet, weil andernfalls die Energie-Impuls-Erhaltung verletzt würde. Setzt man jedoch voraus, dass es weiterhin zur Paarerzeugung kommt, so erhält man enge Grenzen für die Werte der in der Dispersionsrelation vorkommenden Größen a 1 und a 2. Schon wenn der Betrag von a 1 größer als 10 –14 ist oder a 2 kleiner als –10 –6 ist, wäre die Paarerzeugung merklich unterdrückt und die kosmische Strahlung enthielte Photonen von 10 19 eV in merklicher Menge. Da dies nicht der Fall zu sein scheint, kann man selbst diese winzigen Verletzungen der Lorentz-Invarianz auf der Planck-Skala ausschließen.

Rainer Scharf

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