29.05.2013

Magnetar schaltet einen Gang herunter

Unerwartete Abbremsung der Rotationsgeschwindigkeit wohl durch nukleare Supraflüssigkeit im Innern bedingt.

Neutronensterne gehören mit außergewöhnlicher Gravitation, Dichte und Magnetfeldstärke zu den extremsten kosmischen Objekten. In einer Kugel von rund zwanzig Kilometern Durchmesser konzentriert sich dort die anderthalb- bis dreifache Masse der Sonne in Form von zehnfach verdichteter Kernmaterie. Die äußere Kruste von einem Kilometer Dicke besteht wahrscheinlich aus Eisenkernen, die wie in einem Kristallgitter angeordnet und von einem Elektronensee durchdrungen sind. In größerer Tiefe geht die Materie vor allem in entartete Neutronen über. Auf zwanzig Neutronen kommen nur noch ein Proton und ein Elektron. Trotz der hohen Temperaturen von um die 100 Millionen Kelvin können Neutronen sich dort ähnlich wie Cooperpaare in einen gemeinsamen Quantenzustand begeben. Dadurch entsteht eine Supraflüssigkeit.

Abb.: Ein Pulsar vereinigt die anderthalb- bis dreifache Sonnenmasse in einer Kugel, deren Durchmesser nicht größer als Manhattan ist, wie in dieser Illustration zu sehen. (Bild: NASA)

Von Neutronensternen ist bekannt, dass ihre Rotationsgeschwindigkeit sich stetig verlangsamt, da sie aufgrund ihrer starken Strahlung Drehimpuls abgeben. Hin und wieder beschleunigt ihre Rotation sich aber wieder leicht. Der Grund hierfür liegt in der Supraflüssigkeit in ihrem Inneren, die wie ein Schwungrad die Rotationsenergie speichert. Wenn die Kruste und die Supraflüssigkeit sich wieder synchronisieren, erhöht dies die Drehgeschwindigkeit.

Astronomen um Victoria Kaspi von der McGill University in Montreal haben nun aber mit Hilfe des Weltraumteleskops Swift genau den entgegen gesetzten Effekt bei einem Magnetar nachgewiesen, der sich in der Milchstraße in rund 10.000 Lichtjahren Entfernung befindet. Magnetare sind Neutronensterne mit einem besonders starken Magnetfeld, das die üblichen Feldstärken von 108 Tesla noch um einen Faktor 1000 übersteigt. Sie senden starke Röntgen- und Gammastrahlung aus und neigen hin und wieder zu Ausbrüchen, wenn Magnetfeld oder Kruste sich neu orientieren. Man vermutet, dass zehn Prozent aller Neutronensterne Magnetare sind.

Der untersuchte Magnetar vollführte eine Änderung seines Pulsprofils, die mit einer deutlich erhöhten Strahlung im Röntgen- und Gammabereich einherging. Die Astronomen modellierten das Pulsprofil auf zwei verschiedene Weisen, ohne statistisch das eine oder andere Modell bevorzugen zu können. Deutlich sichtbar war allerdings bei beiden Modellen eine oder zwei schnelle Bremsphasen, bei denen sich die sieben Sekunden dauernde Rotation des Magnetars insgesamt um etwa eine drittel Millionstel Sekunden verlangsamte. Dies steht im Gegensatz zu den bislang bekannten „glitches“, bei denen sich die Drehung beschleunigt. Außerdem konnten die Forscher eine Erhöhung der Abnahmegeschwindigkeit der Rotation feststellen.

Die Erklärung für den nun beobachteten „Anti-Glitch“ könnte in externen oder internen Ursachen liegen. Die Astronomen untersuchten deshalb unter anderem mit dem Expanded Very Large Array, ob in der Nähe des Magnetars neue Materie aufgetaucht war. Dies hätte für externe Effekte, wie etwa durch Emission von Teilchen, gesprochen. Die Suche blieb jedoch erfolglos. Die Astronomen vermuten deshalb, dass unerwartete Umstrukturierungen von Wirbeln im supraflüssigen Innern des Magnetars für die Abbremsung verantwortlich sind. Nach Ansicht der Forscher müssen die gegenwärtigen Theorien zu Glitches von Neutronensternen neu überdacht werden.

Dirk Eidemüller

PH

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