Magnete im richtigen Lichte betrachten
Messmethode zur Untersuchung magnetischer Materialien im weichen Röntgenbereich in einem Laserlabor realisiert
Um magnetischen Materialien ihre Geheimnisse zu entlocken, bedarf es der passenden Beleuchtung. Durch den magnetischen Röntgenzirkulardichroismus ist es möglich, die magnetische Ordnung in Nanostrukturen zu entschlüsseln und dabei unterschiedlichen Schichten oder einzelnen chemischen Elementen zuzuordnen. Forschern am Max-Born-Institut in Berlin ist es gelungen, diese einzigartige Messmethode im weichen Röntgenbereich in einem Laserlabor zu realisieren. Dadurch können erstmals viele technologisch relevante Fragestellungen auch außerhalb von Großforschungsanlagen untersucht werden.
Magnetische Nanostrukturen sind Teil unseres Alltags, etwa in Form von schnellen und kompakten Datenspeichern oder hoch sensiblen Sensoren. Einen großen Beitrag zum Verständnis vieler der relevanten magnetischen Effekte und Funktionalitäten liefert dabei eine besondere Messmethode: der magnetische Röntgenzirkulardichroismus, englische X-ray Magnetic Circular Dichroism, kurz XMCD. Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein fundamentaler Effekt der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie: In einem ferromagnetischem Material gibt es ein Ungleichgewicht an Elektronen mit einem Spin. Scheint man zirkular polarisiertes Licht, welches ebenfalls einen definierten Spin hat, durch einen Ferromagneten, kann man einen deutlichen Unterschied in der Transmission für eine parallele oder antiparallele Ausrichtung der beiden Spins beobachten – einen Dichroismus.
Dieser Zirkulardichroismus magnetischen Ursprungs ist im Bereich weicher Röntgenstrahlung für die elementspezifischen Absorptionskanten von Übergangsmetallen, wie Eisen, Nickel oder Kobalt, sowie von Seltenen Erden, wie Dysprosium oder Gadolinium, besonders stark ausgeprägt. Gerade diese Elemente sind für die technische Nutzung magnetischer Effekte besonders wichtig. Der XMCD-Effekt erlaubt dabei das magnetische Moment der jeweiligen Elemente auch in verdeckten Lagen in einem Material sehr genau zu bestimmen, ohne das Probensystem zu beschädigen.
Werden zudem sehr kurze Röntgenpulse mit zirkularer Polarisation verwendet, können sogar ultraschnelle Magnetisierungsprozesse auf Femto- oder Pikosekundenskala verfolgt werden. Leider war der Zugang zu der dafür benötigten Röntgenstrahlung bis jetzt nur an wissenschaftlichen Großgeräten, wie Synchrotronstrahlungsquellen oder Freien-Elektronen-Lasern, möglich und dadurch stark limitiert.
Dem Team um Daniel Schick ist es nun erstmals gelungen, XMCD-Experimente an den L-Absorptionskanten von Eisen bei einer Photonenenergie von etwa 700 eV in einem Laserlabor zu realisieren. Als Röntgenlichtquelle diente dabei eine lasergetriebene Plasmaquelle, bei der sehr kurze und intensive optische Laserpulse auf einen Zylinder aus Wolfram fokussiert werden. Das erzeugte Plasma strahlt dabei sehr viel Licht im relevanten Spektralbereich kontinuierlich von 200 bis 2000 eV mit einer Pulsdauer von weniger als zehn Pikosekunden ab. Aufgrund des stochastischen Erzeugungsprozesses im Plasma ist jedoch eine sehr wichtige Voraussetzung zur Beobachtung vom XMCD nicht gegeben – die Polarisation des Röntgenlichts ist nicht wie erforderlich zirkular, sondern völlig zufällig.
Daher nutzten die Forscher einen Trick: Das Röntgenlicht passiert zuerst einen magnetischen Polarisationsfilter in dem derselbe XMCD-Effekt, wie oben beschrieben, wirkt. Durch die polarisationsabhängige, dichroitische Transmission kann so nämlich auch ein Ungleichgewicht an Photonen mit parallelen oder antiparallelen Spin relativ zur Magnetisierung des Filters erzeugt werden. Das nach Durchtritt durch den Polarisationsfilter teilweise zirkular oder elliptisch polarisierte Röntgenlicht kann anschließend für das eigentliche XMCD-Experiment an einer magnetischen Probe genutzt werden.
Die Studie des Teams zeigt dabei, dass laserbasierte Röntgenquellen immer weiter zu Strahlungsquellen an wissenschaftlichen Großgeräten aufschließen. „Unser Konzept zur Erzeugung zirkular polarisierter Weichröntgenstrahlung ist nicht nur sehr flexibel einsetzbar, sondern aufgrund der Breitbandigkeit unserer Lichtquelle auch herkömmlichen Methoden in der XMCD-Spektroskopie teilweise überlegen“, sagt Martin Borchert vom MBI. Insbesondere eröffnet die bereits nachgewiesene Pulsdauer der erzeugten Röntgenpulse von nur wenigen Pikosekunden viele Möglichkeiten, um auch sehr schnelle, etwa durch ultrakurze Lichtblitze ausgelöste, Magnetisierungsprozesse zu beobachten und letztendlich im Detail zu verstehen.
MBI / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Borchert et al.: X-ray magnetic circular dichroism spectroscopy at the Fe L edges with a picosecond laser-driven plasma source, Optica 10, 450 (2023); DOI: 10.1364/OPTICA.480221 - Complex Spin Structures (D. Schick), Transient Electronic Structure and Nanophysics, Max-Born-Institut im Forschungsverbund Berlin e. V.