30.01.2018

Magnetisch laufen, krabbeln, rollen

Kleinstroboter aus Silikon ahmt Bewegungen von Käfern, Quallen und Raupen nach.

Winzige Roboter brauchen künftig keinen Hindernis­parcours mehr zu scheuen. Denn Wissen­schaftler des Max-Planck-Instituts für Intel­ligente Systeme in Stuttgart haben einen winzigen bieg­samen Roboter entwickelt, der viel­fältige Bewegungs­formen beherrscht: Sein magne­tischer Antrieb erlaubt es ihm, durch unweg­sames Terrain zu laufen, zu krabbeln und zu rollen. Außerdem kann er kleine Lasten trans­portieren sowie auf und in Flüssig­keit schwimmen. Winzige Roboter, die sich auf diese Weise fort­bewegen, könnten künftig einmal gezielt Medi­kamente dorthin befördern, wo sie gebraucht werden.

Abb.: Problemlos durch einen Hindernisparcours: Der Kleinstroboter geht, kriecht, schwimmt, klettert eine Stufe hoch und springt durch eine komplexe Umgebung. (Bild: MPI Intell. Syst.)

Es ist die Beweg­lichkeit, die den Milli­roboter aus­zeichnet. Das winzige Vehikel, ein gerade einmal vier Milli­meter langer Streifen elas­tischen Silikons, lässt sich in ver­schiedenen Fortbewegungs­arten betreiben, sodass sich der Milli­roboter sogar durch eine komplexe Umgebung manö­vrieren lässt. Bis­herige Kleinst­roboter können sich dagegen nur einge­schränkt fort­bewegen, und stoßen vor allem auf unwegs­amem Terrain an ihre Grenzen. Anre­gungen für die Entwicklung des Bewegungs­talents holten sich die Forscher des Stutt­garter Max-Planck-Instituts für Intel­ligente Systeme in der Natur: „Wir schauen uns beim Bau von Robotern die Mechanik beim Bewegungs­ablauf zum Beispiel von Insekten an und lassen uns davon inspi­rieren“, sagt Metin Sitti, Direktor der Abteilung für Physische Intel­ligenz. „Das Ergebnis bei unserem Milli­roboter ist eine Mischung aus mehreren weichen Lebewesen wie Käfer­larven und Raupen, aber auch ein Sperma­tozoid und eine Qualle standen Modell.“

Die unter­schiedlichen Bewegungen kann der Roboter ausführen, weil die Wissen­schaftler in seinen weichen Silikon­körper magne­tische Partikel einge­bettet haben, und zwar so dass sich ein genau defi­niertes Profil der Magne­tisierung ergibt. So können ihn die Forscher durch ein externes Magnet­feld antreiben und steuern. Indem sie die Stärke und die Richtung des Magnet­feldes variieren, verformen sie den Silikon­streifen auf unter­schiedliche Weise. So kann der Milli­roboter einen Hindernis­parcours absol­vieren, wie er ihm auch im mensch­lichen Körper begegnen würde: Er kann auf Ober­flächen laufen oder rollen, über Hinder­nisse springen, durch enge Röhren krabbeln und auf oder in einer Flüssig­keit schwimmen. Zudem kann er Objekte greifen, trans­portieren und gezielt ablegen.

Den Milli­roboter testete Sittis Team in einer synthe­tischen Magen­attrappe und in Hühnerfleisch­gewebe, wo sich der synthe­tische Mehr­kämpfer bestens schlug. Wenn die Forscher ihn dabei nicht direkt beo­bachten konnten, verfolgten sie mit Ultra­schall, wo und wie genau der Roboter sich seinen Weg bahnte. Bis solch ein Milli­roboter in Patienten einge­setzt werden kann, sind zwar noch große Heraus­forderungen zu bewältigen: So muss er beweisen, dass er sich auch durch den mensch­lichen Körper steuern lässt. Doch die Forscher sind zuver­sichtlich, dass sie diese Hürden nehmen können.

„Uns schwebt vor, dass unser Milli­roboter eines Tages Medi­kamente dorthin trans­portiert, wo sie gebraucht werden – ähnlich einer Paket­lieferung an die Haustür“, sagt Metin Sitti. „Wir wollen ihn bei minimal­invasiven Eingriffen am Patienten einsetzen: entweder, indem der Patient den Roboter schluckt oder wir ihn durch eine kleine Öffnung in der Haut in den Körper einführen. Von dort kann sich der Roboter dann durch den Verdauungs­trakt bewegen oder durch die Blase, oder bis zum Herz – uns schweben viele Möglich­keiten vor.“

Die Forschung an mobilen Kleinst­robotern, die in der Zukunft in der Medizin zum Einsatz kommen könnten, nimmt in der Abteilung für Physische Intel­ligenz eine zentrale Rolle ein. Die Hoffnung der Max-Planck-Forschern ist groß, dass sich nicht-kabel­gebundene, mobile Roboter eines Tages in der Medizin etablieren und in der Chirurgie neue Möglich­keiten eröffnen werden. Mittels solcher Milli­roboter hätte ein Chirurg nämlich direkten Zugang und die genaue Kontrolle in Bereichen des Körpers, die er heute nur mit dem Skalpell vordringen kann. „Ohne chirur­gischen Eingriff ist es in vielen Bereichen des Körpers aktuell nicht möglich, sich Zugang zu verschaffen. Unser Ziel ist es, mit unserem weichen Milli­roboter diese Regionen nicht-invasiv erreich­bar zu machen, um eine Diagnose erstellen und eine Therapie vor­nehmen zu können,“ sagt Metin Sitti.

MPG / JOL

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