Magnetische Nanowirbel
Erstmals magnetische Vorgänge im Nanometerbereich dreidimensional aufgenommen.
Im Bereich von Nanometern geben magnetische Strukturen und ihr Verhalten Physikern immer noch Rätsel auf. Doch was auf dieser kleinen Skala geschieht, ist hoch relevant für zukünftige Technologien. Forschern des Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz ist es erstmals gelungen, magnetische Vorgänge im Nanometerbereich dreidimensional aufzunehmen. Der 3D-Film zeigt eine Vielzahl von Dynamiken im Material, darunter die Bewegung von wirbelförmigen Grenzen zwischen verschiedenen magnetischen Domänen. Die Einsichten wurden mit einer Methode erzielt, die an der Synchrotron-Lichtquelle Schweiz SLS neu entwickelt wurde. Sie könnte helfen, magnetische Datenspeicher kompakter und effizienter zu machen.
Die Forscher nutzten das Röntgenlicht der SLS und eine spezielle, dort erst vor Kurzem entwickelte, tomographische Methode, die „zeitaufgelöste ptychographische Laminographie“. Die untersuchte Probe war eine Gadolinium-Kobalt-Verbindung in Form einer runden Scheibe. „Mit unserer Methode können wir zerstörungsfrei das Material durchleuchten und aus den Daten mehrere aufeinanderfolgende 3D-Bilder der inneren magnetischen Struktur rekonstruieren“, sagt Manuel Guizar-Sicairos vom PSI. „Wir machen an jedem Messpunkt im Material die Ausrichtung des magnetischen Moments sichtbar und stellen diese dann als eine Art winzige magnetische Kompassnadel dar.“
Genau wie magnetische Späne reagieren diese Kompassnadeln auf ein externes magnetisches Feld sowie aufeinander und bilden verschachtelte Muster, die das gesamte Objekt durchziehen. Dabei bilden sich Domänen, in denen die Magnetisierung überwiegend in eine bestimmte Richtung zeigt. Die Übergänge zwischen zwei solchen Bereichen, also die Domänengrenzen, sind für Forscher besonders interessant. „Es gibt bereits Ideen, diese als Speicherbits zu nutzen, mit denen sich Daten womöglich noch enger packen ließen, als wenn man die Domänen selbst nutzt“, so Claire Donnelly vom PSI. Wie diese Domänengrenzen im Detail aussehen, lässt sich in 3D erst seit Kurzem und mit hochmodernen Bildgebungsmethoden sichtbar machen.
In ihrer neuen Studie gingen die Forscher noch einen Schritt weiter, indem sie die Bewegung sowohl von Domänen als auch von Domänengrenzen abbildeten. Die Wissenschaftler haben sieben Momentaufnahmen gemacht, deren Zeitpunkte jeweils nur eine viertelmilliardstel Sekunde auseinanderliegen. Darauf ist zu erkennen, wie eine Domänengrenze hin und her wandert. Etwas mehr als viereinalb Tage dauerte die reine Datenerhebung, die nachher diese Sequenz aus sieben Bildern ergab.
Die beobachtete Bewegung der Domänengrenze haben die Forscher selbst durch ein extern angelegtes Magnetfeld gezielt wiederholt hervorgerufen. Die Bilder sind also nicht tatsächlich im Abstand von einer viertelmilliardstel Sekunde aufgenommen worden. Stattdessen erzeugten die Forscher eine Zeitschleife aus einem sich wiederholend verändernden magnetischen Feld und nahmen darin zu verschiedenen Zeitpunkten Bilder auf – ähnlich wie Stroboskoplicht, das eine sich wiederholende Bewegung scheinbar verlangsamt.
Die Aufnahme der 3D-Bilder aus dem Inneren der Probe wiederum basiert auf einem Grundprinzip der Computertomographie. Ähnlich wie bei medizinischen CT-Scans wurden mit den Röntgenstrahlen viele Durchleuchtungsbilder der Probe nacheinander und jeweils aus leicht unterschiedlicher Richtung aufgenommen. Aus den gesammelten Daten erstellten die Forscher mittels einer selbst entwickelten Software ihre 3D-Landkarten der Magnetisierung.
„Mit dieser Methode haben wir nicht nur zeitaufgelöste 3D-Filme des Inneren eines Objekts erreicht“, so Donnelly, „sondern wir konnten in einem Magneten die Dynamik im Nanobereich abbilden. Wir haben also gezeigt, dass unsere neu entwickelte Technik tatsächlich für die Entwicklung neuer Technologie relevant ist.“ Und Guizar-Sicairos ergänzt: „Unsere neue Methode ist auch für andere Materialien geeignet und könnte damit in Zukunft noch weitere nützliche Anwendungen haben.“
PSI / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
C. Donnelly et al.: Time-resolved imaging of three-dimensional nanoscale magnetization dynamics, Nat. Nanotech., online 24. Februar 2020; DOI: 10.1038/s41565-020-0649-x - FG Kohärente Röntgenstreuung, Paul-Scherrer-Institut, Villigen, Schweiz