12.05.2016

Magnetische Rekonnexion im Erdorbit

MMS-Mission mit vier Satelliten bestätigt Theorien zur Entstehung von magnetischen Stürmen.

Bei einem magnetischen Sturm schwächt sich das Erdmagnetfeld ab. Schnelle, geladene Teilchen können tiefer in die Erd­atmosphäre eindringen. Nicht nur Polar­lichter, sondern auch Störungen der Kommunikation zu Satelliten und in Funknetzen auf der Erde treten dann auf. Die Ursache liegt in der magnetischen Rekonnexion von zwei Magnet­feldern. Theoretisch konnte man dieses Phänomen bereits beschreiben. Doch nun gelang es einer inter­nationalen Forscher­gruppe erstmals, die magnetische Rekonnexion am Rande des Erd­magnet­felds im Rahmen der MMS-Mission (Magneto­spheric Multiscale Mission) direkt zu messen.

Abb.: Die vier MMS-Satelliten auf ihrem Weg am Rande des Erdmagnetfelds (künstlerische Illustration; Bild: SRI)

„Der Rand des Erdmagnetfelds ist ein exzellentes Labor, da es der einzige Ort ist, wo ein Satellit direkt durch eine Region mit magnetischer Rekonnexion fliegen kann“, sagt Marc Swisdak von der University of Maryland. Er gehört zum Forscher­team, das die Messungen der MMS-Mission verantwortet und auswertet. Bei der Mission umkreisen vier 1360 Kilogramm schwere Satelliten, gestartet zwischen März und September vergangenen Jahres, die Erde auf Bahnen zwischen 2.500 und 70.000 Kilometer Höhe. Sie fliegen in einer pyramiden­förmigen Formation und bleiben auf relativ geringen Abständen zwischen 10 und 400 Kilometern zueinander.

Am 16. Oktober 2015 traf das ersehnte Ereignis ein. Die Satelliten durchflogen eine Zone, in der das Erd­magnet­feld auf das solare Magnet­feld mit entgegen­gesetzer Ausrichtung der Feldlinien traf. In Folge setze eine extrem schnelle Reaktion ein, bei sich die Feld­linien vereinen mussten. Bei dieser magnetischen Rekonnexion übertrugen sich große Mengen magnetischer Energie auf Protonen und Elektronen. Die MMS-Messungen zeigten nun erstmals dank sehr kurzer Mess­intervalle von nur 30 Millisekunden Dauer, dass Elektronen mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Kilometern pro Sekunde aus dieser Reaktionszone heraus­geschleudert wurden. Durch das Erdmagnetfeld geleitet fliegen die Elektronen dann auf mäandernden Bahnen Richtung Erde.

Abb.: Treffen zwei Magnetfelder aufeinander (gestrichelte Kästen), kommt es zu magnetischen Rekonnexion, der Ursache für einen magnetischen Sturm. (Bild: J. Burch)

„Diese Daten werden klar von den Theorien gestützt“, sagt Jonathan Eastwood vom Imperial College London, der ebenfalls an dieser Mission beteiligt war. Doch einige Messungen weichten von den Erwartungen ab und werfen neue Fragen zur Dynamik des Prozesses auf. Diese wollen die Forscher nun mit weiteren Messungen und Anpassungen der Theorien klären. Als Ergebnis könnte ein besseres Verständnis zur Erklärung des Weltraumwetters, verursacht durch magnetische Rekonnexion, stehen.

Im Lauf der MMS-Mission wird es dazu bald Gelegenheit geben. Denn laut Plan sollen die Satelliten in der zweiten Phase bis auf eine Flugbahn in 150.000 Kilometer Höhe ansteigen. Dann besteht die Chance, die magnetische Rekonnexion zweier Magnet­felder nicht nur auf der sonnen­zugewandten Tag­seite, sondern auch auf der abgewandten Nacht­seite zu untersuchen. Diese Prozesse sollen sogar noch dynamischer verlaufen als die bisher gemessenen. Laut Missions­plan könnten diese Messungen schon im kommenden Jahr beginnen.

Von den Erkenntnissen könnten viele Forschungs­bereiche betroffen sein. Denn magnetische Rekonnexion mit seiner Umwandlung von magnetischer Energie in Bewegungs­energie spielt auch bei den Eruptionen auf der Sonne eine zentrale Rolle. „Eine Rekonnexion tritt aber auch in Tokomaks, den Fusions­reaktoren, auf“, sagt James Burch vom feder­führenden Southwest Research Institute in San Antonio. Seine Hoffnung: Durch die neuen Erkenntnisse vom Rand des Erdmagnet­felds könnten unerwünschte Schwankungen der Elektronen­temperatur in Fusions­reaktoren erklärt und für einen Dauer­betrieb von zukünftigen Fusions­reaktoren vermieden werden.

Jan Oliver Löfken

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