Magnetischer Supraleiter - supraleitender Magnet
Herkömmliche Supraleiter versuchen, Magnetfeldlinien aus ihrem Innern herauszudrängen. In Zer-Kobalt-Indium dagegen kooperieren Supraleitung und Magnetismus.
Magnetischer Supraleiter – supraleitender Magnet
In Zer-Kobalt-Indium kooperieren Supraleitung und Magnetismus.
Supraleitung und Magnetismus sind feindliche Geschwister. Herkömmliche Supraleiter versuchen, die Magnetfeldlinien aus ihrem Innern herauszudrängen. Gelingt ihnen das nicht, so umgeben sie die Feldlinienbündel mit Ringströmen und schirmen sie dadurch ab – oder der supraleitende Zustand bricht zusammen. Bei unkonventionellen Supraleitern weicht die Feindschaft einer Hassliebe. So entwickelt sich die Hochtemperatursupraleitung aus einem antiferromagnetischen Zustand heraus, während bei den Schwere-Fermionen-Supraleitern der Magnetismus hilft, die Elektronen zu Cooper-Paaren zu verbinden. Jetzt berichtet ein internationales Forscherteam um Michel Kenzelmann vom Paul Scherrer Institut, dass in CeCoIn5 die Supraleitung und der Magnetismus kooperieren.
Beim Schwere-Fermionen-Metall CeCoIn5 wechselwirken die magnetischen Momente der Leitungselektronen mit denen der lokalisierten f-Elektronen der Cer-Atome. Dabei nimmt die effektive Masse der Leitungselektronen um mehrere Größenordnungen zu, die dadurch zu „schweren Fermionen“ werden. Kühlt man CeCoIn5 auf 2,3 K ab, so wird es supraleitend. Wie bei anderen Schwere-Fermionen-Supraleitern werden die Leitungselektronen auch beim CeCoIn5 vermutlich durch magnetische Fluktuation zu Cooper-Paaren verbunden – und nicht durch Gitterschwingungen wie bei herkömmlichen Supraleitern.
Selbst unter den exotischen Schwere-Fermionen-Supraleitern sticht CeCoIn5 hervor, wie die Forscher in einer Anfang 2008 veröffentlichten Arbeit zeigten. Sie hatten einen Einkristall dieses Materials durch Abkühlung supraleitend gemacht und dann einem starken Magnetfeld ausgesetzt. Wie erwartet, bildeten sich Wirbelströme, die die Feldlinien abschirmten. Doch Neutronenstreuexperimente zeigten, dass die Wirbel zudem magnetische Dipolmomente enthielten, die umso stärker wurden, je stärker das Magnetfeld war. Die Forscher erklärten dies damit, dass im normalleitenden Kern eines jeden Wirbels die Spins der schweren Fermionen polarisiert worden waren. Jetzt hat sich gezeigt, dass diese magnetische Ordnung der Spins nicht auf die normalleitenden Wirbelkerne beschränkt ist.
Dazu kühlten die Forscher einen supraleitenden CeCoIn5-Einkristall, der sich in einem ca. 11 Tesla starken Magnetfeld befand, auf weniger als 0,3 K ab. Der Kristall durchlief dabei einen Phasenübergang zweiter Ordnung und ging in eine neue supraleitende Phase über, von der man schon früher vermutet hatte, dass sie die von Fulde, Ferrell, Larkin und Ovchinnikov (FFLO) vorgeschlagenen supraleitenden Phase sein könnte. In der FFLO-Phase bricht der supraleitende Zustand die Translationsinvarianz und die Cooper-Paare zeigen eine räumlich periodische Struktur. Kenzelmann und seine Kollegen haben sich die neue supraleitende „Q-Phase“ des CeCoIn5, die nur für starke Magnetfelder knapp unterhalb der kritischen Feldstärke von ca. 11,5 Tesla existiert, mit Neutronenstreuung genauer angeschaut.
Das Ergebnis war überraschend: Der Supraleiter zeigte starke magnetische Bragg-Peaks – er war also offenbar magnetisch geordnet. Die magnetische Ordnung war mit einem Wellenvektor Q = (0,44; 0,44; 0,5) moduliert. Aus der Breite der Bragg-Peaks schlossen die Forscher, dass sich die magnetische Ordnung eine Korrelationslänge von mehr als 60 nm hatte. Da die normalleitenden Wirbelkerne im Supraleiter aber nur 10 nm Durchmesser hatten, musste die magnetische Ordnung somit auch in den supraleitenden Teil des Einkristalls hineinreichen.
Wurde der Kristall wieder abgekühlt, sodass er aus der Q-Phase in die „normale“ supraleitende Phase zurückkehrte, so verschwanden die Bragg-Peaks genau am Phasenübergang, der anhand der Änderung der spezifischen Wärme identifiziert wurde. Die in der Q-Phase gefundene magnetische Ordnung trat auch nicht in der normalleitenden Phase auf, in die der supraleitende Kristall für Magnetfelder oberhalb von 11,5 Tesla überging. Die Supraleitung war also eine wichtige Voraussetzung für die magnetische Ordnung. Umgekehrt spielt der Magnetismus vermutlich eine wichtige Rolle beim Zustandekommen dieser Art von Supraleitung. Supraleitung und Magnetismus kooperieren hier also statt zu konkurrieren. Ob in der Q-Phase tatsächlich der lang gesuchte der FFLO-Zustand vorliegt, ist indes fraglich. Während die räumliche Modulation des FFLO-Zustands vom Magnetfeld abhängen sollte, ist die gemessene Modulation der Q-Phase feldunabhängig.
Rainer Scharf