Magnetisches Gummi
Neues Kompositmaterial ermöglicht komplexe Bewegungen wie Greifen, Kriechen und Springen.
Lichtpulse, Wärme, elektrische Felder – Viele Materialien reagieren auf eine äußere Stimulation, um gezielt ihre Form zu ändern. Für die Entwicklung kleiner Roboter wurden aus diesen bereits schwingende Flossen oder sich selbst zusammenfaltende Origami-Strukturen gefertigt. Am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge ging nun die Forschergrupper um Xuanhe Zhao einen Schritt weiter. Sie entwickelte ein Kompositmaterial aus Silikongummi und magnetischen Mikropartikeln, mit dem deutlich komplexere Bewegungen möglich wurden. Strukturiert mit einem 3D-Drucker entstand so eine neue Klasse weicher Roboter, die durch magnetische Felder gesteuert kontrolliert zugreifen, springen, rollen und kriechen konnten.
Abb.: Prototyp eines weichen, sternförmigen Magnetroboters aus dem 3D-Drucker. In der flexiblen Gummimischung werden magnetische, gezielt ausgerichtete Mikropartikel von einem äußeren Magnetfeld entweder angezogen oder abgestoßen. (Bild: F. Frankel / MIT)
Zhao und Kollegen fanden ein Rezept für eine ausgeklügelte Materialmischung, das vorwiegend aus Silikongummi und Mikropartikeln aus einer ferromagnetischen Neodym-Eisen-Bor-Legierung bestand. In die flüssige, noch nicht polymerisierte Kunststoffsubstanz mischten die Forscher die etwa fünf Mikrometer durchmessenden Metallteilchen, die insgesamt einen Volumenanteil von gut 20 Prozent einnahmen. Ein weiterer, geringer Zusatz von 20 bis 30 Nanometer kleinen Siliziumdioxid-Partikel verbesserte die Fließeigenschaften dieser Materialmischung. Darauf wurden mit starken Magnetpulsen von bis zu 2,7 Tesla die Metallpartikel vorab magnetisiert.
Im folgenden Schritt füllten die Forscher diese Flüssigkeit in einen 3D-Drucker. Sie konnte durch feine, konische Düsen mit Durchmessern zwischen 200 und 410 Mikrometern in zuvor bestimmte Bereiche auf eine Unterlage fein dosiert gespritzt werden. Um die Druckerdüse herum montierten die Forscher einen Elektromagneten. Mit dessen Magnetfeld von 50 bis einigen hundert Millitesla Stärke ließen sich während des Druckvorgangs die magnetischen Mikropartikel exakt ausrichten. Nach der einstündigen, vernetzenden Polymerisierung des gedruckten Silikonmasse bei 120 Grad Celsius bildeten die Mikropartikel genau definierte Areale mit jeweils unterschiedlich ausgerichteter magnetischer Polarisierung.
Mit diesem Druckverfahren fertigten die Wissenschaftler teils flache, teils aus mehreren Druckschichten aufgebaute, dreidimensionale Prototypen aus dem magnetischen Gummi. Je nach Ausrichtung der Mikropartikel wurden einzelne Bereiche dieser Strukturen von einem externen Magnetfeld angezogen oder abgestoßen. „Mit unserer neuen Methode können wir weiche Materialien drucken, die sich mit Magnetfeldern schnell, reversibel und schnurlos zu komplexen, dreidimensionalen Strukturen verformen lassen“, sagt Xuanhe Zhao.
Abb.: Das magnetische Kompositmaterial ermöglicht zahlreiche über Magnetfelder gesteuerte Objekte, die komplexe Bewegungen ausführen können. (Video: MIT)
So enstand eine Vielzahl magnetisch steuerbarer Gummi-Roboter: Eine sternförmige, flache Folie etwa griff binnen Bruchteilen einer Sekunde eine rollende Kugel auf, eine dreidimensionale Wabenstruktur zog sich ebensoschnell zusammen. Mit rotierenden Magnetfeldern brachte Zhao einen anderen gedruckten Prototyp – vergleichbar mit einem Seestern mit sechs Armen – zum Kriechen, ein weiterer Gummiroboter vollführte bei raschen Wechseln des Magnetfelds und angetrieben von den Rückstellkräfte des gedehnten Gummis kleine Sprünge.
Die Forscher designten ihre Prototypen mit unterschiedlichen ausgerichteten, magnetischen Bereichen mit einer speziellen Software. „Im Unterschied zu früheren Methoden können wir magnetische Polaritäten direkt in komplexen 3D-Strukturen erzeugen“, sagt Zhao. Dadurch ließen sich die mit einem externen Magnetfeld angeregten Bewegungen der gesamten gedruckten Struktur exakt planen. Dieser neue Ansatz für die Fertigung magnetisch kontrollierbarer Strukturen könnte zu zahlreichen Anwendungen führen. Dazu zählen etwa magnetische, weiche Greifarme für Roboter, flexibel bewegliche Elektronikmodule mit integrierten Sensoren und Leuchtdioden oder auch schnurlos steuerbare Instrumente in der Medizintechnik.
Jan Oliver Löfken
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