Magnetismus im Weyl-Halbmetall
Großer anomaler Hall-Effekt in quasi-zweidimensionaler Kristallstruktur.
Topologische Ordnung dient der Klassifizierung von Materialien anhand ihrer Quantenstruktur, welche zu der Entdeckung von bisher unentdeckten physikalischen Eigenschaften führt. Diese Effekte treten verstärkt in Materialien auf, die aus schweren Elementen wie Bismut oder Zinn bestehen, wo relativistische Effekte eine Rolle spielen. Neben der traditionellen Einordnung in Isolatoren und Metalle, führt dies zu Materialklassen wie triviale and topologischen Isolatoren sowie zu trivialen, Weyl- und Dirac-Halbmetallen. Die topologischen Weyl- und Dirac-Halbmetalle sind durch lineare, sich kreuzende Energie-Impuls Beziehungen für Ladungsträger gekennzeichnet, die folglich als masselose Ladungsträger beschrieben werden können, so wie man sie schon vom Graphen kennt. Deren Eigenschaften lassen sich etwa im elektrischen Stromfluss durch diese Materialien nachweisen. Dafür müssen sich die Kreuzungspunkte nahe der Fermi-Energie befinden, die für die Eigenschaften des Materials verantwortlich ist.
Abb.: Weyl-Halbmetall mit aufgehobener Zeitumkehrsymmetrie: Rote und blaue Kugeln kennzeichnen ein Paar von Weyl-Punkten mit gegenläufiger Händigkeit, die durch das intrinsische magnetische Moment erzeugt werden. Die gelbe Kurve ist der Fermi-Bogen, der durch die Weyl-Punkte begrenzt wird. (Bild: MPI CPfS)
Bisher wurden topologische Effekte nur in nichtmagnetischen Materialien beobachtet. Dabei kann man diese aufgrund des Magnetismus in magnetischen Materialien noch häufiger erwarten als in nichtmagnetischen Materialien. Das liegt im Zusammenspiel zwischen Symmetrie, relativistischen Effekten und der magnetischen Struktur, was prinzipiell eine breite Variation von topologischen Phasen ermöglicht. Mehr noch, die Topologie kann über die Berry-Krümmung regelrecht designt werden. Die Berry-Krümmung ist ein mathematischer Begriff, der die quantenmechanische Verschränkung des Valenzbandes mit dem Leitungsband beschreibt. Ein prominentes Beispiel ist die Kreuzung des s-Leitungsbandes mit dem p-Valenzband, wie man es in Bismut-Verbindungen als inertes Elektronenpaar kennt. Beispiele für kürzlich beobachtete Eigenschaften in Weyl-Halbmetallen sind die chirale Quantenanomalie, welche für den Pionen Zerfall in der Hochenergiephysik formuliert wurde, und die gravitationelle Anomalie aus der Astrophysik.
Um die Weyl-Kreuzungspunkte in der elektronischen Struktur von Halbmetallen zu beobachten, benötigt man normalerweise eine Symmetriebrechung in der Anordnung von Atomen im Kristall. Magnetismus hat dieselbe Konsequenz. Bisher konnte kein magnetisches Weyl-Halbmetall mit Kreuzungspunkten nahe der Fermi-Energie experimentell nachgewiesen werden. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe haben nun in Kooperation mit der TU Dresden und anderen internationalen Forschungseinrichtungen eine Evidenz für Weyl-Physik in dem magnetischen Shandit Co3Sn2S2 gefunden.
Das wesentliche atomare Strukturelement der Familie der Shandite sind quasi zweidimensionale Kagome Netze. Co3Sn2S2 ist die spannendste Verbindung mit der höchsten magnetischen Übergangstemperatur, in der die magnetischen Momente senkrecht zur Kagome-Ebene ausgerichtet sind. Diese Eigenschaften sind nach heutiger Erkenntnis eine gute Voraussetzung für interessante Quanteneffekte in magnetischen Materialien wie den Quantenanomalen Hall (QAH) Effekt, der 2013 bei sehr tiefen Temperaturen entdeckt wurde.
Die Realisierung des QAH-Effekts bei Raumtemperatur würde neue Konzepte für Quantencomputer ermöglichen. Die neue Strategie zur Realisierung eines QAH-Effekts ist die Suche nach quasi-zweidimensionalen magnetischen Materialien mit topologischen Bandstrukturen nahe der Fermi-Energie und deren Herstellung als dünne Filme oder in atomaren Monolagen. Die Messung des Hall-Winkels neben den magnetischen Eigenschaften ist ein erster wichtiger Schritt zur experimentellen Identifizierung guter Kandidaten. Die Bedingungen sind in Co3Sn2S2 und auch in der Heusler-Legierung Co2MnGa weitgehend erfüllt. Co2MnGa hat die höhere magnetische Übergangstemperatur, ist aber eher ein Metall als ein Halbmetall.
Co3Sn2S2 weist einen solchen großen anomalen Hall-Effekt und einen großen Hall-Winkel bis zu 150 K auf. Entsprechend finden sich Weyl-Kreuzungspunkte nahe der Fermi-Energie. Zusätzlich konnte auch die chirale Anomalie als experimentelle Signatur eines Weyl-Halbmetalls nachgewiesen werden. Die Forscher konnten damit einen klaren Weg zum QAH bei höheren Temperaturen in einer neuen Familie von topologischen Magneten aufzeigen.
MPG CPfS / JOL