06.08.2018

Magnetismus im Weyl-Halbmetall

Großer anomaler Hall-Effekt in quasi-zweidimen­sionaler Kristall­struktur.

Topo­logische Ordnung dient der Klassi­fizierung von Materialien anhand ihrer Quanten­struktur, welche zu der Entdeckung von bisher unent­deckten physi­kalischen Eigen­schaften führt. Diese Effekte treten verstärkt in Materialien auf, die aus schweren Elementen wie Bismut oder Zinn bestehen, wo rela­tivistische Effekte eine Rolle spielen. Neben der tradi­tionellen Einordnung in Isolatoren und Metalle, führt dies zu Material­klassen wie triviale and topo­logischen Isolatoren sowie zu trivialen, Weyl- und Dirac-Halbmetallen. Die topo­logischen Weyl- und Dirac-Halbmetalle sind durch lineare, sich kreuzende Energie-Impuls Beziehungen für Ladungsträger gekenn­zeichnet, die folglich als masse­lose Ladungs­träger beschrieben werden können, so wie man sie schon vom Graphen kennt. Deren Eigen­schaften lassen sich etwa im elek­trischen Stromfluss durch diese Materialien nachweisen. Dafür müssen sich die Kreuzungs­punkte nahe der Fermi-Energie befinden, die für die Eigen­schaften des Materials verantwortlich ist.

Abb.: Weyl-Halbmetall mit aufgehobener Zeitumkehrsymmetrie: Rote und blaue Kugeln kennzeichnen ein Paar von Weyl-Punkten mit gegenläufiger Händigkeit, die durch das intrinsische magnetische Moment erzeugt werden. Die gelbe Kurve ist der Fermi-Bogen, der durch die Weyl-Punkte begrenzt wird. (Bild: MPI CPfS)

Bisher wurden topo­logische Effekte nur in nicht­magnetischen Materialien beobachtet. Dabei kann man diese aufgrund des Magne­tismus in magne­tischen Materialien noch häufiger erwarten als in nichtmagne­tischen Materialien. Das liegt im Zusammen­spiel zwischen Symmetrie, relati­vistischen Effekten und der magne­tischen Struktur, was prinzi­piell eine breite Variation von topo­logischen Phasen ermöglicht. Mehr noch, die Topo­logie kann über die Berry-Krümmung regel­recht designt werden. Die Berry-Krümmung ist ein mathe­matischer Begriff, der die quanten­mechanische Ver­schränkung des Valenz­bandes mit dem Leitungs­band beschreibt. Ein prominentes Beispiel ist die Kreuzung des s-Leitungs­bandes mit dem p-Valenzband, wie man es in Bismut-Verbin­dungen als inertes Elektronen­paar kennt. Beispiele für kürzlich beobachtete Eigen­schaften in Weyl-Halb­metallen sind die chirale Quanten­anomalie, welche für den Pionen Zerfall in der Hochenergie­physik formuliert wurde, und die gravi­tationelle Anomalie aus der Astro­physik.

Um die Weyl-Kreuzungs­punkte in der elek­tronischen Struktur von Halbmetallen zu beobachten, benötigt man normaler­weise eine Symmetrie­brechung in der Anordnung von Atomen im Kristall. Magne­tismus hat dieselbe Konsequenz. Bisher konnte kein magne­tisches Weyl-Halbmetall mit Kreuzungs­punkten nahe der Fermi-Energie experi­mentell nachge­wiesen werden. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe haben nun in Koopera­tion mit der TU Dresden und anderen inter­nationalen Forschungs­einrichtungen eine Evidenz für Weyl-Physik in dem magne­tischen Shandit Co3Sn2S2 gefunden.

Das wesentliche atomare Struktur­element der Familie der Shandite sind quasi zwei­dimensionale Kagome Netze. Co3Sn2S2 ist die spannendste Verbindung mit der höchsten magne­tischen Übergangs­temperatur, in der die magne­tischen Momente senkrecht zur Kagome-Ebene ausgerichtet sind. Diese Eigen­schaften sind nach heutiger Erkenntnis eine gute Voraussetzung für interes­sante Quanten­effekte in magne­tischen Materialien wie den Quanten­anomalen Hall (QAH) Effekt, der 2013 bei sehr tiefen Tempera­turen entdeckt wurde.

Die Realisierung des QAH-Effekts bei Raum­temperatur würde neue Konzepte für Quanten­computer ermög­lichen. Die neue Strategie zur Reali­sierung eines QAH-Effekts ist die Suche nach quasi-zweidimen­sionalen magnetischen Materialien mit topologischen Bandstrukturen nahe der Fermi-Energie und deren Herstellung als dünne Filme oder in atomaren Monolagen. Die Messung des Hall-Winkels neben den magne­tischen Eigen­schaften ist ein erster wichtiger Schritt zur experi­mentellen Identi­fizierung guter Kandidaten. Die Bedingungen sind in Co3Sn2S2 und auch in der Heusler-Legierung Co2MnGa weitgehend erfüllt. Co2MnGa hat die höhere magne­tische Übergangs­temperatur, ist aber eher ein Metall als ein Halb­metall.

Co3Sn2S2 weist einen solchen großen anomalen Hall-Effekt und einen großen Hall-Winkel bis zu 150 K auf. Entsprechend finden sich Weyl-Kreuzungs­punkte nahe der Fermi-Energie. Zusätz­lich konnte auch die chirale Anomalie als experi­mentelle Signatur eines Weyl-Halb­metalls nachge­wiesen werden. Die Forscher konnten damit einen klaren Weg zum QAH bei höheren Tempera­turen in einer neuen Familie von topo­logischen Magneten aufzeigen.

MPG CPfS / JOL

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen