03.12.2012

Magnetketten blitzschnell mit Laser schalten

Anwendungsfelder reichen von Krebstherapie bis IT.

Mit einem Laserpointer einen Magneten vom Kühlschrank zu lösen, hört sich aufs Erste unwirklich an. Doch ziemlich genau dieses Kunststück hat ein Physiker-Team der Universität Stuttgart und aus Florenz unter der Leitung von Lapo Bogani vollbracht. Den Wissenschaftlern gelang es, die Eigenschaften winziger Nanomagnetketten optisch mit Hilfe von Laserstrahlen zu beeinflussen. Dadurch entmagnetisieren sich die Moleküle nicht zufällig, sondern können blitzschnell umgepolt werden. Der so genannte Kickoff-Mechanismus soll die Anwendung von Nanomagnetketten zum Beispiel in der Krebstherapie oder den Informationstechnologie voranbringen – und könnte sogar erklären helfen, wie sich ein von außen stimulierter Meinungswechsel in sozialen Netzwerken wie Facebook verbreiten kann.

Nanomagnete sind nur einen millionsten Teil eines Millimeters groß und umfassen im Gegensatz zu konventionellen Magneten nur wenige Atome, deren Magnetismus rein molekularen Ursprungs ist. Die Eigenschaften der Winzlinge lassen sich maßgeschneidert synthetisieren, was sie theoretisch für vielerlei Anwendungen interessant macht. Daher suchen Forscher weltweit nach den Mechanismen, die die magnetischen Eigenschaften der winzigen Magnete von außen gezielt beeinflussen.

Das internationale Forscherteam aus Stuttgart und Florenz ist dieser Fragestellung theoretisch und experimentell nachgegangen. Dabei ist die Idee denkbar einfach: Mit Laserlicht von geringer Energie werden einzelne Moleküle in den geordneten magnetischen Ketten angeregt. Dadurch verringern sich deren Wechselwirkungen zu ihren direkten Nachbarn, welche sie magnetisch ausgerichtet halten. Dies führt dazu, dass sich diese Moleküle schneller umpolen können und somit der natürliche dynamische Entmagnetisierungsprozess, also die zufällige Ausrichtung der magnetischen Momente in den Ketten, schneller angestoßen wird.

Dies hat zur Folge, dass sich die Ketten unter Lichteinwirkung von magnetisch auf nichtmagnetisch optisch schalten lassen. Das diesem Entmagnetisierungsprozess zu grundlegende Modell ist weitbekannt und findet Anwendung in zahlreichen Disziplinen, die auf den ersten Blick wenig miteinander gemein haben. Das Spektrum reicht von sozialen Netzwerkdynamiken über die Ausbreitung von Informationen im Nervensystem bis hin zu chemischen Reaktionen. Die entscheidende Frage in all diesen Disziplinen ist dabei, wie man durch gezielte Stimulation die Entwicklungsgeschwindigkeiten solcher Prozesse von außen kontrollieren kann.

Der von den Stuttgarter Physikern „KickOff“ genannte Mechanismus verringert die Trägheit eines Systems gegenüber externen Stimuli und beschleunigt die Entwicklung des gesamten Systems. Dies dürfte in allen genannten Gebieten Forschungsideen für neue Mechanismen zur Beeinflussung der zeitlichen Evolution von Systemen anregen.

Möglicherweise kann das Verfahren auch zum „Triggern“ von Polymerisationsprozessen eingesetzt werden oder dazu beitragen, den schnellen Meinungswechsel in sozialen Netzwerken wie Facebook besser zu verstehen. Auch hier handelt es sich um Kettenreaktion, die man simulieren kann, indem die Wechselwirkungen der Nutzer untereinander beziffert und untersucht, wie sich eine neue Information von außen verbreitet.

U. Stuttgart / PH

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