Majorana-Fermionen als dunkle Materie?
Neue Theorie kommt ohne exotische Wechselwirkungen aus.
Etwa ein Viertel der Energie des Universums steckt in der dunklen Materie, nur fünf Prozent kommen auf die normale baryonische Materie, der Rest ist dunkle Energie. Die dunkle Materie könnte aus Majorana-Fermionen bestehen, die einen elektromagnetischen Anapol besitzen. Eine entsprechende Hypothese, die in Einklang mit den bisherigen Experimenten und Beobachtungen ist, haben jetzt Chiu Man Ho und Robert Scherrer von der Vanderbilt University veröffentlicht.
Abb.: Im Gegensatz zu den klassischen elektrischen und magnetischen Dipolfeldern (Mitte u. unten) sind in einem Anapol die magnetischen Feldlinien ringförmig geschlossen und von den elektrischen wie von einem Torus umgeben (oben; Bild: M. Smeltzer, Vanderbilt U.)
„Die meisten Modelle für die dunkle Materie nehmen an, dass sie durch exotische Kräfte wechselwirkt, denen wir im Alltag nicht begegnen“, meinte Scherrer. „Dagegen nutzt das Anapolmodell der dunklen Materie normale elektromagnetische Kräfte.“ Dadurch erscheint das Modell von Ho und Scherrer vergleichsweise einfach und entsprechend attraktiv.
Im Universum macht sich die dunkle Materie durch die Schwerkraft bemerkbar, mit der sie die sichtbare baryonische Materie in rotierenden Galaxien und Galaxienhaufen zusammenhält. Elektromagnetisch wechselwirkt sie – wenn überhaupt – nur sehr schwach, sodass sie praktisch unsichtbar ist. Die dunkle Materie kann deshalb nur aus elektrisch neutralen Teilchen bestehen. Vermutlich tragen ihre Teilchen auch kein elektrisches oder magnetisches Dipolmoment. Dafür sprechen die bisher vergebliche experimentelle Suche nach diesen Teilchen sowie der Vergleich zwischen den berechneten und den beobachteten Verteilungen der Überreste der beim Urknall entstandenen dunklen Materie.
Diese Voraussetzungen in Hinblick auf die elektromagnetischen Eigenschaften erfüllen elektrisch neutrale Majorana-Fermionen. Sie sind gleihzeitig ihre eigenen Antiteilchen und können aus Symmetriegründen keine elektrischen oder magnetischen Di- oder Multipolmomente tragen. Sie haben aber ein elektromagnetisches Anapolmoment, ihre elektrischen Feldlinien sind in einem Torus eingeschlossen.
Teilchen mit Anapolmomenten, die relativ zueinander ruhen, können nicht miteinander elektromagnetisch wechselwirken. Doch wenn sie sich gegeneinander bewegen, tritt eine Kraft auf, die mit größerer Relativgeschwindigkeit zunimmt. So lässt sich erklären, wieso die beim Urknall entstandenen Teilchen der dunklen Materie zunächst miteinander wechselwirkten und sich größtenteils gegenseitig vernichteten. Doch mit der Expansion des Universums kühlten die restlichen Teilchen ab, ihre Wechselwirkung ebenso und sie sind deshalb bis heute erhalten geblieben.
Abb.: Aufgrund der beobachteten Verteilung der dunklen Materie im Universum besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Masse mX der „dunklen“ Majorana-Fermionen und der Größe ihres Anapolmoments g. (Bild: C. M. Ho & R. J. Scherrer, Phys. Lett. B)
Das von Ho und Scherrer entwickelte Modell einer dunklen Materie aus Majorana-Fermionen mit Spin ½ und Anapolmoment macht detaillierte Vorhersagen über die Häufigkeit, mit der diese Teilchen in speziellen unterirdischen Detektoren nachweisbar sein sollten. Scherrer zieht den Schluss: „Diese Vorhersagen zeigen, dass schon bald die Existenz einer dunklen Materie mit Anapolmoment experimentell bestätigt oder ausgeschlossen werden kann.“
Rainer Scharf
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