05.10.2010

Mancher Freistoß braucht Distanz

Eine Forschergruppe hat die Flugbahn von rotierenden Kugeln untersucht und festgestellt, dass die Krümmung während des Fluges zunimmt.

Eine Forschergruppe hat die Flugbahn von rotierenden Kugeln untersucht und festgestellt, dass die Krümmung während des Fluges zunimmt.

Einem Freistoß beim Fußball geht in aller Regel ein Foulspiel voraus. Je näher vor dem Tor der angreifende Spieler von den Beinen geholt wird, desto aussichtsreicher ist die Position für so genannte Gewaltschüsse, bei denen der Ball möglichst schnell den direkten Weg zum Tor finden soll. Schüsse mit für den Torhüter überraschenden gekrümmten Flugbahnen, wie dem berühmten Tor des Brasilianers Roberto Carlos im Spiel gegen Frankreich im Jahr 1997, müssen hingegen eine ausreichend große Torentfernung haben. Dies hat kürzlich eine Gruppe französischer Physiker um Guillaume Dupeux in einem Experiment eindrucksvoll demonstriert.

Schon lange ist bekannt, dass rotierende Bälle seitlich gekrümmte Flugbahnen haben. Am deutlichsten ist dies beim Golf zu sehen. Durch die Rotation bewegt sich die eine Seite des Balls mit der durch die transversale Bewegung erzeugten Luftströmung, die andere Seite entgegengesetzt. Auf Grund der Reibung wird die oberflächennahe Luft mitgerissen. Dies führt zu unterschiedlichen Strömungsgeschwindigkeiten, was wiederum eine Druckdifferenz zur Folge hat. Die damit einhergehende Magnus-Kraft ist senkrecht zur Bewegungsrichtung und lenkt die Kugel von der geradlinigen Bahn ab.

Interessant dabei ist, dass die Krümmung der Flugbahn stark von der zurückgelegten Strecke abhängt. Dies ist ein Ergebnis der Forschergruppe, welche die Bewegung von rotierenden Kugeln untersucht hat. Dazu schossen sie kleine Plastikkugeln mit einem Durchmesser von wenigen Millimetern in ein Wasserbecken. Eine Hochgeschwindigkeitskamera nahm deren Trajektorien auf (Abbildung). Die Gruppe führte die Experimente in Wasser durch, um den Einfluss der Gravitation zu minimieren und die Ausdehnung der Trajektorie zu reduzieren.

 

 Abb.: Eine gegen den Uhrzeigersinn rotierenden Kugel, die in ein Wasserbecken geschossen wird, beschreibt eine zunehmend gekrümmte Flugbahn. (Bild: G. Dupeux et al. , New. J. Phys. 12, 093004 (2010), IOP)

Zwei Größen bestimmen die Flugbahn bei gegebenem Versuchsaufbau: die Translationsgeschwindigkeit und die Winkelgeschwindigkeit, die sich im Experiment einstellen lassen. Sobald das Kügelchen ins Wasser eindringt, nimmt die Translationsgeschwindigkeit exponentiell ab. Die Winkelgeschwindigkeit bleibt zunächst nahezu konstant.

Zu Beginn der Flugbahn ist die Krümmung konstant, die Kugel bewegt sich auf einer Kreisbahn. Dies ändert sich deutlich ab der charakteristischen Eindringtiefe, welche zentral für den Verlauf der Trajektorie ist und die Flugbahn der Kugel im Wasser in zwei Bereiche unterteilt. Die charakteristische Eindringtiefe ist proportional zum Kugelradius und hängt darüber hinaus von den Dichten von Kugel und Flüssigkeit ab. Nach dem Zurücklegen dieser charakteristischen Strecke ist die Translationsbewegung deutlich abgebremst, die Rotation ist jedoch fast unvermindert. Dadurch weicht die Bewegung von der Kreisbahn ab und beschreibt eine Spirale. Die Abweichung von der ursprünglichen Richtung nimmt exponentiell zu. Die theoretische Beschreibung der Bewegung zeigt ein Zusammenzwirbeln der Bahn um einen Punkt, der allerdings oberhalb der Wasseroberfläche liegt. Bis dahin stimmt die berechnete Kurve mit den Messwerten sehr gut überein. Die Richtungsumkehr ist im Experiment deutlich zu sehen (Abbildung). Die beiden Bereiche Kreisbahn am Anfang und Spirale am Ende gehen stetig ineinander über. In der Umgebung der charakteristischen Eindringtiefe wird die Flugbahn durch eine Überlagerung dieser beiden Kurven beschrieben.

Das zur Beschreibung der mit Kügelchen in Wasser gewonnenen Messergebnisse entwickelte Modell lässt sich auf Flugbahnen von Bällen in Luft und damit auf Sportarten wie z.B. Golf, Handball und Fußball übertragen. Damit das „Abknicken“ der Flugbahn in Erscheinung treten kann, muss eine ausreichende Flugstrecke gewährleistet sein. Beim Fußball beträgt die charakteristische „Eindringtiefe“, innerhalb welcher die Flugbahn zunächst nur leicht und gleichmäßig gekrümmt ist, 54 Meter bei einer Spielfeldlänge von etwa 100 Metern. Insofern würde bei Freistößen von der Mittellinie der überraschende Effekt der Krümmungsänderung der Flugbahn am besten zum Tragen kommen. Allerdings ist es kaum möglich, dem Ball die dafür notwendige Geschwindigkeit zu geben. Der oben erwähnte Freistoß von Roberto Carlos hatte eine Torentfernung von 35 Meter und war kraftvoll genug, um in den Bereich der charakteristische „Eindringtiefe“ zu gelangen. Hätte er aus kürzerer Distanz geschossen, wäre der Ball wohl erst hinter der Torauslinie nach links abgebogen.

Michael Hauschild

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