26.08.2015

Mann mit Methode

Vor hundert Jahren wurde der Physik-Nobelpreisträger Norman Ramsey geboren.

Norman Ramsey (1915–2011) (Foto: FNAL)

1937 bewarb sich der 22-jährige Norman Ramsey bei Isidor Rabi an der Columbia University um eine Doktorarbeit auf dem Gebiet der Molekularstrahlen. Doch Rabi riet dem jungen Physiker ab. Er habe das Gefühl, das Ganze sei ausgereizt. Alles, was Ramsey übrig bliebe, wäre viel harte Arbeit, um die Präzision ein wenig zu verbessern. Doch Ramsey versicherte, genau das habe er im Sinn.

Drei Monate später, als Ramsey sich gerade im Labor eingearbeitet hatte, erfand sein Doktorvater die allererste magnetische Resonanz-Methode, die Grundlage für die NMR-Spektroskopie und die Magnetresonanz-Tomographie in der Medizin. 1944 erhielt Rabi dafür den Physik-Nobelpreis. Ramsey, der die Methode weiter entwickelte und für zahlreiche Präzisionsmessungen in der Atom- und Molekülphysik nutzte, wurde 1989 ebenfalls mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die „Ramsey-Methode“ wird heute in Atomuhren verwendet.

Norman Ramsey wurde am 27. August 1915 in Washington geboren. Der Vater wurde als Offizier der amerikanischen Armee häufig versetzt, was dem talentierten Norman bei zwei Umzügen die Gelegenheit gab, eine Schulklasse zu überspringen. Als er mit 15 Jahren die High School abschloss, war er noch zu jung, um wie sein Vater an die West Point Militär-Akademie zu gehen. So nahm er 1931 ein Ingenieurstudium an der Columbia University in New York auf. Bald konzentrierte er sich jedoch auf die Mathematik, weil er sich von dieser fundamentalere Einsichten versprach. Als Gewinner mehrerer Mathematik-Wettbewerbe erhielt er noch vor seinem Abschluss eine Assistentenstelle.

Erst in seinem letzten Studienjahr wurde Ramsey bewusst, dass man auch die Physik, die ihn schon als Schüler interessiert hatte, zum Beruf machen konnte. So nahm er nach Abschluss seines Bachelors ein Reisestipendium für das Cavendish Laboratory in Cambridge an. Dort arbeiteten zu dieser Zeit Größen wie J. J. Thomson, Ernest Rutherford, James Chadwick, Max Born und Paul A. M. Dirac. Für seinen Betreuer Maurice Goldhaber schrieb Ramsey einen Aufsatz über Molekularstrahlen. Das förderte seine Entscheidung, 1935 nach der Rückkehr in die Vereinigten Staaten bei Isidor Rabi zu forschen.

Otto Stern und Walter Gerlach hatten 1922 erstmals Molekularstrahlen in einem inhomogenen Magnetfeld angewandt, um die von der Quantentheorie vorhergesagte Richtungsquantelung magnetischer Momente nachzuweisen. Rabi hatte die Methode 1930 kurz nach seiner Promotion bei einem Besuch in Sterns Hamburger Labor kennen gelernt und sie dann in seinem eigenen Labor weiter entwickelt. Der Fortschritt, der für seinen Doktoranden Ramsey ein neues Forschungsfeld eröffnete, bestand darin, dass er durch das Anlegen eines resonanten Wechselfeldes die Kernmomente zum Umklappen anregte und so weitaus präzisere Messungen der Energieniveaus erzielte.

„Ich hatte das Glück, die erste Doktorarbeit über magnetische Resonanz überhaupt anzufertigen. Aber zu der Zeit, als wir die Forschung begannen, war uns nicht bewusst, dass wir die chemische Analyse mit NMR vorweg nahmen, und wir sahen auch nicht die Anwendung in der Magnetresonanz-Tomographie vorher. Davon hätten wir nie geträumt“, sagte Ramsey 1995 in einem Interview. Gemeinsam mit Rabi und seinen Kollegen Jerold Zacharias und J. M. B. Kellog gelang ihm schon während seiner Doktorarbeit eine wichtige Entdeckung: das Quadrupolmoment des Deuteriums.

Norman Ramsey verbrachte anschließend ein Jahr als Postdoc an der Carnegie Institution in Washington mit Neutron-Proton- und Proton-Helium-Streuexperimenten. Im Sommer 1940 heiratete er und trat eine Stelle an University of Illinois an, wurde jedoch nach nur sechs Wochen für kriegswichtige Radarforschung an das MIT Radiation Laboratory gerufen. Seine Arbeit war die eines Ingenieurs, und diesen Zugang wählte er später auch immer wieder, wenn es darum ging, Apparate weiter zu entwickeln oder neue zu erfinden. 1943 wurde Ramsey schließlich für das Manhattan-Projekt in Los Alamos verpflichtet, wo er mithalf, den Transport der Atombombe zum Zielort zu planen.

Nach dem Krieg kehrten Rabi und Ramsey an die Columbia University zurück, um das während des Krieges verwaiste Molekularstrahllabor wieder in Betrieb zu nehmen. Es gelang ihnen, die Hyperfeinstruktur des Wasserstoffs genau zu messen. Gemeinsam brachten sie auch das Brookhaven National Laboratory auf Long Island, New York, auf den Weg. Ramsey wurde 1946 der erste Leiter des Physik-Departments.

1947 wechselte Ramsey an die Harvard University, wo er die nächsten 40 Jahre blieb. Er gründete dort sein eigenes Molekularstrahllabor. In dem Wunsch, die Genauigkeit der Messungen um einen Faktor zehn zu verbessern, konstruierte er einen zehnmal längeren Apparat. Doch musste er feststellen, dass er über die verlängerte Strecke kein genügend gleichförmiges Magnetfeld aufbauen konnte, so dass die Resonanzfrequenz variierte. Das brachte ihn schließlich auf die Idee, die hochfrequente Strahlung nur am Anfang und Ende des homogenen Magnetfelds einzustrahlen. Ramsey stellte zu seiner großen Überraschung fest, dass er auf diese Weise deutlich schärfere Signale erhielt.

Ramseys zweite wichtige Entwicklung, die noch präzisere Messungen erlaubte, war der Wasserstoff-Maser, den er mit seinem Doktoranden Daniel Kleppner realisierte. Der Maser gehört zu den wenigen Erfindungen, die er sich patentieren ließ. Aber breite Anwendung in der Radioastronomie und in GPS-Systemen fand dieser erst, als das Patent nach 14 Jahren abgelaufen war. 1980 konnte mithilfe des Masers auch erstmals der von der Relativitätstheorie vorhergesagte Einfluss der Gravitation auf die Zeitmessung bestätigt werden.

Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit engagierte sich Ramsey über viele Jahre als Wissenschaftsmanager. Er war unter anderem der erste Direktor des Harvard Zyklotrons und über 16 Jahre Präsident des Forschungsbeirats von Fermilab in Batavia, Illinois. Als wissenschaftlicher Berater der NATO (1958/59) rief er die NATO-Sommerschulen ins Leben.

Nach seiner Emeritierung im Jahr 1986 blieb er weiterhin in der Physik aktiv. Mit seiner zweiten Frau unternahm er noch im hohen Alter Trekking-Touren im Himalaya. Er starb 96-jährig im November 2011. „Ramseys Enthusiasmus und Energie waren legendär“, erinnert sich sein ehemaliger Doktorand, der Nobelpreisträger David Wineland. „Bei einem Gruppenausflug zum Strand an einem kalten, windigen Tag während meiner Zeit in der Graduiertenschule war er der einzige im Wasser – und probierte sein neues Surfboard aus.“

Anne Hardy

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