Mantel-Plumes knacken Kontinente
Magmasäulen aus dem Erdinneren lassen Kontinente bersten - allerdings nur dann, wenn die Haut der Erde schon gespannt ist.
An einigen Stellen der Erde steigt von der Grenzschicht des Erdkerns und des inneren Erdmantels über hunderte von Kilometern Material säulenartig bis unter die Erdkruste auf. Durch den Widerstand der harten Kruste gebremst, breitet sich der Materialstrom seitlich aus und nimmt die Form eines Pilzes an. Mantel-Plumes oder kurz Plumes nennen Fachleute solche Magmasäulen. Möglicherweise erzeugen Plumes nicht nur Vulkane außerhalb tektonisch aktiver Zonen, sondern sie lassen auch Kontinente zerbrechen. Als Beispiel dafür führen Wissenschaftler die Danakil-Depression, ein Tiefland im Länderdreieck Äthiopien, Eritrea und Djibouti, an. Diese „Triple Junction“ ist tektonisch und vulkanisch äußerst aktiv. Darunter steigt der Afar-Plume auf, nehmen Geologen an. Durch seine Einwirkung bildete sich ein Grabensystem, das sich in das Rote Meer, den Golf von Aden und den Afrikanischen Grabenbruch gabelt. Doch weil dieser Vorgang geologisch lange Zeiträume dauerte, ist es schwierig, die Hypothese von der kontinentbrechenden Kraft eines Plumes zu bestätigen oder zu verwerfen.
Abb.: Die Triple Junctionim Länderdreieck Äthiopien, Eritrea und Djibouti ist tektonisch und vulkanisch äußerst aktiv. Darunter steigt der Afar-Plume auf, nehmen Geologen an. (U Leeds)
Mit einem neuen Computermodell kommen nun Evgueni Burov von der Universität Paris und Taras Gerya von der ETH Zürich diesem geologischen Rätsel näher. Die beiden Forscher führten numerische Experimente durch, um die Erdoberfläche oberhalb eines Plumes dreidimensional und hochaufgelöst darzustellen. Das Resultat dieser Simulationen ist, dass die aufsteigenden Materialströme die Kraft dazu haben, Kontinente zu zerbrechen, sofern die tektonische Platte unter einer schwachen Spannung steht. „Die Kraft, welche ein Plume auf eine Platte ausübt, ist eigentlich zu klein, um sie zu zerteilen“, sagt Gerya. In Experimenten mit einfachen Modellen ließen die Forscher Plumes auf eine entspannte Platte treffen, was nicht zu ihrem Bruch führte. Es bildete sich lediglich ein kreisrunder Hügel. Modellierten die Geophysiker jedoch den gleichen Vorgang mit einer Platte, die unter schwacher Spannung stand, so brach sie auseinander und es bildeten sich ein Riss- und Grabensystem wie es auch in der Natur anzutreffen ist.
Der Vorgang ist vergleichbar mit einer gespannten Plastikfolie. Eine kleine punktförmige Kraft reicht und die Folie reißt ein. Ist die Folie hingegen entspannt, kann man sie kaum einreißen. Dieser Mechanismus ist schon früher als mögliches Erklärungsmodell für das Auseinanderbrechen von Kontinenten vorgeschlagen worden. „Wir sind die ersten, die die Wechselwirkung eines Plumes mit einer Platte unter Spannung in solch hoher Auflösung modellieren konnten“, sagt Gerya. Im Modell entstehen die Deformationen in einem – für geologische Verhältnisse – hohen Tempo. Nach nur zwei Millionen Jahren können sich Grabensysteme von mehreren Kilometern Tiefe und mehr als tausend Kilometer Länge bilden. Die Vorgänge sind damit bis zu zehn Mal schneller als tektonische Prozesse wie Subduktion und fünfzig Mal schneller als beispielsweise die Alpenfaltung.
Die Idee der Mantel-Plumes ist indes nicht unumstritten. Einige Forscher bezweifeln gar deren Existenz. „Ich halte es für eher unwahrscheinlich, dass es sie nicht gibt“, sagt dazu Gerya. Wie so oft in der Geologie, insbesondere aber bei der Erforschung des Innenlebens der Erde, lassen sich weder solche Vorgänge noch die Existenz der Plumes direkt beobachten. Auch entziehen sich die langen Zeiträume, in denen sich geologische Prozesse abspielen, der Alltagserfahrung des Menschen. „Das einzige, was wir beobachten können, sind die Auswirkungen, welche die Plumes auf die Erdoberfläche und auf das Vorankommen von seismischen Wellen im Erdinneren haben.“ Deshalb sei man auf gute realistische Modelle angewiesen, welche die Prozesse im Zeitraffer durchspielen. Wie realistisch die errechneten Darstellungen sind, hängt von den verwendeten Parametern ab. In das Modell der Plume-Kontinentalplatte-Wechselwirkung eingeflossen sind beispielsweise physikalische Gesetze, Materialeigenschaften der Erdkruste wie auch Temperatur- und Druckverhältnisse. „Die Spielregeln sind uns klar“, so Gerya. „ In der Regel besitzt der Mensch aber nicht genug Intuition, um zu erkennen, wie diese miteinander wechselwirken.“
ETH / RK