18.01.2016

Maßgeschneiderter Phasenübergang

Temperatur des Phasenübergangs von Vanadiumdioxid lässt sich per Ionenbeschuss einstellen.

Im einen Moment sieht man etwas, doch im nächsten ist es plötzlich verschwunden: In Büchern und Filmen gelingt es Zauberern mühelos, einen undurchsichtigen Körper in einen transparenten zu verwandeln. Doch auch in der Realität gibt es Materialien, die dieses Kunststück dank eines Phasen­übergangs vollbringen können. Dabei wechselt ein Material abhängig von seiner Temperatur oder einem äußeren elektrischen Feld von einem transparenten in einen trüben Zustand. Jüngst ist es einem internationalen Team von Wissen­schaftlern verschiedener Forschungs­­einrichtungen – unter Beteiligung der Friedrich-Schiller-Universität Jena – gelungen, den Phasenübergang von Vanadiumdioxid so zu regulieren, dass sie die Übergangs­temperaturen präzise selbst einstellen können. Dies könnte zu neuen Arten von veränderbaren Materialien für die Optik und die Wärme­regulierung führen.

Abb.: Durch selektive Ionenbestrahlung wird die Übergangstemperatur von Vanadiumoxid in den Regionen gezielt verändert, die dem Ionenstrahl ausgesetzt sind. (Bild: J. Rensberg)

„Im Grunde wäre jedes optische Element besser, wenn es veränderlich wäre“, erklärt Mikhail Kats, Assistenzprofessor für Elektrotechnik und Technische Informatik an der University of Wisconsin-Madison. Anstatt sich auf mechanische Komponenten zu verlassen, um ein Objekt zu fokussieren, wie die Linse einer Kamera oder eines Teleskop­okulars, würde ein veränderliches Material seine wesentlichen optischen Eigenschaften auf Abruf verändern und anpassen. Die Wissenschaft weiß seit über fünfzig Jahren, dass Materialien wie Vanadium­dioxid zwischen transparentem und trübem Zustand wechseln können. Normaler­weise wechseln diese Materialien ihren Zustand jedoch nur unter ganz bestimmten Bedingungen, was den praktischen Einsatz erheblich einschränkt. „Bei den meisten dieser Materialien erfolgt die Umwandlung unter Bedingungen, die weit von der normalen Raum­temperatur entfernt sind. Somit ist es schwierig, sie in nützliche Geräte einzubauen“, erklärt Kats.

Die Wissenschaftler veränderten die Übergangs­temperatur von Vanadium­dioxid nun nicht nur von 68 Grad Celsius auf unter Raum­temperatur, sondern können diese eben auch auf jeden beliebigen Wert einstellen. Weil die optischen und strukturellen Eigenschaften auf denselben physikalischen Prinzipien beruhen, ändern sich auch die thermische und elektrische Leit­fähig­keit des Vanadium­dioxids aufgrund des Phasen­übergangs. Diese Art von Materialien könnte zum Beispiel in Wohnhäusern in „intelligenten“ Wänden oder Fenstern verbaut werden, die dann auf die jeweilige Umgebungs­temperatur reagieren. „Objekte, die so konzipiert sind, dass sie Licht bei hohen Temperaturen effizient emittieren, nicht aber bei niedrigen Temperaturen, könnten als rein passive Temperaturregler eingesetzt werden, die keinerlei externe Schaltung oder Energiequelle benötigen“, so Kats.

Bisher hatten Wissenschaftler, die die Umwandlungstemperatur von Vanadiumdioxid zu verändern versuchten, im Laufe des Prozesses stets Verunreinigungen eingebracht. Dies veränderte jedoch das gesamte Material einheitlich – das deutsch-amerikanische Team hingegen beschoss nur bestimmte Regionen des Vanadium­dioxids mit energie­reichen Ionen. Ein solcher Ionenbeschuss verursacht Schäden am Material, was normalerweise eine unbeabsichtigte Begleiterscheinung ist. Aber der mitwirkende Festkörperphysiker Carsten Ronning von der Friedrich-Schiller-Universität Jena erklärt, dass die aktuelle Entwicklung der Wissenschaftler gerade auf diesen Schäden aufbaut. „Das Großartige unseres Ansatzes ist, dass wir uns diese ‚ungewollten‘ Schäden zunutze machen“, sagt er. Die Ausrichtung des Ionenstrahls auf bestimmte Regionen der Proben ermöglichte es, Veränderungen des Materials im Nanometerbereich hervorzurufen.

„Wir können die Umwandlungstemperatur überall auf der Probe mit einer Genauigkeit von etwa zwanzig Nanometern präzise steuern“, so Ronning. „Mit dieser Methode konnten wir hocheffiziente optische Metaoberflächen schaffen, die mehrere Phasenumwandlungen gleichzeitig durchlaufen.“ Die Wissenschaftler konnten so beispielsweise einen neuen optischen Polarisator entwickeln und bauen, dessen Selektivität sich je nach Temperatur verändert.

U. Jena / DE

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