28.12.2009

Master statt Desaster?

Die Kultusministerkonferenz beschließt eine Kurskorrektur der Bologna-Reform.

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Physik Journal – Die Kultusministerkonferenz beschließt eine Kurskorrektur der Bologna-Reform.

„Kultusminister nachsitzen!“ forderten die Protestierenden, als die Kultusministerkonferenz am 10. Dezember in Bonn zusammenkam. Studierende machten dort ihrem Unmut über die nach ihrer Ansicht nachteiligen Folgen des Bologna-Prozesses Luft. Die Umstellung auf die gestuften Bachelor/Master-Studiengänge habe keinesfalls mehr, sondern weniger Mobilität gebracht, und die große Zahl von Prüfungen führten zu einer Verschulung des Studiums. „Zehn Jahre nach der Bologna-Erklärung ist kein einziges Reformziel erreicht worden“, stimmte auch Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), in den Protest der Studierenden ein. Der DHV forderte u. a., dass Bund und Länder die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen bereitstellen sollten, damit der Master und nicht der Bachelor Regelabschluss werde. Das ist ganz im Sinne der DPG, die sich zusammen mit der Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) seit langem dafür stark macht, einen freien Zugang zum Masterstudium in der Physik zu gewährleisten. Das bekräftigten DPG und KFP vor der KMK-Sitzung mit einer Erklärung zum Stand des Bologna-Prozesses in Deutschland. „Nur der Master entspricht dem hohen Ausbildungsstandard des klassischen Physik-Diploms“, betont Gerd Ulrich Nienhaus, KFP-Sprecher und im DPG-Vorstand für Bildung und wissenschaftlichen Nachwuchs zuständig.

Nach dem „Nachsitzen“ präsentierte die KMK zehn Eckpunkte zur Korrektur der „Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Master-Studiengängen“ und der „Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktsystemen und die Modularisierung“. Die Kultusminister drängen insbesondere darauf, die „intendierte Flexibilität“ bei der Akkreditierung der neuen gestuften Studiengänge auszuschöpfen. Um auf eine Gesamtregelstudienzeit von zehn Semestern zu kommen, könne die Regelstudienzeit von Bachelor-Studiengängen sechs, sieben oder acht Semester betragen, entsprechend für Master-Studiengänge vier, drei oder zwei Semester. Diese Flexibilität ist nicht neu, auch wenn in fast allen Studiengängen ein sechssemestriger Bachelor eingeführt wurde. Die Physik-Fachbereiche haben sich ganz bewusst dafür entschieden, damit im anschließenden Master-Studiengang vier Semester für die fachliche Vertiefung und eine wissenschaftliche Abschlussarbeit bleiben. Die KMK empfiehlt, „Mobilitätsfenster“ in die Studiengänge zu integrieren, die Aufenthalte an anderen Hochschulen oder Praktika ermöglichen.

Die Kultusminister möchten zudem die Prüfungsleistungen reduzieren. Da jedes Modul, das sich aus verschiedenen Lehr- und Lernformen zusammensetzen kann (Vorlesungen, Übungen, Praktika etc.), durch eine Prüfung abgeschlossen werden muss, hat sich die Prüfungsbelastung stark erhöht. Darüber stöhnen nicht nur die Studierenden, sondern auch die Hochschullehrer. DPG und KFP sehen durch eine unangemessene Verschulung insbesondere die Gesamtschau in Gefahr, die für ein grundsätzliches Verständnis der Physik notwendig sei.

Die KMK empfiehlt daher, den Prüfungsumfang auf das „notwendige Maß“ zu beschränken. Die Vergabe von Leistungspunkten setze nicht zwingend eine Prüfung, sondern den erfolgreichen Abschluss des jeweiligen Moduls voraus. In „begründeten Fällen“ können daher auch mehrere Module mit einer Prüfung abgeschlossen werden. „Die KMK hat sich durchaus in Teilaspekten bewegt“, erkennt Gerd Ulrich Nienhaus an. Problematisch sei dabei aber, dass die KMK unscharf auf „Ausnahmefälle“ abhebe, etwa wenn es darum geht, veränderte Regelstudienzeiten oder den Zugang zum Master ohne vorherigen Bachelor zuzulassen. „Das hilft uns nicht weiter“, meint Nienhaus, „sondern birgt die Gefahr des Wildwuchses. Die Frage ist, wie weit man sich von den eigentlichen Vorgaben des Bologna-Prozesses entfernen darf, ohne die ursprünglichen Ziele zu gefährden.“ DPG und KFP bekennen sich in ihrer Erklärung klar zum Bologna-Prozess, mit dem ein „Europa des Wissens“ geschaffen werden soll. Dieser Prozess sei nicht umkehrbar, heißt es darin.

Ob sich die Eckpunkte der KMK konkretisieren lassen und ob sich die Hoffnung auf mehr Mittel für die Hochschulen erfüllt, bleibt abzuwarten. Der Bildungsgipfel von Bund und Ländern in Berlin am 16. Dezember bescherte Bundesbildungsministerin Annette Schavan immerhin zusätzliche 750 Millionen Euro im Etat für Forschung und Bildung. Zweifelhaft ist, ob das den Hochschulen zugute kommt. Weitere Milliarden, die Bundeskanzlerin Angela Merkel in Aussicht gestellt hat, erscheinen fraglich angesichts der von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble angekündigten Rekordneuverschuldung.

Alexander Pawlak

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