Materie am Limit
Im Innern von Neutronensternen existiert Materie mit der höchst möglichen Dichte. Mit Theorie und Beobachtungen versuchen Forscher ihre exotische Natur zu ergründen.
Neutronensterne entstehen, wenn ein massereicher Stern seinen „Brennstoff“ im Innern verbraucht hat und die Kernfusion aussetzt. Dann kollabiert der zentrale Teil zum Neutronenstern. Gleichzeitig wird die äußere Hülle abgestoßen und leuchtet als Supernova auf.
Neutronensterne sind die kompaktesten bekannten Himmelskörper. Sie überleben gerade noch am Rande des finalen Kollapses in ein Schwarzes Loch. Die spannende Frage ist, wie die zusammengequetschte Materie in ihrem Inneren beschaffen sein muss, um noch ausreichend Gegendruck gegen die Gravitation aufzubringen. Die verschiedenen theoretischen Modelle für die Art der Materie hängen davon ab, welche maximale Masse Neutronensterne haben können.
Die meisten bekannten Neutronensterne besitzen etwa 1,4 Sonnenmassen und Radien von 10 bis 15 km. In den letzten Jahren wurden zwei Neutronensterne mit rund zwei Sonnenmassen entdeckt. Sollten noch massereichere Körper bis 2,4 Sonnenmassen gefunden werden, so würde das eine Reihe theoretischer Vorstellungen über besonders exotische Materie im Inneren der Neutronensterne stark unter Druck bringen.
Unterhalb der Oberfläche von Neutronensternen wird der Gravitationsdruck schnell so stark, dass er die Atomkerne dicht aneinander drückt. Für Neutronensternmassen im Bereich von ein bis zwei Sonnenmassen und Radien von 10 bis 15 km erhält man mittlere Dichten zwischen 1014 und 1015 g/cm³. Ein Teelöffel dieser Materie wiegt so viel wie eine Million Fernverkehrszüge! Vergleicht man diese Dichte mit der Dichte der Nukleonen, der Neutronen und Protonen, in einem Atomkern von etwa 3•1014 g/cm³, so erhält man eine gute erste Charakterisierung des Neutronensterns: Man kann ihn sich ganz grob als gigantischen Atomkern vorstellen. Allerdings ist er in seinem Inneren dichter als ein Atomkern komprimiert, zudem dominieren die Neutronen – daher der Name für diese Art von Sternenleiche.
Man kann einen Neutronenstern grob in zwei Zonen aufteilen, die Kruste und den Kern. In der Regel unterscheidet man noch zwischen der äußeren und der inneren Kruste und oft zwischen dem äußeren und dem inneren Kern. Details des Materiezustands in einem typischen Neutronenstern lassen sich heute lediglich bis in eine Tiefe von etwa 200 m bestimmen. Noch tiefer muss sich die Forschung derzeit allein auf theoretische Modelle stützen. Diese werden umso spekulativer, je tiefer es geht.
Abb.: Aufbau von Neutronensternen mit den vier wichtigsten Schichten, deren Dicke und Teilchenzusammensetzung. Die Dichteangaben gehören zu den Übergängen zwischen den Schichten.
In der äußeren Kruste bilden die Atomkerne ein Kristallgitter, das von einem Gas freier Elektronen umgeben ist. Hier ähnelt die Materie noch einem Metall. Mit zunehmender Tiefe weichen immer mehr Protonen dem wachsenden Gravitationsdruck aus, indem sie mit Elektronen zu Neutronen verschmelzen. Diese Neutronen kondensieren an den vorhandenen Atomkernen, die dadurch immer größer und exotischer werden können. Schließlich finden die neu entstehenden Neutronen keine Kerne mehr zum Anheften und bilden um die Atomkerne ein freies Neutronengas.
Dieser „Neutronentropfpunkt“ markiert den Übergang zur inneren Kruste. Die Atomkerne könnten sich zu länglichen, spaghettiförmigen Strukturen verbinden, die wiederum an Lasagne erinnernde Plattenschichten im Neutronen- und Elektronengas bilden. Diese „Pasta-Phasen“ sind aber bislang Spekulation.
Noch tiefer wird der Gravitationsdruck so groß, dass er nach Modellvorhersagen sämtliche Kernstrukturen zu einer einheitlichen Quantenflüssigkeit zerquetscht. Dominiert wird diese von Neutronen mit einer Beimischung von restlichen Protonen und Elektronen. Unter dem Druck könnte es für Elektronen auch energiesparend sein, sich in Myonen, also ihre schweren Geschwister, umzuwandeln.
Für die extremen Dichten oberhalb von 5•1014 g/cm³ existiert eine Vielzahl verschiedener theoretischer Modellvorstellungen. Diese repräsentieren die Unsicherheit über den Grundzustand der Materie bei höchst möglichen Dichten. Es gibt spekulative Modelle mit einem inneren Kern. Dieser unterscheidet sich vom äußeren Kern dadurch, dass neben Neutronen, Protonen, Elektronen und Myonen exotische Teilchen auftreten. Für diese gibt es verschiedene Vermutungen. Eine sind Hyperonen, die sich von herkömmlichen Baryonen wie Protonen und Neutronen durch eine andere Quarkzusammensetzung unterscheiden. Andere Vorstellungen gehen von freien Quarks aus, sogenannter Quarkmaterie.
Neue astronomische Beobachtungen noch schwerere Neutronensterne könnten diese Modellvielfalt einschränken. Sie erfordern eine möglichst genaue Massenbestimmung.
Über den heutigen Stand der Forschung berichtet Matthias Hempel von der Universität Basel in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit. Seinen Artikel finden Sie hier zum freien Download. Klaus Blaum, Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, kommentiert die Bedeutung kernphysikalischer Forschung für die Astrophysik. Seinen Beitrag finden Sie hier.
Im nachfolgenden Video erläutert Matthias Hempel seine Forschung.
Matthias Hempel von der Universität Basel.