10.12.2004

Mauersegler, Insekten und Tornados

Mauersegler sind Flugkünstler, weil sie Verwirbelungen an der Flügeloberkante gezielt ausnutzen. Dies fanden Forscher in Leiden heraus.




Mauersegler sind Flugkünstler, weil sie Verwirbelungen an der Flügeloberkante gezielt ausnutzen. Dies fanden Forscher in Leiden heraus.

Leiden (Niederlande) - Der Gleitflug von Störchen ließ Otto Lilienthal einst den Traum vom Fliegen träumen. Erheblich komplexer zeigten sich niederländischen Biologen nun die Flugfähigkeiten von Mauerseglern. Vergleichbar mit dem Flug von Insekten bauen sich tornadoartige Verwirbelungen über der Flügelfläche aus und geben den Vögeln Auftrieb und Stabilität. Wie Schleppen reichen diese Wirbelkanäle über die Spitzen der Flügel hinaus. Flügelform und -stellung spielen dabei eine entscheidende Rolle, erklären die Forscher in der Fachzeitschrift „Science“.

„Das bisherige Verständnis des Vogelflugs muss überarbeitet werden, denn Mauersegler nutzen ihre Flügel in unkonventioneller Weise, um Auftrieb und Luftwiderstand aufzubauen“, berichten John. J. Videler und seine Kollegen von den Universitäten in Leiden und Groningen. Je nach Strömungsverhalten bauen sich entlang der Flügeloberkante ganze Wirbelrollen auf. Ihre schnelle Rotation erzeugt einen Unterdruck und verleiht dem Vogel mehr Auftrieb als bei klassisch laminaren Strömungen. In diesen Verwirbelungen sehen die Forscher auch den Grund, warum Mauersegler fast auf der Stelle schlagartig ihre Flugrichtung ändern können, ohne Stabilität während ihres Fluges einzubüßen.

 



Abb.: Sowohl Mauersegler als auch Jagdflugzeuge stellen ihre Flügel beim Kurvenflug aus (links). Wirbelrollen an den Flügeloberkanten verleihen dabei Auftrieb und Stabilität (rechts). (Quelle: Science)


Diese Auftriebs-Wirbel waren bisher nur bei Insekten bekannt. Schnelle Flügelbewegungen und Anströmungswinkel von 25 bis 45 Grad sind dabei nötig. Bei Mauerseglern hingegen reichen Anströmungswinkel von lediglich 5 Grad aus. Möglich wurden diese Ergebnisse nun durch Strömungsmessungen eines Modellflügels in einem Wassertank. Die Strömungseigenschaften sind in diesem Versuch vergleichbar mit denen an Luft. Im Wasser fein verteilte Plastikkügelchen aus PVC können bei den Aufnahmen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera verfolgt werden und zeigen den Aufbau der Wirbel über dem Flügelmodell deutlich an (siehe weitere Infos).

In der Natur lassen sich die Auswirkungen dieser Wirbel beim Flug von Mauerseglern gut beobachten. Beim schnellen Geradeausflug führt dieser Effekt dazu, dass die Vögel ihre Flügel enger an den stromlinienförmigen Körper anlegen. Geht es plötzlich um die Ecke, werden die Flügel fast in einem rechten Winkel zur Körperachse ausgestellt. Auch Ingenieure von Überschallflugzeugen nutzen den Effekt der Wirbelrollen oberhalb der vorderen Strömungskanten von Flugzeugen. Die Jagdflieger vom Typ "Tornado" oder "F-14 Tomcat" verändern ebenfalls ihre Flügelstellung, um auf engem Raum sicher zu manövrieren (Abb.). Auch Deltaflügler wie die Concorde kommen ohne den zusätzlichen Auftrieb dieser Verwirbelungen nicht aus, da ihre Flügelfläche für den klassischen Strömungsauftrieb zu klein ist.

Mit den nun gewonnen Erkenntnissen wollen Videler und Kollegen nicht nur den Vogelflug besser verstehen, sondern auch das Flugverhalten von winzigen Flugsonden optimieren helfen. Solche ferngesteuerten Objekte interessieren vor allem die Militärs für Aufklärungszwecke in unübersichtlichem Gelände. Vielleicht lassen sich schon bald Flugsonden mit der Wendigkeit eines Mauerseglers konstruieren.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • C.P. Ellington, C. van den Berg, A. P. Willmott, A. L. R. Thomas, Nature 384, 626 (1996).  
  • M.H. Dickinson, F. O. Lehmann, S. P. Sane, Science 284, 1954 (1999).  
  • M.V. Lowson, A. J. Riley, J. Aircraft 32, 832

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