04.02.2016

Maximale Wärmeleitung für Quantencomputer

Photonischer Wärmetransport am quanten­mecha­nischen Limit über Rekord-Distanz von einem Meter.

Von Quantencomputern erwartet man besondere Fähigkeiten. Wie sich allerdings die entsprechenden Schaltungen und Quantengatter imple­men­tieren lassen, ist noch unklar. Die verschiedenen Ansätze – supra­leitende Komponenten, kalte Atome oder quanten­optische Methoden – besitzen je ihre eigenen Vorzüge und Nach­teile sowie ihre versteckten techno­logischen Hürden, die es zu über­winden gilt. So reagieren nicht nur supra­leitende Qubits empfind­lich auf Wärme und benötigen eine präzise Kühlung. Will man zudem ein Quanten­system initia­li­sieren und zum Beispiel alle Qubits auf Null setzen, so benötigt man eine Schaltung, die das effektiv und sicher umsetzen kann, ohne das Quanten­rechnen sonst zu stören.

Abb.: Aufnahme des doppelspiraligen, supraleitenden Wellenleiters mit dem Rasterelektronenmikroskop. (Bild: M. Partanen et al.)

Forschern der Aalto-Universität in Helsinki ist es nun gelungen, ein Trans­missionssystem zu entwickeln, das solche Aufgaben erfüllen könnte. Die Wissenschaftler konnten mit ihm über eine Distanz von einem Meter mit Hilfe von Mikrowellen-Photonen einen Wärmetransport realisieren, der nur knapp unter dem quantenmechanisch erlaubten Limit lag. Damit eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten für den Bau von Quantencomputern auf Basis supra­leitender Komponenten. Denn bislang waren derart gute Wärme­trans­port-Systeme auf Distanzen von weniger als einer Haaresbreite beschränkt. Mit dem neuen System lassen sich die Quantenschaltung und die dissi­pa­tiven Strukturen also wesentlich besser entkoppeln.

„In früheren Experimenten zu quantenbegrenzter Wärmeleitung hat man Phononen, Elektronen oder elektromagnetische Fluktuationen genutzt“, sagt Gruppenleiter Mikko Möttönen. Sowohl Phononen als auch Elektronen streuen aber so stark, dass die Reichweite von quantenbegrenzter Wärmeleitung sehr kurz ist. Bei Phononen liegt sie im Bereich eines Mikrometers, bei Elektronen sogar noch deutlich darunter. Elektromagnetische Fluktuationen erreichen dabei zwar deutlich größere Distanzen von etwa hundetrt Mikrometern, was noch unter der Wellenlänge der Photonen liegt. Aber auch diese Distanz ließe sich ohne die Hilfe von Wellenleitern nicht vergrößern.

Die Wissenschaftler ließen die Mikrowellen-Photonen durch einen dünnen Supraleiter laufen, den sie spiralförmig auf einem nur einen halben Millimeter dicken Silizium-Wafer aufgebracht hatten. Der Supraleiter bestand Alumium, das die Forscher mit einer wenige Nanometer dicken Titan- und Gold-Schicht überzogen hatten, um Oxidation zu vermeiden. Die Messungen führten sie bei Temperaturen von wenigen Dutzend bis hundert Millikelvin durch, die sie mit Hilfe eines Mischungskryostaten erreichten.

An den beiden Enden des einen Meter langen Aluminiumdrahtes befand sich je ein Widerstand aus normalleitendem Metall. Die Widerstände besaßen auch einen Tunnelkontakt, über den die Forscher die Temperatur auslesen und kontrollieren konnten. Dabei mussten die Widerstände mit einer geringen Impedanz an die Leitung angeschlossen werden, während ihr elektrischer Widerstand genau fünfzig Ohm betragen sollte. Die Integration dieser Komponenten stellte die Wissenschaftler vor einige Herausforderungen. „Diese Abstimmung verhindert Reflexionen von Photonen an der Schnittstelle zwischen Widerstand und Wellenleiter und ist damit entscheidend, um an die Quantengrenze für Wärmeleitung heranzukommen“, so Möttönen.

Mit diesem Aufbau konnten die Forscher den differenziellen Wärmefluss zwischen beiden Seiten des Wellenleiters bestimmen. Dank des geringen Rauschens liegt der Wert nahe am quantenmechanischen Limit für Wärme­fluss. Denn so wie die Quantenphysik eine obere Grenze für die Übertragung von Information für einen einzelnen Kanal vorgibt, gilt ähnliches auch für den Transport von Wärme.

Die Wissenschaftler bestimmten auch den Transmissionskoeffizienten in Abhängigkeit von der Frequenz. Dies ist insofern von Interesse, als über längere Strecken Verluste durch Resonanzen auftreten können, die von der Leiterplatte oder anderen Komponenten herrühren. Die Apparatur arbeitete aber mit so hoher Güte, dass solche Verluste praktisch zu vernachlässigen waren. Ein interner Qualitätsfaktor von 100 wäre für die Messungen aus­reichend gewesen. In der Tat erreichte er sogar einen Wert von 60.000. Damit wäre der photonische Wärmetransport erst bei einer Strecke von über einem Kilometer begrenzt gewesen.

Solche quantenbegrenzten Kühllösungen eignen sich nun nicht nur für den Bau von Quantencomputern mit supraleitenden Komponenten. Auch andere nanoelektronische Anwendungen könnten davon profitieren. Als nächsten Schritt wollen die Forscher ihr Transmissionssystem nun an ein Qubit anbinden und so eine integrierte Schaltung mit externer Kühlung erzeugen. Damit ließe sich der eigentliche Quantenprozessor mit seinen hohen An­for­derungen an thermale Stabilität von möglichen Störquellen entkoppeln.

Dirk Eidemüller

RK

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