Mechanischer Resonator speichert Qubits
Schwingende Mikromembran wurde perfekt quantenmechanisch kontrolliert.
Die Quanteninformationsverarbeitung, die mit Quantenbits oder Qubits statt Bits arbeitet, macht große Fortschritte. Inzwischen kann man Qubits auf einzelnen Atomen oder in speziellen Nanostrukturen speichern und verarbeiten. Der Informationsaustausch zwischen diesen Speichern findet mit „fliegenden“ Qubits in Form von optischen oder Mikrowellen-Photonen statt. Besonderes Augenmerk richtet man in letzter Zeit auf mikrometergroße mechanische Resonatoren in Form von schwingenden Balken oder Membranen. Mittels Licht hat man sie praktisch bis zu ihrem Schwingungsgrundzustand abkühlen können, sodass sie (nahezu) kein Schwingungsquant oder Phonon mehr enthielten.
Abb.: Ein künstliches Atom als Photonenquelle liefert ein Qubit, das über eine Mikrowellenleitung auf einen elektrischen Schwingkreis übergeht und schließlich von einer schwingenden Membran aufgenommen wird. (künstl. Illu.: Lehnert group & S. Burrows, JILA)
Mit solchen mechanischen Mikroresonatoren lassen sich Mikrowellen-Qubits, die etwa von supraleitenden Qubitspeichern kommen, in optische Qubits umwandeln, die dann durch Glasfasern über große Entfernungen übertragen werden können. Man könnte mit mechanischen Resonatoren aber auch Qubits abspeichern. Hier ist Wissenschaftlern um Adam Reed und Konrad Lehnert vom JILA in Boulder ein Durchbruch gelungen. Zusammen mit der Yale-Gruppe von Robert Schoelkopf haben die JILA-Forscher Qubits, die aus einer Überlagerung von 0 und 1 Mikrowellenphotonen bestanden, mit einer großen Treue oder Fidelity auf eine schwingende Membran übertragen. Dort haben sie die Qubits für über 100 µs gespeichert – eine Rekordzeit für nichtklassische Quantenzustände von mechanischen Resonatoren. Zudem haben sie das Mikrowellenfeld und die schwingende Membran quantenmechanisch verschränkt.
Dabei gingen sie folgendermaßen vor. Ein supraleitendes künstliches Atom oder Transmon, beigesteuert von der Yale-Gruppe, lieferte das Mikrowellen-Qubit, das mechanisch gespeichert werden sollte. Das Transmon übergab das Qubit an eine Mikrowellenleitung, die induktiv mit einem elektrischen Schwingkreis gekoppelt war, in dem sich der mechanische Resonator befand. Der mechanische Resonator bestand aus einem dünnen Saphirplättchen als Membran, auf das eine schneckenförmige Aluminiumschicht aufgetragen worden war. Das Plättchen war soweit abgekühlt worden, dass es nur 0,1 Schwingungsquanten enthielt und sich somit praktisch im Grundzustand befand. Über den elektrischen Schwingkreis konnte der Schwingungszustand der Membran verstärkt und abgefragt werden.
Flog nun ein Photon durch die Mikrowellenleitung, so wurde im Schwingkreis eine verstärkte elektrische Schwingung angeregt, die wiederum die Membran in mechanische Schwingungen versetzte. Passierte aber ein Qubit bestehend aus einer quantenmechanischen Überlagerung von 0 und 1 Photon die Mikrowellenleitung, so gab der elektrische Schwingkreis diesen Überlagerungszustand an den mechanischen Resonator weiter, der sich daraufhin ebenfalls in einer quantenmechanischen Überlagerung befand.
Abb.: Aufbau der Experiments zur Übertragung des Qubits auf eine schwingende Membran. (Bild: A. P. Reed & P. Blanchard)
Inwieweit die Übertragung des Qubits von der Mikrowelle auf die schwingende Membran erfolgreich war, stellten die Forscher mit Hilfe zweier Protokolle fest. Beim ersten wurde der elektrische Schwingkreis mit dem Eintreffen des Mikrowellen-Qubits für 30 µs gepumpt, sodass er dessen Zustand verstärkte und anschließend durch eine Zustandstomographie analysieren konnte. Beim zweiten Protokoll erfolgte das Pumpen zunächst nur für wenige Mikrosekunden, wodurch der Schwingkreis das Qubit „einfing“ und an die Membran weitergab. Nach einer Wartezeit von 30 µs folgte eine zweite, wieder 30 µs lange Pumpphase, die eine Verstärkung und Analyse des Quantenzustands der Membran ermöglichte.
Demnach war das Qubit mit einer Fidelity von 0,83 übertragen worden, während eine Übertragung mit klassischen Mitteln nur eine Fidelity von 2/3 gestattet. Eine Verlängerung der Wartezeiten bis zur Zustandstomographie zeigte, dass das Qubit etwa 137 µs lang vom mechanischen Resonator gespeichert werden konnte. Die Forscher glauben, dass sich diese Zeit auf etwa eine Minute verlängern lässt.
Rainer Scharf
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