04.08.2017

Mehr als bunte Bildchen

Rastersondenverfahren haben die Physik in vielfacher Weise bereichert - bis hin zu höchstauflösenden Transportmessungen am Quantenlimit.

Das 1979 von Heinrich Rohrer und Gerd Binnig entwickelte Rastertunnelmikroskop (RTM) hat der Wissenschaft die Augen für die Welt im Kleinen geöffnet. Die Möglichkeit, die Anordnung einzelner Atome auf Oberflächen zu visualisieren, sorgte für einen Boom der Nanowissenschaften. Denn Bilder sind intuitiv erfassbar, auch wenn es sich nicht um eigentliche Fotografien handelt, sondern im Fall des RTM um eine Landkarte der Tunnelstromverteilung. Erst das Verständnis des Tunneleffekts und physikalische Modellierung führen zu einem Abbild der Oberfläche.

Dem RTM folgten rasch weitere Entwicklungen, darunter das Rasterkraftmikroskop, das auch Oberflächen von Isolatoren abbilden kann, das Magnetkraftmikroskop für Bilder magnetischer Domänen sowie viele weitere Mitglieder der Familie der Rastersondenmikroskope. Die geschickte Kombination von Probeneigenschaften, Raster- und Beleuchtungsverfahren liefert inzwischen auch optische Signale mit einer Auflösung unterhalb von 20 nm. 2014 wurde das mit dem Nobelpreis für Chemie für Stefan Hell, William Moerner und Eric Betzig gewürdigt. Dies belegt eindrücklich die Vielfalt der Möglichkeiten der Rastersondenverfahren und den Reichtum der Fragestellungen, die sich damit studieren lassen.

Bunte Bildchen erzeugen ist aber längst nicht alles. Das wurde ebenfalls schon früh erkannt und machte das RTM zu einem Messgerät, mit dem man sehr tiefgehende Zusammenhänge der Physik studieren kann, bis hin zur " Granularität des Stromflusses."

Die Abbildungsfunktion des RTM beruht auf der präzisen Messung des Ladungsstroms zwischen den beiden Elektroden, die den Tunnelkontakt bilden. Seit dem Millikan-Versuch von 1910 wissen wir, dass die Elektronen eine diskrete Elementarladung tragen, seit den Kathodenstrahlexperimenten von Joseph Thomson von 1906, dass der elektrische Strom von Elektronen getragen wird. Trotzdem betrachten wir die Stromstärke gerne als kontinuierliche Messgröße und ignorieren die Diskretheit der Ladungsträger.

Diese Vereinfachung ist auch meistens zulässig. Erst verfeinerte Messmethoden stoßen auf die Granularität des Stromflusses. Ein Beispiel ist das von Walter Schottky studierte intrinsische Rauschen des Stroms. In Analogie zu einem Strom von Metallkugeln aus einem Schrotgewehr trägt es den Namen Schrotrauschen.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, einen Kondensator mit einem Elektron aufzuladen. Bereits die klassische Elektrodynamik besagt, dass dazu eine endliche Energiemenge aufgebracht werden muss, die umgekehrt proportional zur Kapazität des Kondensators ist. Macht man den Kondensator genügend klein und führt das Experiment bei hinreichend niedrigen Temperaturen durch, kann man so einzelne Elektronen durch elektrische Schaltkreise treiben. Auf diesem Konzept beruht die Einzelelektronenpumpe, die zu einer Neudefinition der Maßeinheit des Ampere führen könnte. Auch in diesem Bauelement spielen Tunnelkontakte eine entscheidende Rolle, allerdings sind sie durch feste Oxidbarrieren bestimmt.

Christian Ast vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung zeigt in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit, dass die Quantelung der Elementarladung messbare Auswirkungen auf den Tunneleffekt in einem RTM selbst hat. Die Wechselwirkung der tunnelnden Elektronen mit ihrer Umgebung, also dem Schaltkreis, aus dem sie kommen, und der Barriere, durch die sie tunneln, hinterlässt eine Spur im Tunnelstrom. Sie erlaubt es, Informationen über grundlegende Eigenschaften der Umgebung zu gewinnen. Diese Erkenntnis ist ebenfalls nicht ganz neu, denn in nanoelektronischen Schaltkreisen, wie der genannten Einzelelektronenpumpe, spielen dieselben Phänomene eine Rolle und wurden umfänglich studiert.

Neu ist jedoch eine Verfeinerung des RTM, die höchstauflösende Transportmessungen am Quantenlimit ermöglicht. Nun lässt sich die Vielfalt des RTM mit ultimativer Auflösung kombinieren. Damit können nicht nur bekannte Phänomene im Detail überprüft werden. In Zukunft könnten zudem spannende neue Effekte, die Orts- und Energieauflösung erfordern, gefunden werden.

Elke Scheer, Universität Konstanz

Dieser Essay von Elke Scheer, Physikprofessorin an der Universität Konstanz, (Online frei) kommentiert einen zweiteiligen Artikel von Christian Ast über das Tunneln am Quantenlimit, der in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit erschienen ist (nur mit Online-Abo frei einsehbar). Der zweite Teil erscheint in der September-Ausgabe.

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