22.09.2005

Mehr Galaxien als gedacht

Im frühen Universum gab es erheblich mehr Galaxien - und eine erheblich höhere Sternentstehungsrate - als bislang vermutet.




Im frühen Universum gab es erheblich mehr Galaxien - und eine erheblich höhere Sternentstehungsrate - als bislang vermutet. Das berichtet ein internationales Astronomenteam in der aktuellen Ausgabe von "Nature". Die Forscher haben im Rahmen der tiefen Durchmusterung eines ausgewählten Himmelsausschnitts insgesamt 8000 Galaxien untersucht. Darunter fanden sich 970 Galaxien mit einer Rotverschiebung größer als 1,4.

"Die Population der Galaxien mit Rotverschiebungen zwischen 1,4 und 5 ist um das 1,6- bis 6,2-fache größer als bislang angenommen", schreiben die Forscher. Dieser Rotverschiebungsbereich entspricht einer Lichtlaufzeit von neun bis zwölf Milliarden Jahren. Da das Universum nach heutigen Erkenntnissen 13,7 Milliarden Jahre alt ist, müssen die Galaxien also innerhalb weniger hundert Millionen Jahre entstanden sein.

Die Galaxien zeigen - im ihrem Ruhesystem - einen starken Exzess im ultravioletten Spektralbereich. "Das ist ein Indiz für eine hohe Sternentstehungsrate von 10 bis 100 Sonnenmassen pro Jahr", so das Team um Olivier Le Fèvre vom Laboratoire d'Astrophysique de Marseille. Damit wäre die Sternentstehungsrate zwei- bis dreimal höher als bislang angenommen

Abb.: VIMOS, der "Visible Wide Field Imager and Multi Object Spectrograph", der im Brennpunkt eines der vier Einheiten des Very Large Telescopes der ESO auf dem Paranal in Chile installiert ist. Der Spektrograph erlaubt die gleichzeitige Aufnahme von Spektren vieler Objekte in einem großen Feld. (Quelle: ESO)

Die Identifikation extrem weit entfernter Galaxien ist keine einfache Aufgabe. Denn je größer die Entfernung, desto größer die Rotverschiebung des Galaxienlichts durch die Expansion des Alls. Bedingt durch die lange Laufzeit sehen wir ferne Galaxien so, wie sie vor Jahrmilliarden aussahen: als junge Sternsysteme mit vielen neugeborenen, hellen Sternen. Doch das Licht dieser Sterne wird durch die Expansion in den roten Bereich verschoben, die ganze Galaxie erscheint dadurch rötlich. Doch auch in unserer kosmischen Nachbarschaft gibt es alte, rote Galaxien, mit denen die fernen, jungen Systeme leicht verwechselt werden können.

Die übliche Technik zum Aufspüren stark rotverschobener Galaxien macht sich die so genannte Lyman-Kante bei 912 Angström (im Ruhesystem der Galaxie) zunutze. Unterhalb dieser Wellenlänge setzt die kontinuierliche Absorption durch Wasserstoff ein und führt zu einer deutlichen Verringerung der Intensität im Spektrum. Zwar konnten mit diesem Verfahren viele Galaxien mit großer Rotverschiebung entdeckt werden, doch Le Fèvre und Kollegen stellten sich die Frage, ob die Methode nicht einen Großteil der fernen Galaxien übersieht.

Diese Vermutung bestätigte sich schließlich. Im Rahmen des VIMOS-VLT Deep Surveys (VVDS) mit dem Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte ESO wurden in einem ausgewählten, 1700 Quadratbogenminuten großen Feld im Sternbild Walfisch (Cetus) alle Galaxien gezählt und spektroskopisch nachbeobachtet, um ihre Rotverschiebung zu bestimmen. Dabei zeigte sich, dass die Anzahl der Galaxien mit Rotverschiebungen im Bereich von 1,4 bis 5 um das 1,6- bis 5-fache größer ist, als nach den bisherigen, auf der Lyman-Kanten-Methode basierenden Untersuchungen.

Eine genaue Kenntnis der Häufigkeit von Galaxien im jungen Universum, sowie der Sternentstehungsrate in diesen Galaxien bildet die Grundlage für unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung der Galaxien. Die Ergebnisse von Le Fèvre und Kollegen zeigen, dass es zu einer Zeit, als das Universum erst wenige Milliarden Jahre alt war, bereits erheblich mehr Galaxien und eine aktivere Sternenstehung gab, als bislang geglaubt. Eine Erkenntnis, die bei künftigen Modellrechnungen des frühen Kosmos zu berücksichtigen sein wird.

Rainer Kayser

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • C.C. Steidel et al, Spectroscopic confirmation of a population of normal star-forming galaxies at redshifts z > 3, Astrophysical Journal 462, L17 (1996). 
  • C.C. Steidel et al., A survey of star-forming galaxies in the 1.4 < z < 2.5 redshift desert: overview, Astrophysical Jounal 604, 534 (2004).

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