06.05.2022

Mehr Schutz für den Weltraum

Neue Studie warnt vor Weltraummüll und eine Übernutzung des erdnahen Orbits.

Die Installation riesiger Hardware-Cluster umfasst bis zu Zehntausende einzelne Satelliten, die Breitband­verbindungen für die Erde liefern. Das führt zu einer Überlastung des Weltraums, und die Raketen­starts verschmutzen darüber hinaus die Atmosphäre. Bruchstücke von zerbrochenen Satelliten, die mit enormer Geschwindigkeit durch den Weltraum fliegen, bedrohen laut der Studie auch andere Satelliten in ihrer Umlaufbahn. Ebenso stören die Satelliten, die Lichtstreifen am Himmel und damit eine signifikante Licht­verschmutzung verursachen, in zunehmendem Maße die Forschung im optischen Wellenlängen­bereich. Das Vera-C.-Rubin-Obser­vatorium in Chile, das über einen Zeitraum von zehn Jahren den Himmel vermessen soll, ist beispielsweise schon stark beein­trächtigt. Eine neue Studie zeigt nun, dass der Weltraum ein wichtiges Umfeld für die profes­sionelle Astronomie, Amateur­astronomie und indigene Völker darstellt und dass der wissenschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Nutzen des Weltraums sorgfältig gegen diese schädlichen Umwelt­auswirkungen abgewogen werden sollten.

Abb.: Die Belastung durch Weltraumschrott im Erdorbit wächst stark an. (Bild:...
Abb.: Die Belastung durch Weltraumschrott im Erdorbit wächst stark an. (Bild: ESA)

Die unter Leitung der Universität Edinburgh entstandene Forschungs­arbeit steht im Zusammenhang mit einem Rechtsfall, der derzeit vor dem US-Berufungs­gericht verhandelt wird und einen wichtigen Präzedenzfall in der wachsenden Kampagne für die Ausdehnung des Umweltschutzes auf den Weltraum darstellen wird. Die Lösung des Problems erfordert einen ganzheit­lichen Ansatz, der den Weltraum als Teil der Umwelt und als schützenswertes Gut auf nationaler und internationaler Ebene betrachtet, so die Experten. Die Forschenden fordern die politischen Entscheidungs­träger auf, die Umweltauswirkungen aller Aspekte von Satelliten­konstellationen – einschließlich ihres Starts, ihres Betriebs und ihres Wieder­eintritts aus dem Orbit – zu berück­sichtigen und zusammen an einem gemeinsamen, ethischen und nachhaltigen Ansatz für den Weltraum zu arbeiten. Andy Lawrence vom Institut für Astronomie der Universität Edinburgh sagt: „Wir stehen an einem Wendepunkt in der Geschichte. Wir können eine große Anzahl von Satelliten kostengünstig starten und sie zum Nutzen des Lebens auf der Erde einsetzen – aber das hat seinen Preis. Die Raumfahrt­industrie schadet nicht nur der Stern­beobachtung, sondern könnte sich so auch selbst ins Bein schießen.“

Lawrence machte die Öffent­lichkeit mit seinem Buch „Losing The Sky“ auf diese Probleme aufmerksam. Die Veröffent­lichung führte dazu, dass er eine Expertenaussage für einen Rechtsfall verfasste, der derzeit vor dem US-Berufungs­gericht verhandelt wird und in dem argumentiert wird, dass die US-Umwelt­vorschriften auch für die Genehmigung von Weltraum­starts gelten sollten. Michael Kramer, Präsident der Astro­nomischen Gesellschaft, weist darauf hin, dass die Vielzahl von Satelliten nicht nur optische sondern auch radio­astronomische Beobach­tungen stören. „Wir brauchen Regeln, die sicherstellen, dass unsere Kinder und Enkel immer noch in der Lage sein werden, das Wunder Sternenhimmel zu bestaunen. Schon jetzt ist es in Deutschland schwierig, diese Erfahrung zu machen. Mit den Mega-Konstellationen besteht die Gefahr, dass es überall auf der Welt unmöglich sein wird“, sagt Kramer.

„Wir glauben, dass alle Dinge miteinander verbunden sind und dass wir Verantwortung übernehmen müssen, als ob unser Leben davon abhinge. Tradi­tionelles ökologisches Wissen ist der Schlüssel zur Lösung dieses schwierigen Problems“, sagt Moriba Jah von der University of Texas in Austin. „Die größte Heraus­forderung besteht darin, Empathie und Mitgefühl für die Lösung dieser Umwelt­krisen zu wecken. Wenn es uns gelingt, innovative Wege zu finden, die es der breiten Öffentlichkeit ermöglichen, sich in diese katastrophale Situation hinein­zuversetzen und dagegen angehen zu müssen, dann wird die Erde und alles Leben, das sie erhält, dadurch gewinnen“, ergänzt er. Jah verfolgt mit Partnern einen neuartigen Ansatz zur genauen Kartierung von Objekten in der Erdum­laufbahn in nahezu Echtzeit, um die nach­haltige Nutzung des Weltraums durch eine wachsende Zahl von Betreibern zu ermöglichen.

Meredith Rawls von der Universität von Washington ist eine Hauptakteurin des neuen Zentrums der Inter­nationalen Astro­nomischen Union (IAU) für den Schutz des dunklen und ruhigen Himmels vor Störungen durch Satelliten­konstellationen, das die Interessen­gruppen für Himmels­beobachtungen zusammen­bringen soll, um gemeinsam die Auswirkungen von Satelliten zu quanti­fizieren und zu deren Abschwächung beizutragen. „Das Rubin-Obser­vatorium wird aufgrund seines großen Spiegels und seines weiten Sichtfeldes eine der am stärksten von einer großen Anzahl heller Satelliten betroffenen astro­nomischen Einrichtungen sein – das sind dieselben Eigenschaften, die es zu einem so bemerkens­werten Motor für Entdeckungen machen. Ich mache mir viele Gedanken darüber, wie sich Satelliten­streifen auf die Wissenschaft auswirken, aber das Anliegen eines dunklen und ruhigen Himmels ist sehr viel umfang­reicher. Wir müssen alle an einem Strang ziehen, um die sich rasch verändernde Satelliten­situation zu bewältigen, wenn wir hoffen wollen, eine Zukunft mit einem dunklen und ruhigen Himmel für alle zu schaffen“, sagt Rawls.

Astron. Ges. / JOL

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