Mehr sehen dank nichtlinearer Optik
Nichtlineare Abbe-Theorie entwickelt und experimentell überprüft.
Ernst Abbe hatte 1873 berechnet, dass das optische Auflösungsvermögen eines Lichtmikroskops durch die Lichtwellenlänge und den Aperturwinkel der Abbildungslinse gegeben ist. Dabei nahm er an, die Lichtwellen im Mikroskop breiten sich linear aus und beeinflussen einander nicht. Für ein optisch nichtlineares Medium muss die Abbe-Theorie jedoch modifiziert werden, wie zwei Forscher von der Princeton University nachgewiesen haben. Denn durch die Nichlinearität kann sich das Auflösungsvermögen beträchtlich erhöhen.
Abb.: Im Einklang mit der linearen Abbe-Theorie (a) werden die von einem Beugungsgitter kommenden Strahlen höherer Beugungsordnung von einer Lochblende aufgehalten, sodass das Bild keine Details zeigt. Der nichtlinearen Abbe-Theorie zufolge entstehen im optisch nichtlinearen Kristall (braun) durch Wellenmischung Tochterwellen, von denen einige die Blende passieren. Nun lässt das Bild die Gitterstruktur erkennen. (Bild: C. Barsi & J. Fleischer / NPG)
Christopher Barsi und Jason Fleischer haben eine nichtlineare Abbe-Theorie entwickelt und experimentell überprüft. Abbes Beispiel folgend berechneten sie, wie eine Linse das von einem beleuchteten Beugungsgitter kommende Licht bündelt und zu einem Bild zusammenfügt. Das Licht verlässt das Gitter divergierend in Strahlen von unterschiedlicher Beugungsordnung, die umso stärker gegen die optische Achse geneigt sind, je höher ihre Ordnung ist. Da die Linse eine endliche Öffnung hat, kann sie nur die nicht zu stark geneigten Strahlen von hinreichend kleiner Beugungsordnung fokussieren, sodass auch nur diese Strahlen zum Bild beitragen.
Nur wenn die Linse außer dem Strahl nullter Ordnung, der entlang der optischen Achse verläuft, noch zumindest die Strahlen erster Ordnung bündelt, hat das dabei entstehende Bild eine Helligkeitsverteilung, die derjenigen des beleuchteten Gitters ähnelt. Die dadurch sichtbar werdende halbe Gitterperiode ist dann gegeben durch λ / (2 sin α), mit der Lichtwellenlänge λ und dem Aperturwinkel α, unter dem die Linse vom Gitter aus gesehen erscheint. Die Intensitätsverteilung für ein beliebiges leuchtendes Objekt ergibt sich durch Fourier-Analyse aus den Intensitätsverteilungen zahlloser hypothetischer Gitter mit unterschiedlichen Gitterkonstanten.
Abbes Theorie gestattet, die Beugungsgrenze λ / (2 sin α) zu unterbieten. So können zusätzliche Informationen über die räumliche Lage der Apertur etwa eines Rastermikroskops oder über die Lichtquellen im Objekt, wie bei der Einzelmolekülfluoreszenz, das Auflösungsvermögen eines Mikroskops im Vergleich zu Abbes Beugungsgrenze erheblich verbessern. Zudem kann man mit zusätzlichen Beugungsgittern dafür sorgen, dass das normalweise von der Linse nicht erfasste Licht der höheren Beugungsordnungen doch noch zur Abbildung beiträgt und dadurch die Auflösung erhöht.
Auch mit Hilfe optisch nichtlinearer Materialien lassen sich die höheren Beugungsordnungen dazu nutzen, die Auflösung einer Abbildung zu verbessern, wie Barsi und Fleischer zeigen. Dazu haben sie mit Laserlicht von 532 nm Wellenlänge ein Objekt (ein transparentes Muster) bestrahlt und den von ihm durchgelassenen Lichtstrahl durch einen 10 mm langen photorefraktiven SBN:75-Kristall (Sr0.75Ba0.25Nb2O6) geschickt. Eine elektrische Spannung, senkrecht zur Strahlrichtung an den Kristall angelegt, machte den Brechungsindex des Kristalls lichtintensitätsabhängig. Dadurch konnten verschiedene Lichtmoden nichtlinear mischen. Anschließend wurde das Licht mit einem Referenzstrahl überlagert und von einer Linse gebündelt. Danach passierte es eine Lochblende, die sich in der Brennebene der Linse befand, und es fiel schließlich auf eine CCD-Kamera, die das Bild des Objekts aufnahm. Indem die Forscher die Spannung am Kristall ein- und ausschalteten, konnten sie die Wirkung des optisch nichtlinearen Materials auf die Abbildungseigenschaften direkt beobachten.
Zunächst zeigte es sich, dass sie Nichtlinearität die Abbildung unscharf machte. Doch die Forscher konnten mit einem von ihnen entwickelten holographischen Verfahren, das die Intensitäts- und Phaseninformation des Bildes nutzt, die störende Wirkung des nichtlinearen Kristalls herausrechnen und ein scharfes Bild erhalten, das dem „linearen“ Bild in mehrfacher Hinsicht überlegen war. Wurde z. B. vor der CCD-Kamera ein Teil des Strahlengangs blockiert, so fehlte auf dem linear erzeugten Bild ein deutlich größeres Stück als auf dem nichtlinear erzeugten. Auf dem linearen Bild eines Streifenmusters war auch die beste gemessene Sichtbarkeit mit 0,095 nicht ausreichend, während selbst die schlechteste Sichtbarkeit des nichtlinearen Bildes mit 0,32 noch gut war. Wurde die nichtlineare Wirkung des Kristalls ausgeschaltet, so konnten einige der Beugungsmoden die Lochblende nicht passieren und daher nicht zur Abbildung beitragen. Wirkte der Kristall jedoch optisch nichtlinear, so entstanden aus den kurzwelligen Beugungsmoden und langwelligeren ungebeugten Moden Tochtermoden, die gerade noch die Lochblende passieren konnten. Auf diese Weise konnte die in den Beugungsmoden enthaltene Information doch noch zur Abbildung gelangen und so die Auflösung des Bildes verbessern.
Die beiden Forscher sehen für die nichtlineare Bilderzeugung Anwendungen in der Mikroskopie, der Endoskopie, der Luftüberwachung und überall dort, wo es nicht sinnvoll ist, zur Verbesserung der Auflösung die Abbildungslinsen zu vergrößern. Noch bessere Ergebnisse versprechen sich Barsi und Fleischer, wenn man statt eines SBN:75-Kristalls photorefraktive Materialien aus Polymeren oder organischen Substanzen benutzt, deren Brechungsindex sich hundertmal stärker ändern kann als der von SBN:75. Die nichtlineare Abbe-Theorie eröffnet somit vielversprechende Aussichten.
Rainer Scharf
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