Mehr Strom speichern mit Silizium-Anoden
HZDR-Startup NorcSi entwickelt Silizium-Elektroden für Akkus mit höherer Speicherkapazität.
Eine technologische Wende bei der Herstellung von Batterien für Elektroautos könnte in ein bis zwei Jahren bereits Realität werden – davon sind Charaf Cherkouk vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf HZDR und Marcel Neubert vom Unternehmen Rovak aus Grumbach bei Dresden überzeugt. Gemeinsam mit den Rovak-Geschäftsführern, Udo Reichmann und Georg Ochlich, haben sie dazu das Startup NorcSi gegründet. Sie setzen auf Silizium, mit dem sie Graphit als Elektrodenmaterial in wiederaufladbaren Batterien ersetzen wollen. Der Einsatz von Silizium als Anodenmaterial wird in der Forschung weltweit vorangetrieben, da eine signifikante Leistungssteigerung wissenschaftlich anerkannt und technisch erprobt ist. Eine ausreichend hohe Anzahl von Lade- und Entladevorgängen wird jedoch nur im Fall einer besonderen Nanostrukturierung des Siliziums erlangt: ein Detail, das eine breite und kostengünstige Anwendung bisher verhinderte.
Voraussetzung für den Erfolg von Lithium-Ionen-Akkus war die Entdeckung der reversiblen Einlagerung von Lithium in Materialien wie Graphit, das als Material in der negativen Elektrode, der Anode, zum Einsatz kommt. Doch in den letzten 25 Jahren sind die technologischen Grenzen von kohlenstoffbasierten Materialien wie Graphit ausgereizt worden, sodass nun ein neuer Materialansatz zur Leistungssteigerung von Lithium-Ionen-Akkus notwendig wird. Silizium weist bei Raumtemperatur eine mehr als zehnfach höhere Speicherkapazität auf und ist damit dem Graphit überlegen. Die Schwierigkeit bei der Verwendung von Silizium liegt jedoch in der durch die Einlagerung einer größeren Zahl von Lithium-Ionen hervorgerufenen großen Volumenänderung des Materials.
Diese kann zu mechanischen Spannungen, Kontaktverlust und sogar zur Zerstörung der Anode führen. Die Silizium-Anode des Start-ups entsteht in einem rein physikalischen Verfahren aus Beschichtung und thermischer Behandlung mittels Blitzlampen. Dadurch wird die Siliziumstruktur verändert und das Problem der Volumenänderung gelöst. Ein industrieller Einsatz der Silizium-Anode sowie die Integration in bestehende Produktionsketten der Batteriefertigung sind innerhalb weniger Jahre geplant. Ziel ist es, dass in zwei Jahren die neuen Anoden serienmäßig in Hochleistungs-Akkus verbaut werden. „Mit unserer patentierten Technologie erreichen wir eine Steigerung der Energiedichte heutiger Lithium-Ionen-Akkus um mehr als vierzig Prozent und können so die Reichweite von Elektroautos erheblich steigern“, sagt Charaf Cherkouk, der bis zum Jahresende am Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR tätig ist. „Silizium ist ein sehr gut verfügbarer Rohstoff“, erklärt der zweite Gründer, Marcel Neubert. Er fügt hinzu: „Die Akkus werden damit nicht nur leistungsfähiger, sondern auch deutlich kostengünstiger in der Herstellung.“
Die HZDR-Ausgründung NorcSi ist der erste Transfer-Erfolg des Blitzlabs, das seit Anfang 2020 als eines von drei Helmholtz Innovation Labs am HZDR verstärkt Kooperationen und gemeinsame Forschung mit der Industrie betreibt. Rovak ist von Anfang an Industriepartner des Blitzlabs. Hier steht die ultrakurze thermische Behandlung von Materialien mit Blitzlampen- und Laserausheilung im Vordergrund. Die Technologie, bei der Werkstoffe für Nano- bis Millisekunden sehr hohen Temperaturen ausgesetzt sind, verspricht massive Energieeinsparungen und die Schaffung neuer Materialstrukturen. „Wir haben HZDR-Anteile am Patent an Rovak verkauft, können auf den ersten erfolgreichen Personaltransfer aus der Wissenschaft in eine Ausgründung verweisen und weitere gemeinsame Projekte mit dem Start-up sind bereits in Planung“, sagt Stephan Krüger, Innovationsmanager für das Blitzlab.
Bereits Anfang 2016 wurde Cherkouks Erfindung für leistungsfähige elektrochemische Energiespeicher mit Silizium gemeinsam vom HZDR und der TU Bergakademie Freiberg zum Patent angemeldet. In mehreren Förderprojekten konnte Cherkouk die Forschung an der Technologie in den vergangenen Jahren vorantreiben. Im Verbundprojekt „SiNergy“ erzielten die Forscher zuletzt signifikante Fortschritte bei der Stabilisierung von Silizium. „Gemeinsam mit Industriepartnern haben wir über zwei Jahre die Voraussetzungen für eine Serienproduktion zum Einsatz von Silizium als Anodenmaterial erarbeitet“, sagt Dirk C. Meyer, Direktor des Instituts für Experimentelle Physik in Freiberg und SiNergy-Projektleiter.
HZDR / JOL