Metallischer Wasserstoff: Neue Phase unter Hochdruck entdeckt
Bei über 325 Gigapascal häufen sich Hinweise auf Dissoziierung des Wasserstoffmoleküls.
Schon 1935 sagten Eugene Wigner und Hillard Bell Huntington eine metallische Phase für Wasserstoff voraus. Allerdings lagen sie mit ihrer Schätzung für den erforderlichen Druck von 25 Gigapascal viel zu niedrig. So lässt der experimentelle Nachweis bis heute auf sich warten. Einen Schritt näher an dieses Ziel kam nun ein Team um Philip Dalladay-Simpson von der University of Edinburgh. Die Forscher konnten bei 325 Gigapascal einen Phasenwechsel nachweisen, den sie als Vorläufer eines metallischen Zustands interpretieren.
Abb.: In einer Diamantpresszelle (rechts) wird Wasserstoff mit bis zu 388 Gigapascal zusammengepresst. Laser (links) liefern über die Raman-Spektroskopie Hinweise für eine sich bildende metallische Phase. (Bild: P. Dalladay-Simpson, E. Gregoryanz)
Wichtigstes Instrument für die Messungen war eine Diamantpresszelle wie sie sonst von Geowissenschaftlern für die Simulation extremer Drücke, die im Erdinneren herrschen, genutzt wird. Zwischen zwei Diamanten mit 15 bis 30 Mikrometern Durchmesser setzten die Wissenschaftler eine kleine Kammer aus Rheniumfolie. Das eingefüllte Wasserstoffgas konnten sie bei Raumtemperatur mit fast dem Viermillionenfachen des Atmosphärendrucks komprimieren. Für die Analyse der dabei entstandenen Wasserstoffphasen nutzten sie die Ramanspektroskopie.
Ab 325 Gigapascal verdunkelte sich der Wasserstoff und zeigte eine elektrische Leitfähigkeit. Diesen Effekt erklären Dalladay-Simpson und seine Kollegen mit der Erzeugung von leitenden Elektronen, die bei der einsetzenden Spaltung der Wasserstoffmoleküle entstehen. Belastbarere Hinweise dafür lieferten die Raman-Spektren, die nach einer Laseranregung der Probe Änderungen im Schwingungsverhalten der Moleküle zeigten. Sowohl die relative Intensität als auch die Positionen verschiedener Vibrationsmoden variierte mit zunehmenden Drücken. Diese Änderungen weisen auf eine Dissoziierung und das Entstehen atomaren Wasserstoffs hin. Diesen neuen Zustand von Wasserstoff bezeichnen die Forscher als Phase V, den Vorläufer der metallischen Phase.
Vollständig zum Metall wandelte sich der Wasserstoff in diesem Experiment allerdings noch nicht. Dazu seien nach Schätzungen der Forscher noch höhere Drücke jenseits von 400 Gigapascal nötig. Frühere Experimente legten Drücke von etwa 450 Gigapascal für diesen Phasenübergang nahe. Doch ebnet dieses Experiment nun den Weg, um das Ziel in absehbarer Zeit erreichen zu können. Am Ende dieser Arbeiten werden nicht nur vollständige Phasendiagramme von Wasserstoff unter hohen Drücken stehen. Auch für die Suche nach Supraleitern, die elektrischen Strom ohne Widerstand und möglichst bei Raumtemperatur leiten sollen, könnte diese Art der Wasserstoffforschung wichtige Hinweise liefern.
Das gleiche Ziel verfolgen auch Wissenschaftler vom MPI für Chemie in Mainz. Vor fünf Jahren setzten sie Wasserstoff ebenfalls extrem hohen Drücken von bis zu 270 Gigapascal aus. Dabei entdeckten sie zunächst einen zuvor unbekannten Zustand des Wasserstoffs: Bei Drücken von mehr als 220 GPa verhielt sich der Wasserstoff wie ein Halbleiter, ab 230 GPa erstarrte er zu einem Festkörper. Als die Forscher den Druck auf die Probe weiter erhöhten, stieg die Leitfähigkeit des Wasserstoffs allmählich, bis sie bei etwa 270 GPa auf das Tausendfache sprang. Hierin sahen die Forscher einen deutlichen Hinweis auf die metallische Phase.
Einen eindeutigen Beweis für die metallische Phase stellte dieses Experiment aber noch nicht dar. Für eine Bestätigung müssten neben der elektrischen Leitfähigkeit noch weitere für Metalle typische Eigenschaften nachgewiesen werden. Zudem halten es die Mainzer Forscher für möglich, dass Wasserstoff bei diesen Drücken nicht als metallischer Festkörper vorliegt, sondern als metallische Flüssigkeit wie Quecksilber. Diese Flüssigkeit könnte sogar suprafluid sein, also anders als herkömmliche Flüssigkeiten gänzlich ohne Reibung fließen.
Jan Oliver Löfken
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RK