Metallschäume in Zeitlupe
Computer-Tomoskopie liefert 200 Aufnahmen pro Sekunde.
Der am Helmholtz Zentrum Berlin HZB konstruierte Präzisions-Messtisch rotiert extrem präzise und mehrere hundert Male pro Sekunde um seine Achse. Das Team um Francisco García-Moreno kombinierte den Messtisch mit einer präzisen Optik und erreichte damit an der Bessy II-Beamline EDDI einen ersten Weltrekord mit gut 25 Tomographien pro Sekunde. Die Forscher haben nun gemeinsam mit der Gruppe um Marco Stampanoni am Paul-Scherrer-Institut PSI an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS einen neuen Weltrekord erzielt. Dafür bauten sie den Rotationstisch mitsamt der weiter verbesserten Optik und einer ultraschnellen Bildaufnahme und Datentransferrate am Instrument „Tomcat“ der SLS auf. „Mehr als 200 Tomographien pro Sekunde sind nun möglich und das über Messzeiten von mehreren Minuten“, sagt Garcia-Moreno. Für diese neue bildgebende Methode wurde der Begriff Tomoskopie geprägt.
„Bei jeder Tomoskopie kommen riesige Datenpakete zusammen, die mit einer extrem hohen Datenrate von acht Gigabyte pro Sekunde gespeichert werden müssen“, sagt PSI-Forscher Christian Schlepütz. Jede einzelne Tomographie muss aus den Messdaten errechnet werden. Im Anschluss werden die Bilder automatisch weiter verarbeitet, was quantitative Analysen ermöglicht. Um die mehrere Terabyte großen Datenmengen pro Experiment zu verarbeiten, hat HZB-Forscher Paul Kamm optimierte Abläufe zur Datenauswertung programmiert.
Die Wissenschaftler nutzten das neue bildgebende Verfahren, um dynamische Prozesse beim Aufschäumen von flüssigem Aluminium im Detail und mit hoher Zeitauflösung zu beobachten. Denn auf diese Weise lassen sich Prozesse bei der Schaumbildung in metallischen Schmelzen untersuchen und verstehen. Dies ist wichtig, um im später ausgehärteten Schaum eine optimale Materialverteilung und gleichmäßige Porenbildung zu erreichen, so dass er in Leichtbauanwendungen einsetzbar ist. Metallische Schäume sind eine wichtige Materialklasse für den Leichtbau und nun ein dankbares Untersuchungsobjekt für die nun entwickelte Tomoskopie. Denn das flüssige Metall ist weitgehend unempfindlich gegenüber Strahlenschäden und die hohe Aufnahmegeschwindigkeit passt sehr gut zu den schnellen Prozesse beim Aufschäumen.
Die ultraschnelle Computertomoskopie könnte auch interessante Einblicke in viele weitere Prozesse ermöglichen. Zum Beispiel ließe sich damit untersuchen, wie sich Materialien beim Laserschweißen verändern oder was passiert, wenn sich Batterien etwa durch Kurzschluss überhitzen. Die Forscher arbeiten nun daran, die Geschwindigkeit weiter zu erhöhen, um die Zeitauflösung der Messungen weiter zu steigern.
HZB / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. García-Moreno et al.: Using X-ray tomoscopy to explore the dynamics of foaming metal, Nat. Commun. 10, 3762 (2019); DOI: 10.1038/s41467-019-11521-1 - X-Ray Tomography Group, Paul Scherrer Institut, Villigen
- Angewandte Materialforschung, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie HZB, Berlin