17.10.2013

Metamaterial mit verschwindendem Brechungsindex

Schichtstapel aus Silber und Siliziumnitrid zeigen für sichtbares Licht ungewöhnliche optische Eigenschaften.

Hinreichend fein strukturierte Kompositmaterialien erscheinen dem einfallenden Licht als homogene Substanzen mit effektiven optischen Eigenschaften, wie sie natürliche Stoffe oftmals nicht aufweisen. Prominentes Beispiel für solche Metamaterialien sind „linkshändige“ Materialien mit einem negativen Brechungsindex. Jetzt haben Forscher aus den Niederlanden und den USA ein Metamaterial hergestellt, dessen Brechungs­index für bestimmte Frequenzen im Bereich des sichtbaren Lichtes nahezu verschwindet.

Abb.: Wellenlängenabhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten ε (durchgezogene Linen) für Ag und SiN, Inset: schematischer Aufbau des Metamaterials. (Bild: R. Maas et al. / NPG)

Die Wissenschaftler um Albert Polman vom Center for Nanophotonics in Amsterdam und Nader Engheta von der University of Pennsylvania in Philadelphia hatten schon Anfang dieses Jahres für Aufsehen gesorgt, als sie erstmals eine Nanostruktur präsentierten, deren Brechungs­index für sichtbares Licht nahezu Null war. Es handelte sich dabei um einen Wellenleiter mit einem Kern aus Siliziumoxid und einem Mantel aus Silber, in dem sichtbares Licht einer bestimmten Grenzfrequenz eine quasi unendlich große Phasen­geschwindig­keit νph hatte. Der Brechungs­index n = c / νph verschwand somit bei dieser Frequenz.

Allerdings konnten die Forscher damals das Licht nicht direkt in den Wellenleiter einstrahlen, sondern sie mussten es in ihm mit Hilfe eines Elektronenstrahls erzeugen. Dass tatsächlich n = 0 war, wiesen sie anhand der Winkelabhängigkeit der Intensität des vom Wellenleiter abgegebenen Lichtes. Daraus ließ sich nämlich ersehen, dass die Phase der Lichtwelle im Wellenleiter nahezu konstant war, wie man es für eine Welle erwartet, deren Phasengeschwindigkeit und Wellenlänge unendlich groß werden.

Doch nun haben die Forscher um Polman und Engheta ein einfacher aufgebautes Metamaterial mit verschwindendem Brechungsindex n hergestellt, das sich zudem direkt optisch anregen lässt. Da n2 = ε µ (mit der Dielektrizitätskonstanten ε und der Permeabilität µ) gilt, folgt für nicht magnetische Substanzen (µ = 1), dass die Bedingungen n = 0 und ε = 0 äquivalent sind. Deshalb spricht man auch von „epsilon-near-zero“- oder ENZ-Materialien, wenn ihr n nahezu verschwindet.

Das neue ENZ-Material bestand aus abwechselnd aufeinander gestapelten Silber- und Siliziumnitrid-Schichten konstanter Dicke. Die Forscher stellten mehrere solcher Stapel mit unterschiedlichem Silbergehalt her, indem sie die Dicke der Silberschichten zwischen 40 und 150 nm und die Dicke der SiN-Schichten zwischen 36 und 135 nm variierten. Während das Dielektrikum SiN über den gesamten untersuchten Wellenlängenbereich von 300 nm bis 800 nm ein konstantes εd hatte, wechselte für das Metall Silber εm das Vorzeichen. Licht einer bestimmten Wellenlänge regte resonant Plasmaschwingungen im Silber an, woraufhin εm hier nahezu verschwand.

Abb.: Das effektive ε für Metamaterialien mit unterschiedlichem Silbergehalt ρ. Mit abnehmendem ρ wandert die ε-Nullstelle zu größeren Wellenlängen. Messpunkte und Theoriekurven stimmen gut überein. (Quelle: R. Maas et al. / NPG)

Für das Metamaterial, dessen Nanostruktur das Licht nicht auflösen konnte, ergab sich eine effektive Dielektrizitätskonstante εeff = ρ εm+ (1 - ρ) ε d, die vom Silbergehalt ρ abhing. Durch Veränderung von ρ konnten die Forscher die Lichtwellenlänge, bei der εeff und damit auch der Brechungsindex des Metamaterials verschwand, zwischen 351 und 633 nm variieren, wie die Messungen zeigten. Die Wellenlängenabhängigkeit von εeff bestimmten Polman und seine Kollegen interferometrisch, indem sie den Phasenunterschied zweier interferierender Lichtwellen ermittelten, von denen die eine durch das Metamaterial und die andere durch Luftspalt im Material gelaufen war. Die gemessenen ε-Werte für die verschiedenen Metamaterialien stimmten gut mit den theoretischen Vorhersagen überein.

Metamaterialien mit nahezu verschwindendem Brechungsindex eröffnen nach Meinung der Forscher neue und vielversprechende Möglichkeit für die Optik und Photonik, etwa bei der Verstärkung der Lichtdurchlässigkeit, bei der Formung von Lichtwellenfronten oder bei der Kontrolle der spontanen Emission und der Superradianz. Durch die Kopplung an Strahlungsmoden mit räumlich konstanter Phase, wie sie für n = 0 auftreten, ließe sich die Abstrahlung eines im Metamaterial eingebetteten Emitters verstärken und lenken. Darüber hinaus ist die starke Vergrößerung der Lichtwellenlänge in ENZ-Materialien gewissermaßen das Gegenstück zur Lichtwellenverkleinerung durch Oberflächenplasmonen, die in der Plasmonik intensiv genutzt wird.

Rainer Scharf

OD

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