15.06.2016

Methylalkohol in einer Staubscheibe

Entdeckung hilft beim Verständnis chemischer Prozesse während der Ent­stehung von Planeten.

In der protoplanetaren Scheibe um den jungen Stern TW Hydrae haben Astro­nomen erst­mals das orga­nische Molekül Methyl­alkohol nach­ge­wiesen. Es handelt sich um die erste Entdeckung einer solchen Verbindung in einer Scheibe, in der sich gerade Planeten bilden. Der Nachweis hilft Astronomen, die chemischen Prozesse zu verstehen, die während der Entstehung von Planeten­systemen statt­finden und die letztlich zur Bildung der Bestand­teile des Lebens führen.

Abb.: Künstlerische Darstellung der proto­plane­taren Scheibe um den Stern TW Hydrae. Das orga­nische Molekül Methyl­alkohol konnte mit dem Atacama Large Milli­meter/Sub­milli­meter Array in dieser Staub­scheibe nach­ge­wiesen werden. (Bild: M. Korn­messer, ESO)

Mit einer Entfernung von etwa 170 Lichtjahren ist die proto­planetare Scheibe um TW Hydrae die zur Erde nächst­ge­legene Staub­scheibe, in der Planeten­ent­stehung statt­findet. Für Astro­nomen stellt sie deshalb ein ideales Ziel für die Unter­suchung solcher Staub­scheiben dar. Das Atacama Large Milli­meter/Sub­milli­meter Array ALMA ist derzeit das leistungs­stärkste Obser­vatorium für die Unter­suchung der chemischen Zusammen­setzung und Verteilung kalten Gases in nahen Staub­scheiben.

ALMA-Beobachtungen zeigen nun erstmals Spuren gas­förmigen Methyl­alkohols in einer proto­planetaren Scheibe. Methanol ist ein Baustein für komplexere Stoffe wie Amino­säure­ver­bindungen und damit von grund­legender prä­biotischer Bedeutung. Die an den ALMA-Beob­achtungen beteiligte Forscherin Catherine Walsh von der Uni­versität Leiden in den Nieder­landen erläutert: „Zum ersten Mal ist es uns nun möglich, zu dem Punkt zurück­zu­blicken, an dem die chemische Komplexität während der Planeten­ent­stehung um einen sonnen­ähn­lichen Stern ihren Anfang nimmt.“

In der Astrochemie spielt gasförmiges Methanol in proto­planetaren Scheiben eine besonders wichtige Rolle. Während andere Stoffe, die im Weltraum entdeckt wurden, allein durch Gas­phasen­chemie oder durch eine Kombi­nation von Gas- und fester Phase entstehen, handelt es sich bei Methanol um eine komplexe organische Verbindung, die aus­schließlich durch Ober­flächen­reaktionen auf Staub­körnern in der festen Phase entstehen. Die scharfen Aufnahmen von ALMA haben es den Astronomen ermöglicht, das Vorkommen gas­förmigen Methanols quer durch die Staub­scheibe von TW Hydrae zu ent­schlüsseln. Sie entdeckten außer einer signi­fi­kanten Emission aus der näheren Umgebung des Zentral­sterns ein ring­förmiges Muster.

Die Beobachtung von Methanol in der gasförmigen Phase in Kombination mit Infor­mationen über seine Verteilung bedeutet, dass sich Methanol auf den Eis­körnern der Staub­scheibe gebildet hat und anschließend in gas­förmigem Zustand frei­ge­setzt wurde. Diese Beob­achtung hilft, das Rätsel des Über­gangs von der festen in die gas­förmige Phase zu lösen und die chemischen Prozesse in astro­physi­ka­lischen Umgebungen all­gemeiner zu verstehen. Das Vorkommen von Methanol in gas­förmigem Aggregat­zustand in der Staub­scheibe ist ein ein­deutiger Hinweis auf zahl­reiche orga­nische chemische Prozesse in einer frühen Phase der Stern- und Planeten­entstehung.

ESO / RK

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